Von einem Sofa - Gespräch

Mittwoch.
„Wenn Du letzte Nacht nicht gut geschlafen hast, bist Du sicher müde. Ich dachte, ich gehe heute mal zum Sport und Plätzchen backen können wir ja morgen.“    
„Mh… - kannst Du nicht noch nach dem Sport vorbei kommen?“, frage ich.     
„Kann ich“, erwidert er.     
„Willst Du etwas essen, wenn Du kommst?“
„Ja, wäre schön. Ich denke bis spätestens halb 10 bin ich da.“

„Bin im Anflug“, schreibt er kurz nach neun.

„Stell das Essen schon mal aus dem Ofen, das kann noch kurz abkühlen. Erst Sofa“, beschließt er, als er da ist.    

Wir kuscheln uns auf mein schmales Sofa.     
„Du bist ja ganz kalt…“    
„Und Du ganz warm.“        
„Was ist denn jetzt los bei Dir? Dir geht es doch nicht gut.“    
„Ziemlich viel Chaos in meinem Kopf.“    
„Willst Du darüber reden?“    
„Das ist so unsortiert…“    
„Macht nichts.“    

Und dann geht es – wie immer – um Zeitmanagement. Darum, dass er mich am Vortag um 23 Uhr dann auch mal aus der Klinik angerufen hat um mir zu sagen, dass er spontan einen Dienst übernommen hat. Aber ich bin mir sicher, das wusste er nicht erst seit 23 Uhr. Sondern wahrscheinlich sogar schon ab dem Vormittag. Wo ist das Problem, mal kurz durchzuklingeln, wenn man die Idee hatte, abends gemeinsam Plätzchen zu backen um zu sagen, dass das wohl nichts wird? Diese 20 Sekunden wird man doch wohl haben. Er kann kurz auf meinem Diensttelefon anrufen, auf meinem Handy oder eine Nachricht schreiben. Irgendetwas davon wird doch wohl möglich sein. Ich bin es leid, ständig abends zu sitzen und zu warten. Und dass es manchmal einfach nicht geht, wenn es Schwierigkeiten in einer OP gibt und er da festhängt, das habe ich verstanden und das ist okay. Aber wenn man die Dinge kommunizieren kann, dann soll man das doch bitte tun.
Er versteht das sogar. Ich bin immer wieder erstaunt, wie leicht er Kritik doch auch annimmt. In meiner Vorstellung holt er dann immer aus um zu sagen, wie beschäftigt er doch ist und dass ich ja wenigstens nichts mehr zu tun habe, aber das macht er nie. „ich werde mir Deine Handynummer mal ins Diensttelefon einspeichern, dann kann ich Dich leichter anrufen“, sagt er.    

Bild aus dem Urlaub


Danach wird es schwieriger. „Da ist etwas, seit unserem Urlaub. Und der war total schön. Wir hatten endlich diesen dämlichen Zeitstress mal nicht und ich habe das Gefühl, dann ist das auch alles okay mit uns.“ Und dann geht es um dieses Nähe – Distanz – Ding. Darum, dass mir das mittlerweile so sehr Angst macht, einen Menschen so nah bei mir zu fühlen. Weil ich das nicht nochmal nach kurzer Zeit kann. Einen Menschen zu verlieren. Wie nun auch immer.
Ich dachte, wir hätten das alles mit dem ehemaligen Freund schon durch, aber scheinbar ist es doch immer noch da. „Ich habe mal einen Podcast über Trauer gehört. Und da meinte die Moderatorin, als sie ihren neuen Partner gefunden hat, hat sie zu ihm gesagt: „Wir können nur eine Beziehung führen, wenn du mir versprichst, nicht vor mir zu sterben.“ Und das ist irgendwie echt brutal und das soll man nicht sagen, aber ich kann das einfach nicht nochmal. Zumindest nicht in näherer Zukunft.“
„Ich hab nicht vor, zu sterben.“
„Ich weiß.“
„Allerdings weiß man nie, was im Leben passiert. Es gibt keine Garantien. Und ich merke das schon bei dir. Eigentlich willst du viel mehr Nähe, aber wenn die dann da ist, dann geht das auch nicht, deshalb weiß ich irgendwie nie so richtig, was ich mit Dir machen soll.“
„Das macht überhaupt keinen Sinn.“
„Manchmal macht nicht alles Sinn im Leben.“
Was mich aber beeindruckt ist, dass er das offensichtlich merkt. Vielleicht ist sein ständiges Nicht – verfügbar – sein am Ende etwas, das von mir ausgeht. Zumindest zum Teil.    

„Ich wollte Dir nie weh tun“, sagt er.    
„Ich weiß – Du kannst ja auch gar nichts dafür, das ist schon mein Problem.“
„Jetzt ist es unser Problem.“
 
„Schau mal, Du bist jetzt drei Monate in der Psychosomatik – du musst langsam anfangen die Tools, die Du doch auch Deinen Patienten beibringst, zu nutzen.“
„Naja, man kann sich ja nicht selbst therapieren.“
„Nein, aber Du musst anfangen zu reden. Nicht solange warten, bis gar nichts mehr geht.“
„Aber ich kann Dir doch nicht ständig die Ohren voll jammern.“
„Wahrscheinlich musst Du das sogar.“
 
„Irgendwie hatte ich so die letzten Tage das Gefühl, vielleicht muss ich gar nicht mit diesem Supervisor – Typ sprechen. Ich habe nämlich gar keine Lust dazu. Und dann habe ich gedacht, das war sicher voll übertrieben, dass ich damals gesagt habe, dass die Sache mit dem verstorbenen Freund Auswirkungen auf alle Beziehungen haben wird, die folgen.“
„Du gehst da hin Mondkind…“
„Ja, ich habe es mir dann auch gedacht, dass es wahrscheinlich doch nicht so gut geht, wie ich dachte.“
 
Und dann liegen wir da einfach eine Weile. Still nebeneinander.
„Geht es Dir besser jetzt?“, fragt er.
„Schon ein bisschen, ja.“
„Dann würde ich mal langsam nach Hause fahren. Es ist schon 23 Uhr durch.“
 
Puh… - über diesen Abend muss ich erstmal nachdenken.

Mondkind

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