Zwischenbilanz

Montag.
Es ist später Vormittag, als ich von der Autobahn abfahre und die letzten Straßen bis zu meiner Oma in der Geburtsstadt passiere.
So richtig daran gewöhnt, dass sie umgezogen ist, habe ich mich indes noch nicht. Für mich ist diese alte Wohnung, in der sie schon gewohnt hat lange bevor meine Schwester und ich auf die Welt kamen, einfach untrennbar mit ihr verknüpft. Ich frühstücke gerade noch kurz, ehe auch ihr Lebensgefährte kommt und erstmal Kartoffelsalat für unser Mittag- und Abendessen vorbei bringt.
Ich habe sie ja im Mai zuletzt gesehen und mir echt Sorgen gemacht, weil es ihr nicht so gut ging, aber scheinbar hat sie sich etwas erholt. Körperlich macht sie wieder einen fitteren Eindruck, was mich sehr gefreut hat.
Im Prinzip haben wir einfach zwei Tage durchgequatscht. Mir ist mal so aufgefallen – wahrscheinlich hat uns das Beiden gefehlt. Seitdem meine Oma kein Auto mehr fährt und immer darauf angewiesen ist, dass ihr Lebensgefährte sie herum kutschiert, kommt sie nicht mehr so viel raus und im neuen Haus hat sie noch nicht so viele Kontakte knüpfen können. Und ich habe ja auch aktuell selten mal jemanden zum reden. Oma war immer noch diejenige in der Familie, die noch am „Normalsten“ war, obwohl sie nach dem Tod des Freundes ja auch sehr skurrile Dinge abgezogen hat. Aber vielleicht ist es auch mal irgendwann Zeit, die Dinge zu den Akten zu legen. In dieser Zeit war jeder irgendwie schräg drauf, vielleicht soll man das auch mal den Menschen verzeihen, die sonst recht okay mir gegenüber waren.
Wir haben also wahlweise am Tisch gesessen mit Kaffee und Kuchen, waren spazieren und danach noch im Restaurant oder sind um den Block gelaufen und haben dabei eigentlich überhaupt nicht aufgehört zu reden und wir hätten das sicher auch noch zwei Tage so weiter machen können, ist die grobe Zusammenfassung.
Ich habe mir auch vorgenommen, wieder regelmäßigeren Kontakt zu meiner Oma haben  zu wollen und sie zu besuchen ist nun wirklich keine Weltreise. Klar, von der Neuro aus, wo ich fast jedes Wochenende arbeiten muss schon, aber da will ich ja auch nicht ewig bleiben. Und bis zum Facharzt wird das auch eher schwierig, da werden freie Wochenenden ja sehr gebraucht. Aber danach… - passt so etwas eigentlich sehr gut in ein Wochenende. Samstag früh los, vier Stunden später da und Sonntag am späten Nachmittag zurück.


Hallo Geburtsstadt...

Ansonsten bin ich mit dem Urlaub aktuell noch recht unzufrieden.
Mit dem Kardiochirurgen musste ich mal wieder ein Hühnchen rupfen. Das kommt selten vor seit der passageren Trennung im Juni, weil ich weiß, dass er das auf lange Sicht nicht abkann, aber immerhin haben wir uns zwischen Freitag und Mittwoch quasi nicht gesehen – das ist beinahe schlimmer, als wenn wir beide arbeiten müssten. Montag und Dienstag war er auf Fortbildung in einem Ort, der mit dem Auto gut vier Stunden von hier weg ist. Seine neueste Idee: Vielleicht möchte er ja dort mal eine Zeitlang arbeiten. Bei ihm kann ich mir auch schon vorstellen, dass er Nägel mit Köpfen macht, ohne mich zu involvieren und dann ist er halt einfach mal weg. Aber mehr als das hat mich eben gestört, dass er da einfach mal ungefragt eine Fortbildung hingelegt hat, dass wir nicht – wie es geplant war – mal zwei Wochen zusammen in den Urlaub fahren können, zumal das sicherlich der letzte Urlaub im Sinn eines Freizeit – Urlaubs vor dem Facharzt wird. Tagesweise kann man das vielleicht schon nochmal machen – ich merke auch, dass es mir aktuell sehr schwer fällt, mich in jeder freien Minuten mit der Neuro zu beschäftigen und ich dringend eine Pause brauche – aber grundsätzlich werden Urlaube bis ich den Facharzt in der Tasche habe ab jetzt wohl eher für die Lernerei verwendet werden müssen. Von alleine macht sich das eben leider nicht.
Montagabend war er nicht mal in der Lage sich aus dem Hotel am Abend zu melden, weil wir ja eigentlich den restlichen Urlaub noch planen wollten. So nach dem Motto: Wenn ich physisch nicht da bin und auf mein Handy eben auch nicht reagiere, kann sie leider nichts machen.

Ansonsten bemerke ich gerade auch ziemlich viel Gleichgültigkeit. Ich könnte nicht behaupten, dass Momente die gut sind, auch gerade so bei mir ankommen. Im Gesamten ist das vielleicht einfach dieses Gefühl des Ausgeliefertseins. Ich kann ja gerade einfach nichts machen, außer zu vertrauen, dass schon alles gut wird. Das meint nicht nur die Beziehung, sondern auch den Job. Ich muss jetzt erstmal zurück in die Neuro, ich muss darauf vertrauen, dass ich die Unterschriften bekomme – auch, wenn eine Kollegin mich am Freitag erneut darauf hingewiesen hat, dass das schwierig werden wird. Wahrscheinlich wird es nicht so schnell gehen wie erhofft, selbst wenn ich alles dann doch zusammen bekomme, aber die Termine mit dem Chef bringen mich so wenig voran, dass ich immer wieder dort aufkreuzen muss und das kann ich nicht im Wochenrhythmus tun. Ich habe so die Befürchtung, ich bastle in einem Jahr noch an diesem Facharzt und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich das bis dahin noch mit diesem Druck im Rücken aushalten soll.
Die Beziehung ist natürlich auch ein Drama und gerade weil ich immer wieder enttäuscht werde, beschließt vielleicht irgendetwas in mir, nicht mehr viel fühlen zu wollen, damit am Ende nicht so viel fehlt. Da ist kaum noch etwas, wenn wir uns in den Armen liegen und all die Sachen, die mich früher mal gestört haben und die immer noch so laufen wie damals – trotz dessen, dass ich es angesprochen habe – sind eben, wie sie sind. Ich finde schon, man könnte ein gemeinsames Einschlafen im Bett auch anders gestalten, als dass sich jeder auf seine Seite rolle und das Aufwachen auch anders, als dass der Herr erstmal eine halbe Stunde ins Handy schaut und dann hochhüpft. Vielleicht bin ich auch zu verwöhnt vom ehemaligen Freund, mit dem ich morgens immer noch eine Stunde zusammen im Bett gelegen haben und wir einfach nur unsere Körper gespürt haben…

Naja, wir werden sehen, was dieser Urlaub noch so bringt. Ich habe in jedem Fall beschlossen, ich mache eine Woche Neuro – Pause. Vielleicht geht es danach irgendwie besser weiter. Hoffe ich.

Mondkind

PS: Vielleicht wird es eine kleine Schreibpause geben. Ich merke, dass es mir gerade wirklich schwer fällt und ich unglaublich viele Emotionen und Gedanken im Kopf habe, aber die nicht wirklich greifbar sind. Wir werden es sehen. Nur, dass sich niemand wundert, falls es ruhiger wird. 

PPS: Eigentlich hatte ich etwas zum Welttag der Suizidprävention schreiben wollen, aber... - siehe oben. Das macht keinen Sinn, wenn am Ende irgendwie keine Aussage drin steckt

PPPS: Mein Herz weint übrigens über die eingestürzte Brücke. Eben noch dort gewesen und am nächsten Tag ist schon alles anders und das wahrscheinlich über eine sehr lange Zeit. Das trifft irgendwie anders, wenn die eigenen Wurzeln untrennbar mit dieser Stadt verbunden sind...

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