Über Absprachen
Und manchmal – manchmal bin ich so beschäftigt, dass alles in mir still wird.
Ich erinnere mich, Lernzeiten haben mich schon früher anders werden lassen.
Maulwurfphase, habe ich diese Zeiten früher genannt.
Und die richtig langen Maulwurfzeiten haben die ein oder andere Freundschaft gekostet.
Ich habe kaum noch Zeit. Zum Denken, zum Reflektieren. Immer im Stress, selbst beim morgendlichen Kaffee wird schon schnell eine Wiederholrunde eingelegt.
Ich registriere still und nicht mehr laut. Für die anderen und für mich selbst. Ich merke nicht mehr, wenn das Fass überläuft.
Nur, wenn es dann so ist – dann ist das ziemlich deutlich.
Der Kardiochirurg hat Nachtdienstwoche.
Diese Wochen sind immer schwierig.
Aber sie werden noch schwieriger, wenn ich grundsätzlich Schuld an allem bin.
Wir waren mehrmals diese Woche früh verabredet und es hat mehrmals nicht geklappt.
Weil er eingeschlafen ist, während wir uns verabredet haben, oder er hat sich gar nicht mehr gemeldet. Immer lief es darauf hinaus, dass von seiner Seite die Kommunikation abgebrochen wurde. Mir ist das zwar noch nie passiert, dass ich während des Verabredens eingeschlafen bin und am Anfang konnte ich ihm das auch nie glauben, aber mittlerweile weiß ich ja, dass er in jeder Ecke einschlafen kann. Manchmal merke ich mittlerweile auch, wenn er die letzten fünf Minuten bevor er einschläft ganz hart zu mir wird. Er kann sich daran wenn er aufwacht nie erinnern, aber dann weiß ich schon, dass er gleich schlafen wird.
Aber letzten Endes ist es dann seine Aufgabe sich irgendwelche Wecker zu stellen, wenn er sich verabredet. Ich kann nicht Schuld sein an seinem Schlafen, seinem nicht vorhandenen Zeitmanagement sein. Das muss jeder selbst hinkriegen.
Heute vor dem Spätdienst war ich noch ein paar Minuten da.
Ob er denn am Wochenende schon etwas vor hätte, habe ich ihn gefragt. Eigentlich hatten wir zwar verabredet, dass er nach der Nachtdienstwoche am Wochenende da ist und unter der Woche machen kann, was er möchte; da muss ich ohnehin arbeiten. Deshalb habe ich auch den Dienst am 1. Mai als Wunschdienst eingetragen, obwohl ich nichts mehr hasse, als an Feiertagen zu arbeiten. Dann hast Du nämlich genau gar nichts davon und bist noch belasteter, als wenn es einfach ein ganz normaler Wochentag wäre.
Aber man kennt ihn ja mittlerweile und weiß, dass man lieber nochmal nachfragt – obwohl das eigentlich gar nicht nötig sein sollte. Es ist unser Wochenende, das war verabredet und fertig. Dass man auch mal einige Stunden etwas anderes macht, ist ja völlig okay. Ich habe sowieso nicht mehr viel Zeit aktuell. Aber zumindest sollte man nicht von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang abwesend sein.
Jedenfalls hat er mir dann erklärt, dass er das gesamte Wochenende Fallschirmspringen möchte und dafür dann die Woche über da ist.
Ich habe schon viel über uns geweint, aber eigentlich nie in Gegenwart von ihm. Aber so langsam scheint das Nervenkostüm dünn zu sein.
Es ist das, was erwartbar war. Das, was eben immer passiert. An Absprachen wird sich niemals gehalten – wir hätten auch nicht darüber sprechen müssen und selbst wenn wir etwas wegen der Dienste besprechen, funktioniert es in fast 100 % der Fälle nicht.
Aber heute Morgen war es mir irgendwie zu viel. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurück halten. Egal, wie die Dienstpläne aussehen - es geht einfach nie. Und ehrlichweise hängt es auch nicht am Dienstplan und hing noch nie daran. Das ist eine Frage von Wollen.
Ich versuche mich anzupassen und alles so zu organisieren, wie er das braucht. Aber scheinbar reicht das nie. Ich kann ja auch nicht das Wetter vorhersehen.
Dieser Sommer wird so, wie der letzte Sommer werden. An Regentagen ist es vielleicht da, an allen Sonnentagen wird er auf dem Flugplatz herum hängen. Und wenn das zumindest hieße, dass wir noch ausschlafen und entspannt zusammen frühstücken können, wäre das für mich auch schon okay. Aber dann klingelt der Wecker meist schon vor sieben, es gibt kein Frühstück und nur eine flüchtige Umarmung, bis man ihn weit nach Sonnenuntergang wieder sieht.
![]() |
Letztens am Wegesrand gespottet |
Und während ich wenige Minuten später über den Flur gefegt bin, um mir neue Arbeitsklamotten zu Beginn des Spätdienstes zu holen, habe ich darüber nachgedacht, dass ich so oft in meinem Leben irgendwelchen Illusionen hinterher laufe und damit irgendwie nicht aufhöre. Ich beeile mich immer, um etwas Gutes zu erreichen, aber das Gute zerrinnt dann immer zwischen den Fingern.
Mir war glaube ich immer bewusst, dass die Neuro hier nicht die Endlösung ist. Zumindest, wenn ich meine Zwanziger überlebe – das war ja auch lange nicht klar, ob das überhaupt etwas wird. Aber es war erstmal eine Lösung für die nächsten Jahre. Weg von diesem Familienumfeld, in dem gar nichts mehr ging, am Besten mit dem Freund und dann schauen wir mal was passiert. Naja – es wurde die Katastrophe schlechthin, wie wir wissen.
Seit bald zwei Jahren versuche ich diese Beziehung irgendwie zu bewegen und zu stabilisieren und auch das wird nicht funktionieren. Ist die Frage, was mit meinen Plänen für die Psychosomatik wird. Ich müsste mich mit dem Facharzt ja nicht so stressen. Dass das in meiner Welt, in der in meiner Wahrnehmung nun bald meine Daseinsberechtigung der letzten sechs Jahre beurteilt wird, zu einer mittelschweren Katastrophe wird, war abzusehen. Aber irgendwie ist da dieser Gedanke von „ein Mal musst Du da noch durch und dann wird es ruhiger.“ Aber was ist, wenn das mit der Psychosomatik am Ende auch nicht so klappt? Wenn ich immer nur so viel gebe um etwas zu erreichen und aber nie ankomme.
Ich denke viel über diese Beziehung nach. Frage mich oft, warum wir das noch machen. Wir kennen uns nicht wirklich, wir kennen unseren Alltag nicht. Alles was bleibt ist, dass wir uns flüchtig in einem der Arztzimmer hier im Krankenhaus sehen, ein kurzes in den Arm nehmen und das ist für viele Tage alles, was geht.
Ich habe über Ostern mit meiner Oma gesprochen. Manchmal geht es ganz gut mit uns und manchmal ist es aber auch diese Oma – Leier. Sie hat mir erklärt, wie gut meine Cousins doch ihr Leben im Griff hätten, die seien schon verheiratet, hätten eine Familie und Geld würden sie ja auch verdienen. Sie könne nicht verstehen, wieso das bei mir und meiner Schwester so schwer sei. (Spoiler an der Stelle: Meine Cousins haben auch nicht Medizin studiert, sondern ein bisschen ihr Leben gelebt, da lernt man vielleicht mal wen kennen – ich war quasi sechs Jahre mit dem Schreibtisch verheiratet und danach mit der Arbeit). Wenn man es im Bett ein bisschen krachen lassen würde, würde das jeder Beziehung auf die Sprünge helfen, hat sie dann noch angebracht, ich soll mich doch anstrengen.
Wir brauchen nicht darüber zu reden, was für ein ausgefuchster Bullshit das schon wieder ist, aber manchmal denke ich mir, vielleicht ist der Kern der ganzen Geschichte, dass Beziehung eben auch ein bisschen Selbstberuhigung ist. Ein bisschen „das sollte man in seinen 30ern eben erreicht haben.“ Oder auch ein „das würde ich mir für mich wünschen.“
Ich werde nie vergessen, wie wir in der zehnten Klasse aufschreiben sollten, wie wir uns unser Leben in 20 Jahren vorstellen. „Familie, Kinder, ein Job von dem ich leben kann.“ Das war alles, was ich aufgeschrieben habe. Mehr wollte ich nicht und mehr möchte ich bis heute nicht. Vielleicht ist diese Beziehung auch irgendwie etwas, das auf diesem sonst leeren Platz steht, das zumindest suggeriert, dass ich mir diesbezüglich Mühe gebe. Mal etwas versuche für mich in meinem Sinn zu regeln.
Und trotzdem gibt es am Ende des Tages keine Gemeinsamkeiten.
Es war ein anstrengender Tag – wir Füchse haben heute sogar mal eine Aortendissektion raus gefischt und plötzlich war unsere ganze Neuro – ZNA voller Kardiochirurgen und Anästhesisten… hätten der Kardiochirurg und ich heute über unseren Tage gesprochen, hätte ich ihm das sicher erzählt…
Mondkind
Wie hat der Kardiochirurge denn auf dein Weinen reagiert??? Er kommt mir manchmal so...anteilnahmslos, so kalt vor & völlig unfähig sich in andere hineinzuversetzen.
AntwortenLöschenDu bist nicht glücklich warum sollte sich das ändern? Willst du das so akzeptieren? Was sind deine Träume und wünsche? Du hast bisher überlebt aber auch nicht mehr. Du lebst in deiner bubble, bestehend aus Medizin, lernen, stress. Hast du nicht den wünsch ein land zu sehen oder dinge zu tun die neu sind? Du hast angst das ist offensichtlich und verständlich. Der einzige mensch der dich vom richtigen leben abhält bist du selbst. Was willst du noch verlieren? Du musst Niemande gerecht werden. du bist gefesselt von den erwartungen andere und selbst wenn du die Werkzeuge hast dich zu befreien hast du zu viel Angst die fesseln zu lösen und davon zu rennen. Warum machst du nicht ein Sabbat jähr und reist? Warum bringst du nicht einmal abstand zu den menschen die dich (negativ) beeinflussen und verletzten. Warum kümmerst du dich nicht einmal um dich selbst? Du steckst fest. Und jetzt mal ehrlich ist dieses leben was du aktuell fährst wirklich dein leben, wenn es von den Erwartungen anderer gefüllt ist? Hast du wirklich keine träume? Erlaube dir doch einmal zu träumen. Wärst du die Protagonistin in einem Film oder buch würdest du von irgendjemanden ein tritt bekommen und alle fesseln lösen. Du würdest vielleicht eine bucket list schreiben und dann die welt bereisen. Neue Menschen kennen lernen und einfach (er)leben. Und vielleicht lernst du deinen traumprinzen dabei kennen aber vor allem lernst du dich selbst kennen. lernst auf dich zu hören deine wünsche zu erfüllen. Sei stolz das du ein Medizin Studium geschafft hast, menschen gerettet hast. aber wer rettet dich? Du wirst den erwartungen anderer nie gerecht werden befürchte ich. Du kannst leben was dich davon abhält ist angst, angst zu scheitern oder allein zu sein. schreibe deine Ängste auf und dann deine wünsche, Hoffnungen. Willst du dieses leben? Du musst nicht von heute auf morgen alles hinschmissen auch wenn es dir vielleicht helfen würde. Beginne mit kleinen schritten. Wenn dein freund ein hobby hat warum hast du dann keins? Was tust du gerne? oder würdest du gerne tun oder können? wo möchtest du mal Hinreisen oder was erleben. du stellst dein leben auf pause (für ihn, für andere) es wird zeit auf play zu drücken und durch das leben zu tanzen. Du hast angst und das ist ok, aber du hast schon so viel überlebt nur dich dabei verloren. Mach dich auf die suche nach dir selbst oder entdecke dich komplett neu. Du schaffst das und ich bin stolz auf dich. sich zu lösen ist nie leicht vor allem wenn die angst so groß ist. Aber wer sagt das deine Zukunft schlechter sein wird als dene Vergangenheit. du standest so häufig am Abgrund bist fast gesprungen. jetzt ist es zeit den Abgrund zumindest provisorisch zu verschließen oder mit einer Brücke zu versehen auf der du tanzen kannst, springen kannst du immer noch. alles alles liebe ich hoffe meine Worte verletzen nicht zu sehr, sie sollen ein liebevolles aufrütteln sein für jemanden der alles gluck und alle liebe der welt verdient.
AntwortenLöschenHey,
LöschenDanke erstmal für die Worte und die viele Mühe, die darin steckt und natürlich für die vielen, vielen Gedankenanstöße.
Was den Kardiochirurgen und die Beziehung angeht: Ich glaube manchmal wirklich, ich habe gar keine Ahnung mehr, wie Beziehung eigentlich funktioniert. Der Intensivoberarzt hatte mir ja auch immer versucht deutlich zu machen, dass meine Ansprüche an eine Beziehung nicht zu hoch sind, aber ich persönlich bin mir da unsicher. Wenn man ehrlich ist, hat das ja noch nie so richtig funktioniert – mit keinem Mann. Ich glaube halt manchmal, dass das auch so ein Selbstwertding ist. Wird mich nochmal jemand nehmen mit der Vorgeschichte? Wenn ich sie wirklich erzählen könnte und damit wirklich „echt“ sein könnte. Denn all die Jahre sind ein Teil von mir und haben mich geprägt. Selbst der Kardiochirurg kennt nur Ausschnitte davon, die Story mit dem verstorbenene Freund kennt er am Rand, aber er weiß zum Beispiel nicht mal, wann Todestag oder Geburtstag ist, wann vielleicht die Momente sind, in denen ich mal ein bisschen Nähe brauche. Aber wer tut sich das denn freiwillig an? Und dann frage ich mich auch oft, ob ich die Jungs nicht viel zu sehr einenge. Ich möchte halt schon, dass der Partner abends nach Hause kommt, dass es regelmäßigen Austausch gibt, dass da eine echte Nähe gelebt wird. Aber das war sowohl für den Exfreund schwer, (obwohl wir sehr viel mehr Nähe hatten…), als auch insbesondere für den Kardiochirurgen. Er hält das schlicht für nicht nötig, sich tagsüber mal zu melden, abends nach Hause zu kommen und all solche Kleinigkeiten, die für mich die Basis sind, bevor man auch nur über etwas anderes nachdenken kann.
Ich weiß für mich, dass ich von Beziehung eigentlich etwas anderes möchte. Das spüre ich ja deutlich. Die Frage ist eben, ob das realistisch ist. Ob es irgendwo da draußen Männer gibt, die das auch so sehen. Oder ob das vielleicht einfach so ein Ding ist, das Frauen und Männer grundsätzlich unterschiedlich sehen. Und das mag sich jetzt vielleicht witzig anhören für einige, aber ich frage mich das wirklich.
Was meine Wünsche, Ideen, Träume und Ziele angeht: Das ist eine verdammt gut Frage. Oder eher gute Fragen. Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ich darauf vielleicht irgendwann in der Psychosomatik mal Antworten finde. Nicht, um mich da selbst zu therapieren, oder so – sondern, weil die Arbeitszeiten da sehr viel geregelter sind. Ich weiß nicht, ob das naiv ist, aber ich habe irgendwie die Idee, dass ich mir dann vielleicht mal wirklich Gedanken machen könnte, was ich denn gern mache und es dann vielleicht einfach mal versuchen könnte. Mal reiten gehen. Oder wirklich Keyboard spielen lernen mit Musikunterricht. Im Sommer durch das Land turnen, von einem Konzert zum anderen. Meine Freunde sehen. Und vielleicht noch ganz viel mehr, über das ich jetzt noch gar nicht nachdenke.
LöschenMeine Schwester und ich hatten auch schon mal die fixe Idee, dass wir mal wieder gemeinsam Urlaub machen könnten – ohne die Jungs. Wohin auch immer. (Da habe ich echt noch nicht so die Idee, wo ich gern hin würde…)
Aber Du hast Recht, dass ich da glaube ich wirklich nochmal eine Findungsphase brauche. Und ich hoffe sehr, dass ich dann in der Psychosomatik nicht das nächste Ziel finde, dem ich erstmal hinterher hetze.
Mondkind
Schon mal überlegt, ob der kardiochirurg Autist ist?
Löschen