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Es werden Posts vom Februar, 2025 angezeigt.

Von einem Telefonat mit der Therapeutin

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 Und manchmal wird es doch wieder ein kleines bisschen leichter. Wenn das Helfersystem erstmal angesprungen ist. Und ich nicht mehr alleine damit bin. Gestern hatte ich Dienst – das hat mich schon auch einigermaßen abgelenkt. Nach dem dritten Schockraum innerhalb der ersten zwei Stunden des Dienstes hat man auch nicht mehr so viele Möglichkeiten, außer sich irgendwie auf die Arbeit zu fokussieren, was zu Beginn unglaublich anstrengend ist, wenn da gerade so viel gehört und gesehen werden möchte, aber je mehr man im Tun ankommt, desto leichter wird es. Heute am Nachmittag hatte ich dann noch einen Telefontermin mit der ehemaligen Therapeutin aus der Studienstadt. Ich bin ihr wirklich so dankbar, dass sie da jetzt so schnell rein gesprungen ist, Zeit gefunden hat. Es war gar nicht so einfach sich im laufenden Betrieb 50 Minuten abzuseilen, aber ich habe es dann doch pünktlich geschafft, habe mit dem Telefon einer Kollegin, die gerade nicht da ist telefoniert und der Kollegin auf Stat...

Von einem kurzen Gespräch am Nachmittag

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 „Ich möchte Sie nicht zusammen brechen sehen“, sagt sie. „Ich will das auch nicht unbedingt erleben“, entgegne ich. *** Freitag. Ich habe schon frühs vor der Arbeit unendlich viel geweint. Ich weiß nicht, was hier los ist. So richtig verstehe ich das nicht. Es ist nichts akut Schlimmes passiert und trotzdem fühlt es sich sehr schlimm an. Auf der Arbeit sehe ich, dass die Psychosomatik – Oberärztin geschrieben hat. Wir wollten uns ja mal treffen. Sonntag hat sie Dienst. Aber Sonntag habe ich auch Dienst. Nächste Woche Mittwoch hat sie auch Dienst, aber auch noch etwas vor, deshalb wird das auch nichts. Nächsten Sonntag könnte es etwas werden. Ich frage sie, ob wir uns heute am Nachmittag irgendwie noch kurz sprechen können. Eigentlich habe ich das noch nie mit ihr gemacht, aber mir fällt nichts mehr ein. Bis Montag schaffe ich es so nicht. Und dann ruft sie gerade an, als ich den Schockraumpatienten auf Station verlegt habe. Besser könnte das Timing nicht laufen. Ich ziehe mich sch...

Aktivierung des Helfersystems

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Lange nicht mehr gehabt. Diese Situation. In der die Psyche immer weiter entgleitet, ich mich selbst nicht mehr stabilisieren kann und ich irgendwann wie automatisiert das Helfersystem versuche anzuschmeißen. Es ist schon schambehaftet seit der Psychosomatik. Ich sollte mich doch schon selbst regulieren können mittlerweile. Ich weiß doch, wie es geht. Und dann sage ich aber doch selten, wie schlimm es wirklich ist. Wie sehr die Seele weh tut, wie sehr es mich zerreißt. Weil es auch im Jetzt keinen Platz mehr hat. Und dann verstehen die Leute natürlich nicht, dass ich wirklich ein Ohr brauche. Der letzte Mensch in der Reihe ist immer die ehemalige Therapeutin in der Studienstadt. Nicht, weil ich meine, dass Telefonate mit ihr nicht unterstützend sein können. Aber weil ich weiß, dass die das dort nicht abrechnen können, wenn ich nicht vor Ort bin und die das eigentlich alle nicht cool finden, es aber trotzdem so machen, wenn ich das dringend brauche. Der Versuch dort ein Ohr zu finden wa...

Über eine abendliche Eskalation

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Eigentlich schien gestern Abend alles klar zu sein. Der Kardiochirurg hatte geschrieben, dass die OPs fertig sind und er jetzt nach Hause geht. Ich wollte noch kurz etwas über Autoimmunenzephalitiden nachlesen, weil mir da in der Fortbildung ein paar Fragen aufgekommen sind, dann flott duschen, meine Sachen packen und rüber zum Kardiochirurgen fahren in der Hoffnung, dass die Nacht ruhig wird. Das habe ich ihm auch so geschrieben, was er auch gelesen hat. Bevor ich unter die Dusche gehüpft bin, habe ich ihn nochmal gefragt, was er eigentlich macht. Keine Reaktion. Eigentlich sollte er sein Handy im Rufdienst zwar auf laut und in der Nähe haben, aber vielleicht hat er es gelesen ohne es angeklickt zu haben. Kurz habe ich mir überlegt einfach los zu fahren und bei ihm vor der Tür zu stehen, er wird ja wohl zu Hause sein, aber dann dachte ich mir, ich rufe ihn doch nochmal an. Zwar wird er dann sicher einen halben Herzinfarkt bekommen weil er denkt, es ist die Klinik, aber da hat er Pech....

An der Untergrenze

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„Mondkind, hast Du die Nummer von dem Sohn von dem DSA – Patienten?“ „Ich könnte im System nachschauen, wieso?“ „Er ist verstorben bei der Intervention…“ „Was…? Ich komme.“ Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so ein Gefühl hatte. So eine aufsteigende Unruhe, das in einem merkwürdig zittrigen Gefühl endet und von einer Lähmung, die vom Kopf ausgeht erschlagen wird. Ich renne zum Arztzimmer, in dem schon mein Oberarzt sitzt und den Kopf in den Händen vergraben hat, hat Telefon in der Hand. Es war ein einfacher ACI – Stent. Wir haben schon mehr Akrobatik betrieben. Oder eher gesagt, unsere Neuroradiologen. Und obwohl es eine Komplikation ist, die im Rahmen einer solchen Intervention auftreten kann und über die die Patienten auch aufgeklärt sind, fühlt es sich ziemlich scheiße an, im Team aktiv am Tod der Patientin beteiligt zu sein. Ich habe ihn aufgenommen. Sechs Stunden vorher ist er auf beiden Beinen in diese Klinik gelaufen. Es ist das Ende einer Woche, das ich nicht mehr gebaucht...

Von ein bisschen Klärung

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Montagabend. Natürlich hat er eine Erklärung parat. Kurz vor Feierabend jemandem einen Schrittmacherdraht zu ziehen und dabei ein zwei Zentimeter langes Loch in den linken Ventrikel zu schlitzen, ist halt nicht unbedingt gesund. Also Reanimation und OP. „Und in solchen Situationen kann man halt auch nicht gehen. Wird nicht vorkommen bei mir Mondkind. Das wird wieder genauso passieren.“ Partnerschaftliche Beziehung wird also immer eine Dreiecksbeziehung bleiben, in der wechselnde Patienten zu meinen Duellpartnern werden. Auf der einen Seite tut es seltsam weh, immer hinten angestellt zu werden. Es gibt doch einen Dienstarzt danach. Auf der anderen Seite würde das wahrscheinlich tatsächlich Keiner tun. Ich auch nicht. Dennoch muss man sich dann halt etwas einfallen lassen, wie man dem anderen signalisiert, dass der einem nicht egal ist. Zu Beispiel ein paar Blumen mitbringen, ein Abendessen organisieren oder whatever. Wahrscheinlich ist man dann auch nicht unbedingt in der Stimmung sich ...

Von einem nicht statt gefundenen Café - Date

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Atmen. Einfach irgendwie atmen. Auch wenn die Seele so weh tut, dass man meint, sie müsse sterben  in einem drin. Samstagmorgen. Der Kardiochirurg hat Dienst. Der Wecker klingelt früh, er rotiert durch die Wohnung und als er eine halbe Stunde später weg ist, sieht es wie nach einer verlorenen Schlacht in der Wohnung aus. Ich stehe auf, springe unter die Dusche und noch mit dem Handtuch auf den Kopf fange ich an, die Küche in Ordnung zu bringen. Irgendwie scheint die Hälfte des Proviantes auf dem Boden gelandet zu sein, der Müll liegt überall herum, die Pfannen liegen unachtsam aufgetürmt in einer Ecke. Eine halbe Stunde später sieht die Lage schon besser aus. Ich schwinge noch den Besen, fege auch gleich mal den Flur mit, der sicher auch schon lange keinen Besen mehr gesehen hat und dann packe ich meinen Krempel. Dass er mich letztens ermahnt hat, dass seine Wohnung kein Hotel für mich ist, ist ja wohl der absolute Witz. Bevor ich die Tür endgültig hinter mir zuziehe, schreibe ich ...

Über Bindungsverhalten

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Die Woche war hart. Sehr hart. Immer noch Unterbesetzung auf der Station, zwei Dienste und damit auch zwei Nächte, in denen ich glücklicherweise sogar je eine Stunde schlafen konnte. Ich habe mich sogar für die Sonntagnacht angeboten, die noch zu verteilen war, aber offensichtlich brauchte man mich nicht. Wäre sonst auch meine Dritte in Folge gewesen, vielleicht wollte der Oberarzt andere Lösungen. Tagesüber arbeiten, abends versuchen den Kardiochirurgen ins Gespräch zu bringen, nachts reflektieren. Wenn wir es nicht ausdiskutieren, dann werden wir wahrscheinlich irgendwann einfach wieder aufhören darüber zu reden, bis es das nächste Mal eskaliert. Und da wir heraus gearbeitet haben, dass ich das absolut nicht abkann, wenn Dinge passieren, von denen ich nichts weiß – wie zu Beispiel ein Dienst, der zwar im Dienstplan stand, aber von dem ich nichts wusste, weil er seine Dienstopläne nicht teilt oder selbst nicht rein schaut – wird das wohl nicht lange dauern. Einen Dienstplan für Februa...

Von einer Begegnung nachts um drei

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Er schaut starr auf die Kaffeemaschine auf der Theke neben uns. Seine Kiefermuskeln sind angespannt. Trotz des Pullovers und der Jacke, die er übereinander trägt, friert er. Mir fällt auf, wie viel Müdigkeit und Erschöpfung in seinen Augen und in seinen Gesichtszügen liegt. Wie weit weg das ist von dem Mann, den ich irgendwann mal kennen gelernt habe. Am liebsten würde ich aufstehen und ihn umarmen. Aber deswegen sind wir nicht dort.   Ich sitze ihm gegenüber. Auch in meine Fleece – Jacke eingewickelt. Die Arme verschränkt. Ich brauche Erklärungen, aber ich weiß, dass ich die nicht bekomme.   Telefon. „Mondkind, was ist denn mit dem Patienten hier in der ZNA?“ „Ich komme gleich. Du kannst sie in der Zwischenzeit zum Röntgen bringen, okay?“   „Ich habe auch viel über Trennung nachgedacht in den letzten Tagen“, sagt er. Schon komisch, dieses alte Muster. Immer wenn ich gerade mal das Gefühl habe, es läuft gerade irgendwie besser kracht es wenige Tage später so sehr, dass wi...

55 Monate

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Mein lieber Freund, wie geht es Dir?   Gestern habe ich die Nase ein bisschen in den Frühling gesteckt. Zwar war es ziemlich kalt, aber die Sonne hat geschienen und viele Menschen waren unterwegs. Irgendwie hat es dem Gemüt ziemlich gut getan, obwohl ansonsten alles ziemlich schwierig und anstrengend ist.   Deine Lieblingsärztin versucht, für den Facharzt zugelassen zu werden. Aber das ist gar nicht so einfach. Das erste Zeugnis, das ich bekommen habe, kannst Du „zerreißen“, um es mit den Worten einer meiner Oberärzte zu wiederholen. Ich weiß nicht, wie lange dieser Weg zu einem richtigen Zeugnis noch wird, wie lange es noch dauert bis zur Prüfung und wie viele Ressourcen das noch fressen wird. Aber langsam formieren wir eine kleine „Facharzttruppe“ und das ist etwas Schönes. Ich habe sogar wieder ein bisschen Motivation zum Lernen gefunden, wenn ich nicht gerade dauermüde bin und lese sogar Fachzeitschriften, was ich nie getan habe.   Weiß Du, was ich Dir mal erzählen wo...

Von Zeugnis und Beziehung

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Die gute Nachricht ist: Ich habe ein Zeugnis. Die schlechte Nachricht ist: Darauf haben weniger als die Hälfte derer unterschrieben, die unterschreiben müssen. Donnerstagmittag habe ich tatsächlich diesen sehnsüchtig erwarteten Zettel in meinem Fach gefunden und natürlich wanderte mein Blick sofort auf die letzte Seite dieses Zeugnisses. Unterschrieben haben der Chef, der ehemalige Chef (die haben das Zeugnis also tatsächlich durch die Gegend geschickt…) und der Intensiv – Oberarzt. Abgesehen davon, dass es schon mit einem Fehler im Geburtsdatum los geht, fehlen aber die Unterschriften eines zweiten ehemaligen Chefs, der mittlerweile im Vorstand ist (oder auch schon nicht mehr, ich weiß es nicht) und vor allen Dingen die Unterschriften der beiden Reha – Chefs und damit der beiden Leute, um die es hier die ganze Zeit geht. Ich habe Donnerstag und Freitag mehrere Male mit der Ärztekammer telefoniert, weil der aktuelle Chef ja immer postuliert, dass er auch alleine unterschreiben kann. Ka...