Zwischen Lernen, Konzerten und Interviews
So – kaum ist mein Pfingstwochenende (es ist doch Pfingsten, oder?) fast vorbei – morgen habe ich Dienst – komme ich auch mal dazu einen Blogeintrag zu schreiben. Ob ich das schon seit letzter Woche machen wollte?
Mit dem Konzert, das ist leider nichts geworden.
Was soll ich sagen – ein bisschen veräppelt habe ich mich ja schon gefühlt, die Prüfungszulassung am selben Tag wie die Konzertkarten im Briefkasten zu finden. Da hat die Panikschleife natürlich richtig aufgedreht und ich habe die auch leider nicht in den Griff bekommen. Letzte Woche habe ich wirklich noch versucht, irgendwo ein offenes Ohr zu finden, weil ich weiß, dass ich im Prinzip nur jemanden brauche, der mich mal von außen anstupst, um mich da raus zu holen, aber es war nichts zu machen. Der Intensiv – Oberarzt hatte keine Zeit, die Psychosomatik – Oberärztin auch nicht und die Therapeutin in der Studienstadt ist im Urlaub.
Und irgendwie finde ich das tatsächlich nicht gut, dass ich mit diesem Thema noch nicht weiter gekommen bin und da auf externe Hilfe manchmal tatsächlich angewiesen bin. Fühlt sich nicht gut an.
Ehrlich gesagt schäme ich mich schon manchmal dafür, an der Stelle so ein „Theater“ zu machen. Ich dachte eigentlich, nach dem Tod des Freundes hätte ich viel für ich relativiert – inklusive meiner alten Glaubenssätze – aber wenn dann Mondkind – Katastrophenhirn am Werk ist, dann klappt das leider doch nicht wie gewünscht.
Retrospektiv habe ich mich ja schon gefragt, warum diese Examenszeiten so eskaliert sind. Gefühlt saß ich ja nur bei Therapeuten und Psychiatern herum in dieser Zeit. Und das ist auch der Punkt mit dem Konzert. Ich bin diejenige, die den verstorbenen Freund und mich um diese Erinnerung gebracht hat, die ich heute hätte haben können. Das Konzert in der Geburtsstadt war nach dem Examen. Aber ich konnte danach wochenlang nicht aufstehen, kam gar nicht aus dem Tee, konnte mich auch zu schönen Aktivitäten nicht motivieren. Nachdem ich einfach monatelang absolut jenseits meiner Kapazitätsgrenzen gelebt habe, haben Körper und Psyche bis zum Ende des Sommers strikte Ruhe eingefordert. Und selbst der Jobstart war damals sehr schwer, weil ich eigentlich immer noch keine Kapazitäten hatte.
Das Gute ist, dass Revolverheld bis Ende des Jahres tourt und das letzte Konzert ist meines Wissens nach am 21.12 in NRW. Wenn alle Stricke reißen (Achtung Ohrwurm ;) ), wäre das noch eine Option, dann müsste man in der Nacht zurück und würde natürlich Montag nicht so super fit auf der Matte stehen, aber dafür hätte ich das noch geschafft. Es geht da in dem Fall auch weniger um die Musik (obwohl die immer noch ganz gut ist, war ja mal eine meiner Lieblingsbands), sondern eben mehr um das Emotionale. Musik war – meins sowieso – aber auch das halbe Leben vom verstorbenen Freund und da hängen so viele Erinnerungen dran… ich kann mir ja nicht helfen, aber wenn mich jemand fragen würde, was die größte Katastrophe in meinem Leben war, dann würde ich sagen, sein Tod. Wir waren wie Seelenverwandte und ich möchte mal bezweifeln, dass ich das nochmal erlebe.
Ansonsten steht am Wochenende der nächste Versuch an, aufs Florian – Künstler – Konzert zu gehen. Das habe ich mir auch schon ausgerechnet, dass das passt. Da fährt man zwei Stunden hin und wenn ich Samstag früh aufstehe, Freitag schon den Haushalt mache und Sonntag etwas später aufstehe, dafür aber konsequent durcharbeite, passt das schon.
Der Kardiochiurg spielt da wieder mal eine etwas ominöse Rolle. Ich hab ja schon verstanden, dass das nicht so sein Ding ist, aber dass er dann – natürlich nachdem die Dienstpläne längst fertig waren – behauptet hat, dass er ja versucht hat den Dienst zu tauschen, aber das nicht hingekriegt hat – na ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ehrlich nicht. Aber meine Kapazitäten mich darüber aufzuregen sind – vielleicht zum Glück für uns beide – gerade gering.
Ansonsten gibt es ein Interview von Florian Künstler, das man als Podcast bei „unter uns gesagt“ hören kann. Ich habe das auch noch nicht fertig gehört, das geht nur in Etappen, weil das so krass viel berührt.
Darin spricht er ganz viel über seine Kindheit als Pflegekind, über die Zeit auf der Straße, zig abgebrochene Ausbildungen (und die Zeit im Rettungsdienst ;) ), bis er dann hauptberuflich zur Musik kam. Und ich glaube immer mehr, solche Songs können halt wirklich nur Menschen schreiben, die die Abgründe gesehen haben. Die Fühlen auf eine ganz andere Art gelernt haben, die nie aufhören, für die kleinen Dinge dankbar zu sein.
Natürlich war das bei mir nicht ansatzweise so schlimm, aber die Kindertage waren jetzt auch nicht rosig und ich kann mich gut an meine Zeiten erinnern, in denen ich nie wusste, wo ich morgen schlafe, an Nächte auf dem Feldbett der Anatomie, an den sehr geschätzten Herrn Psychiater, der dann mal zu mir meinte, dass man mich auch aus „sozialen Gründen“ in die Psychiatrie aufnehmen könnte – das war, bevor ich das erste Mal da war – und an mich, die super viel Angst davor hatte und das nicht wollte. (Ich hatte wirklich Angst, ich komme da nie wieder raus und das war auch nicht sooo falsch; als ich das erste Mal da war, ist alles zusammen gekracht und ich war ein halbes Jahr da…). Ich kann mich an super viel Wut auf meine Familie erinnern, an dieses nicht gesehen werden, an diese Lügen über unsere Herkunft und über unsere Geschwister, mit denen wir aufgewachsen sind und ich bin mir sehr sicher, dass meine Schwester und ich bis heute nicht alles wissen.
Und das war aber immer etwas, über das ich nie so richtig gesprochen habe. Über diese Familiensache sowieso wenig, aber auch, was so eine Zeit mit einem macht. Und er hat dann auch an irgendeiner Stelle gesagt: „Naja, ich hätte vielleicht nicht auf der Straße leben müssen, meine Pflegeeltern hätten mich vielleicht doch zurück genommen, aber ich wollte das in dem Moment auch nicht, weil ich wütend war.“ Das war ja bei mir irgendwie ähnlich: Wenn ich da auf der Türschwelle gestanden hätte, vielleicht hätte meine Mum mich rein gelassen, auch wenn das Verhältnis zwischen uns nicht einfach war, aber dann wäre ich ja zurück gegangen in die Verhältnisse, aus denen ich so dringend raus musste. Allerdings habe ich auch nicht auf der Straße gelebt, sondern eben in der Anatomie. So mehr oder weniger.
Und am Ende ist es aber so – und das ist das Wichtige daran – dass er zeigt: Man kann es trotzdem schaffen. Vielleicht mit hunderttausend Umwegen, ein bisschen Glück, viel Durchhaltevermögen, vielleicht werden Herz und Seele immer ein paar Narben tragen von diesen ganzen Bindungsverletzungen, aber es ist möglich sich ein Leben zu den eigenen Bedingungen aufzubauen. Und die Vergangenheit irgendwann zu bearbeiten und zu integrieren.
Und verdammt viel Glück braucht man wahrscheinlich wirklich. Ich habe das auf meinen whatsApp – Status gepostet und dann hat sich gleich meine „Ziehmami“ von damals gemeldet.
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Na des wird doch was auf dem Balkon :) |
Ansonsten war ich mal wieder bei meinem Oberarzt heute. Durchhalten ist der Tenor und hätte er das noch ein Mal gesagt, hätte ich ihn schlagen können, glaube ich. Aber er meinte, dass es ihm auch schlecht vor der Prüfung ging und die Tage tendenziell alle in irgendeinem grau versunken sind. Ich habe ihn schon mal vorgewarnt, dass es ab dem Zeitpunkt, ab dem ich den Termin weiß, sicher nicht mehr witzig ist und ich super dankbar wäre, wenn er dann ein bisschen bleiben würde. Mal sehen.
Ansonsten haben wir noch kurz über Zukunft geredet. Da kommt wieder Florian Künstler ins Spiel. (Tut mir ja schon bald leid, das zu sagen, aber ich glaube man versteht allmählich, warum seine Musik hier immer, immer, immer läuft). Es gibt einen noch unveröffentlichten Song von ihm, der heißt „Wenn ich einmal Kinder habe.“ Da beschäftigt uns das Thema wohl beide… Und irgendwie… wird das glaube ich sehr schwer. Mir war immer klar, dass es keine Kinder vor dem Facharzt geben wird. Vielleicht ist das auch etwas streng, aber ich möchte einfach Zeit für meine Familie haben und die habe ich nicht mit einem Facharzt im Rücken. In meiner Rechnung bin ich beim Facharzt 31 Jahre gewesen, jetzt bin ich eben hoffentlich 32 Jahre. In letzter Zeit ist das Thema ohnehin schon präsent, aber nach dem Facharzt wird das richtig Fahrt aufnehmen, das spüre ich ja schon. Das Problem an der Geschichte ist: die Situation ist eben absolut überhaupt nicht so, dass es zeitnah möglich sein könnte, Kinder zu haben. Die Frage ist, ob das in dieser Beziehung überhaupt möglich ist, wenn wir weiterhin nicht zusammen leben und in letzter Zeit eigentlich sukzessive immer weniger teilen. Das ist für den Moment okay, weil ich sowieso keine Zeit habe, aber außer einen Thermenbesuch dieses Jahr und ein Konzert, zu dem der Kardiochirurg so ganz knapp kam, ist noch nichts an gemeinsamen Unternehmen passiert – und das Jahr ist bald halb vorbei. Also weniger ist praktisch nicht möglich, würde ich sagen. Ich habe mich ja schon letztes Jahr beschwert, aber da ging zumindest noch ein bisschen mehr. Jetzt liegt das ja schon auch an mir und meinem Facharzt, aber auch nicht alles und gerade so diese kleinen Momente, die wären ja trotzdem möglich.
Dieser Facharzt wird ein Umbruch werden müssen, wenn ich nochmal glücklich werden möchte. Beruflich. Und privat. Wir werden uns mit der Frage auseinander setzen müssen, ob eine Beziehung die auch ein bisschen auf meine Bedürfnisse eingeht möglich sein kann, oder nicht. Und wenn nicht, dann habe ich keine Zeit mehr, mir das noch hundert Jahre anzugucken. „Bis 35 haben Sie Zeit mit Kindern“, sagte der Intensiv – Oberarzt dazu.
„Ich glaube, dieses Ziel eine Familie zu gründen – nachdem ich alles erreicht habe, was die anderen von mir wollten – nicht zu erreichen – könnte sich zur größten Katastrophe für mich entwickeln. Also dann, wenn es gar nicht klappen würde. Wenn ich keine Beziehung finden könnte, in der ich es mir vorstellen könnte, dort Kinder groß ziehen zu können. Weil dann hätte ich einen großen, persönlichen Lebenstraum eben verpasst.“
So – ich habe noch ein bisschen zu tun, Zielzeit ist hier mal Mitternacht und dann hoffe ich, dass der Dienst morgen nicht zu wild wird…
Aber es ist viel los im Hintergrund und dafür gibt es leider gerade zu wenig Zeit.
Mondkind
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