Urlaubsverlauf

Ich streife durch den Supermarkt. Für jeden Dienst gibt es einen kleinen, besonderen Snack bei mir und für den nächste Woche hatte ich mir Blaubeeren überlegt. Im Regal sehe ich dann aber Kiwi-Beeren. Die habe ich schon lange nicht mehr entdeckt. Sie erinnern mich an unser Kiwi – Beeren – Date. Da hatte ich Dienst in der Notaufahme und habe dem Kardiochirurgen erklärt, dass ich als besonderen Snack Kiwi – Beeren dabei habe. Die wollte er dann auch gern probieren und deshalb haben wir uns kurz vor Mitternacht im Aufenthaltsraum neben der Notaufnahme getroffen und haben Kiwi – Beeren gefuttert. Ich mag diese Erinnerung und lege wohl deshalb Kiwi – Beeren statt der geplanten Blaubeeren in meinen Einkaufswagen.
„Vergiss die guten Tage nicht“, singt Florian Künstler. Das war einer der guten Tage. Vor langer Zeit.

***
Urlaub.
Es ist schwer, irgendetwas darüber zu sagen.
Die Fotos haben eine beeindruckende Landschaft eingefangen, dokumentieren etwas wie Unbeschwertheit, aber ich bringe es hauptsächlich mit Leere und vielen Fragezeichen in Verbindung.
Nachdem der Kardiochirurg die erste Woche unseres gemeinsamen zweiwöchigen Urlaubs ja komplett abwesend war – entweder Fallschirmspringen oder auf einer Fortbildung, die irgendwie aus dem Nirwana zu kommen schien, oder sich mit administrativen Kram, der angeblich nicht verschiebbar war beschäftigt hat, haben wir dann doch noch kurzfristig Urlaub geplant. Wir sind sogar weg geflogen. In 15 Jahren, die ich nicht mehr geflogen bin, hat sich da schon Einiges geändert – sowohl was das Fliegen, als auch die Organisation vor Ort angeht (das läuft jetzt alles über Apps, man verbringt keine Zeit mehr mit irgendeiner Reiseleitung…), sodass ich mir da streckenweise wie der Depp vom Dienst vorkam. Der Kardiochiurg fand das bisweilen auch nicht so lustig – ich sollte zum Beispiel Ausflüge raus suchen und habe auch wirklich die Suchamschine bemüht um zu recherchieren, was man machen kann, aber das war nicht das, was er gemeint hatte…
Allerdings hat er sich auch hier überlegt, dass er sich natürlich besonderen Herausforderungen stellen muss und erstmal einen Tauchschein machen muss. Da ich ja nun genug Stress mit Facharzt und Co im Rücken habe, war mir jetzt wirklich nicht nach Theorie- und Praxisunterricht und Prüfungen in meinem Urlaub, sodass ich darauf verzichtet habe. Das hatte aber zur Folge, dass wir drei Tage der sechs die es waren, nicht miteinander verbracht haben. Er ist schon vor dem Frühstück los und irgendwann nach Ende des Lehrgangs – wobei das Ende immer zu unterschiedlichen Zeiten war – zurückgekommen. Im Prinzip war das also wie der Alltag, nur verlagert ins Ausland. Ich habe mich beschäftigt – war im SPA, am Meer oder auf der Strandpromenade, das Handy immer dabei und habe gewartet bis er fertig wird und wir den weiteren Tag zusammen gestalten können. Ich habe die Zeit alleine schon auch genutzt und genossen soweit es ging, aber das war nun mal nicht das, was von meiner Seite aus mit gemeinsamen Urlaub geplant war. Von dem restlichen Tag war dann aber meist auch nicht mehr viel übrig und er war immer so müde, dass er nach dem Abendessen direkt neben mir eingeschlafen ist und selbst das Projekt ihn abends noch ins Bad zum Zähne putzen zu bugsieren, nicht immer erfolgreich war. (Einmal ist er aufgestanden, im Kreis gelaufen, hat gesagt, dass er jetzt wirklich geht, sich dann wieder hingelegt und weiter gepennt. Dann habe ich es aufgegeben…).

Es gab gute Momente. Es gab aber auch viel Ärger, Wut, Genervtsein, was ich im Urlaub aber alles nicht so raus lassen wollte, weil er  damit auch nicht gut umgehen kann, wenn man dann etwas sagt.
Und so alles in allem ist daraus eine sehr große Leere geworden. Die Tage sind fast emotionslos an mir vorüber gezogen. Ich glaube, hätte ich die Emotionen zugelassen, hätte ich zu oft explodieren müssen.
Und deshalb kommt es mir irgendwie nicht so vor, als wären wir wirklich dort gewesen, wenn ich die Bilder anschaue. Dann ist es eher so, als würde man sich Bilder von einem Urlaub anschauen, den man vor vielen Jahren mal gemacht hat und an den ich kaum Erinnerungen habe.

Ich habe den Eindruck, uns ist die Verbindung kokmplett verloren gegangen. Wir reden wenig miteinander. Wir teilen unser Erleben nicht, weil wir wissen, der andere kann es gerade nicht verstehen. Wir spüren uns nicht mehr. Wie oft ist das passiert, dass ich morgens aufgewacht bin, mich an ihn dran geschmniegt habe und statt mich auch in den Arm zu nehmen, ist er einfach auf seiner Seite liegen geblieben und hat einfach weiter in sein Handy geschaut. Nach einer halben Stunde bin ich meistens aufgestanden, weil das ja so irgendwie keinen Sinn macht.
Er braucht das nicht; sieht aber nicht, dass ich das brauche. 



***

Wir haben heute nochmal geredet und manchmal denke ich, es ist schon erstaunlich, wie er die Dinge im Nachhinein verdrehen kann. Ich kann mich doch gut daran erinnern, dass ich ihm gesagt habe, dass ich das nicht in Ordnung finde, dass er in unseren gemeinsamen Urlaub ohne Absprache erstmal eine Fortbildung hinein plant. Er meinte heute, dass er die ja hätte verschieben können, hätte ich etwas gesagt. „Aber Du wolltest ja auch zu Deiner Oma fahren“, hat er hinzugefügt. „Ja, das ist richtig, das stand noch auf meinem Zettel für dieses Jahr, allerdings war das eher ein Notfallplan, weil dann ja klar war, dass Du nicht da sein würdest. Meine Oma hat aber extra ihren Urlaub verschoben, weil ich es so kurzfristig angemeldet habe. Ich war zwei Tage da, das hätte man auch an einem normalen Wochenende machen können. Wie Du Dich vielleicht erinnerst, ist die Idee diese Zeit dann eben so zu nutzen erst entstanden, nachdem Du mit der Information über die Fortbildung um die Ecke kamst.“
Und zum Wochenende davor hat er auch eine interessante Meinung. „Es ist ja wohl klar, dass wir den Start in den Urlaub dann auch gemeinsam verleben wollen; außerdem hatten wir seitdem wir im Norden waren, kein einziges gemeinsames Wochenende mehr. Natürlich fand ich das nicht cool, dass Du die ersten zwei Tage unseres gemeinsamen Urlaubs mit Fallschirmspringen von vor dem Frühstück bis 22:30 Uhr geplant hattest. Hättest Du das eher gesagt, wäre ich länger zu meiner Oma gefahren, aber irgendwie läuft es dann immer darauf hinaus, dass eben kurzfristig kommt, dass wir eben doch keine Zeit miteinander verbringen können.“ „Das habe ich zwei bis drei Tage vorher entschieden“, hat er gesagt. „Naja, auch da wäre noch Zeit gewesen das zu kommunzieren“, habe ich entgegnet. „Außerdem ist das eben vom Wetter abhängig“, hat er hinzu gefügt. „Ja aber es muss auch mal Zeiten geben, in denen es einfach kein Fallschirmspringen gibt oder eben nur, nachdem es abgesprochen ist. Du hast den ganzen Sommer jedes schöne Wochenende auf dem Flugplatz verbracht. Was glaubst Du, wie ich das finde?“, habe ich gefragt. „Und davon ab: Also ich hatte mich sehr auf dieses erste gemeinsame Wochenende gefreut. Ich weiß nicht, wie es Dir ging. Aber, da andere Dinge ja scheinbar wichtiger waren und zu mehr Freude geführt haben, ist halt schon auch immer die Frage, wie wichtig Dir die Beziehung ist. Wenn ich doch weiß, dass ich schon die ersten beiden Werktage des Urlaubs auf Fortbildung bin und das den ganzen Ablauf doch irgendwie stört, dann verbringe ich doch zumindest das Wochenende mit meiner Freundin. Also irgendwo muss man halt auch mal Prioritäten setzen. Entweder man sagt dem Chef, dass man Urlaub hat und eben gerade nicht kann (im Urlaub bin ja nicht mal ich auf Fortbildung gegangen) oder man macht es eben, räumt aber dafür zumindest das Wochenende frei.“ Dazu hat er dann nichts mehr gesagt. Und wo war er natürlich am Samstag, nachdem wir Freitagnacht zurück gekommen sind? Auf dem Flugplatz. Hundert Gummipunkte für alle Leser…

Naja, der Urlaub ist vorbei – ich glaube, es war das erste Mal, dass es im Urlaub überhaupt nicht funktioniert hat, sonst ging das immer und war die Entschädigung für einen sonst nicht gelebten Alltag. Es ist sogar im Gegenteil die nächste Beziehungskrise, wir haben – zumindest sehe ich das so – gar keine Verbindung mehr zueinander. Ich fühle ihn nicht mehr, selbst wenn wir uns mal im Arm haben (was ja selten passiert). Am Ende konnten wir uns nicht mal zu einem Abschiedskuss herablassen.
Ab Morgen steht wieder arbeiten auf dem Programm und abends Neuro lernen. Die Motivation ist leider nicht zurück gekommen über den Urlaub hinweg…

Mondkind

Kommentare

  1. Meine liebe Mondkind, Ich nehme aus der Ferne (sogar aus einem anderen Land, der Schweiz) SEHR, SEHR Anteil an deinem Erlebten! Ich drücke dich GANZ, GANZ liebevoll & sachte! Herzlich, Nicole

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