Von einem Konzertwochenende

Wahrscheinlich warten einige auf den Geburtsstadt- und Konzert – Bericht.
Ich hatte ihn schon längst schreiben wollen, aber mit dem aktuellen Ausmaß von Erschöpfung bin ich froh, wenn ich die Tage auf die Reihe bekomme. (Wir verschweigen, wie es aktuell um die Neurolernei steht).
 
In die Geburtsstadt rein zu fahren, fühlt sich jedes Mal an, wie eine emotionale Umarmung. Es hat ein seltsames Gefühl von „nach Hause kommen“, obwohl ich dort nur die ersten zwei Jahre meines Lebens verbracht habe, an die ich keinerlei aktive Erinnerungen habe. Wir waren dann allerdings viele Jahre jeden Sommer dort. Bis fast zur Oberstufe, als die Sommerferien für das Lernen gebraucht wurden und keine Zeit mehr war, den Sommer mit Vergnügen zu verbringen.
Aber dadurch hat diese Stadt auch irgendwie die Katastrophen ausgespart. Ich habe sehr viel gute Erinnerungen; unsere Oma hat es immer geschafft die zwei Wochen in denen wir dort waren, mit Programm und vielen guten Erlebnissen zu füllen.
Diese Stadt erinnert ein bisschen an wenige, unbeschwerte Tage. Bevor das Leben so schwierig wurde.
 
Ich habe sie letzten Sonntag besucht. Meine Oma. Und irgendwie war das emotionaler, als gedacht. Als der Freund gestorben ist, war sie auch nicht unbedingt eine Sympathieträgerin; immerhin war sie diejenige, die die Kündigung für meinen Job geschrieben hat und der Meinung war, ich könnte doch zurück ins Elternhaus ziehen und erstmal meine Mutter pflegen. Aber wer hat sich in dieser Zeit schon mit Ruhm bekleckert…?
Ich habe mich gefragt, wie oft es wohl noch möglich sein wird, meine Oma in ihren eigenen vier Wänden und kognitiv fit zu erleben. Und irgendwie habe ich mir überlegt, ich müsste im Sommer nochmal herkommen, an einem Wochenende, an dem ich sonst nichts vor habe. Vielleicht, bevor ich zurück in die Neuro gehe, dann brauche ich die Wochenenden wieder, um mich bis Montag irgendwie zu erholen.
 
Ich war sehr froh, dass am Ende eine Kollegin mit gefahren ist. Sie war zwar die Tage vorher noch krank, deshalb stand die Tour bis zuletzt etwas auf der Kippe, aber am Samstag dann fit genug um zu fahren. Wir sind erst Mittag los gefahren, damit es nicht zu anstrengend wird.
Das Konzert war eine wunderschöne Erfahrung. Konzerte haben, wenn sie gut sind, die Möglichkeit alles in mir auszuschalten und nur in dem Moment zu bleiben in dem ich gerade bin mit den Emotionen, die gerade transportiert werden. Es gibt kein Gestern und kein Morgen, keine Sorgen dazwischen.
Konzerte sind wie eine geführte Reise durch die Seele. Es ist alles da an Gefühlen. Zu den jeweiligen Songs passend. Bei „Leise“ kann man dem Schlagen des eigenen Herzens nachspüren, bei „Wovor hast Du Angst“ sich an die Anfänge der Beziehung erinnern und nachspüren, dass es sich immer noch nicht gut anfühlt. „Kleiner Finger Schwur“ ist einfach nur ein kleines bisschen ganz große Liebe, die ich aktuell nicht so leben kann, wie ich gern würde. „Gegengewicht“ hat etwas von der Sehnsucht nach Hause zu kommen. „Tausende mehr“ vermittelt ein bisschen das Gefühl mit seiner zerbrechlichen Seele einfach ein bisschen getragen zu werden, „Tausend Raketen“ ist eine Erinnerung an den verstorbenen Freund, mit dem ich es leider nicht mehr zu einem Konzert in die Geburtsstadt geschafft habe. Aber vielleicht ist er doch ein bisschen mit dabei. „Vergiss die guten Tage nicht“, bringt ein paar Urlaubserinnerungen und „Jede Träne“ erinnert daran, dass es schon okay ist, ab und an mal die Gefühle auszuleben. Und so hat jeder Song ein bisschen seinen Platz, berührt irgendetwas in der Seele und dann geht es aber auch weiter zum nächsten Punkt in der Seele. Es ist schwer zu beschreiben, aber für mich ist das absolutes Ankommen bei mir selbst und Entspannung schlecht hin.
Die Halle war recht klein, die Akustik war dementsprechend gut und zwischendurch ist Florian Künstler sogar durch die Menge gelaufen. Ich glaube ehrlich gesagt, so nah war ich einem Künstler noch nie auf einem Konzert. 


Sonntagabend haben der Kardiochirurg und ich uns noch gesehen, aber nur kurz. Er hat mich schon gegen kurz nach 19 Uhr auf dem Rückweg vom Fallschirmspringkurs mit Essen kochen beauftragt (das hat er irgendwie schnell gelernt) und da habe ich schon geahnt, dass etwas im Busch ist. Er meinte dann, dass er in der Nacht davor bis 3 Uhr geholfen hat, irgendeinen Container auf dem Flugplatz umzubauen, damit es in zwei Wochen auch einen Schlafplatz für die Jungs gibt (ich nehme an, er kommt dann eine Woche lang überhaupt nicht nach Hause, dabei sind es 20 Minuten mit dem Auto) und dementsprechend müde ist. Da kann ich aber nichts dafür. Ich bin extra etwas früher nach Hause gekommen, damit wir noch ein bisschen was vom Abend haben; das hätte er ja in der Früh auch schon einfach sagen können, dass er nur eine halbe Stunde bleiben möchte – dann hätten wir viel später zurück nach Hause fahren können.

Montagabend war es dann dasselbe Spiel. Er war um 18 Uhr von der Arbeit weg, war dann um 21 Uhr mal bei mir und um 21:30 Uhr schon wieder weg. Es sind irgendwie Anstandsbesuche geworden. So nach dem Motto „ich war ja da, da kann sie nicht meckern“.
 
Ich weiß nicht, wie lange das noch so weiter geht. So weiter gehen kann. Ich arbeite mich so an ihm ab und es bringt einfach nichts. Und ich glaube, gerade Konzerte aktivieren da viele Emotionen. Sind ein bisschen wie „was wäre wenn…“ Wenn man wirklich mal nach Hause käme, schauen würde, ob noch Licht in der Wohnung des Kardiochirurgen brennt und sich dann glücklich in die Arme nehmen könnte und es auch wirklich fühlen könnte.
Und denke ich auch immer wieder, ich sollte mein Keyboard wieder raus holen und aktiv darauf spielen. Musik in den Ohren ist einfach immer Entspannung. Ich werde nie vergessen, wie ich im Sommer 2017 in der Psychiatrie mich stundenlang am Keyboard verlieren, Zeit und Raum vergessen konnte. Man muss natürlich die richtigen Songs spielen.
 
Mit dem Wechsel in den neuen Chefarztbereich ist es gerade übrigens auch etwas anstrengend. Die Aufnahmen werden zentral vom Chef verteilt, weil wir so wenige Ärzte haben und wahrscheinlich werde ich für 2 – 3 Gruppen medizinisch verantwortlich sein – was immerhin 30 Patienten sind – meine eigene Gruppe therapeutisch betreuen müssen und täglich im Schnitt zwei Aufnahmen machen müssen. Es ist alles nicht schlimm – außer man muss nebenbei Neuro lernen, dann geht es sich zeitlich doch nicht mehr aus.


Mondkind

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