Ein bisschen Nostalgie, Familienanalyse und Urlaubsgedanken

Samstagmorgen.
Nach einem Dienst.
Und einigermaßen fit.
Das war der erste Dienst seitdem ich wieder in der Neuro bin, in dem ich nachts ein paar Stunden geschlafen habe.
Was für ein gutes Gefühl, wenn ein Samstag nach dem Dienst nicht vollständig hinüber ist, sondern ich noch ein paar Dinge erledigen kann…
 
Ich habe gestern nochmal der ehemaligen Therapeutin geschrieben. Mich für das letzte Gespräch bedankt und nochmal angemerkt, dass es mir einiges genützt hat und es mir seitdem tatsächlich etwas besser geht. Ich glaube, sie hatte sich wirklich Sorgen gemacht und dann soll ich mich vielleicht nicht erst in der nächsten Krise melden.
 
Und gleichzeitig recherchiere ich bei solchen Gelegenheiten manchmal, was denn in der Psychiatrie so los ist. Welcher Assistent ist mal wieder Oberarzt geworden, wo hat es Personalverschiebungen gegeben?
Und irgendwie erzeugt die Beschäftigung mit diesem Psychiatriegelände immer noch ein Gefühl von Sicherheit. Manchmal kommt mir das so tragisch vor, dass so ein Ort über Jahre gefühlt der einzige Platz war, an dem ich als Mensch atmen konnte, gesehen wurde in dem was mich bewegt, in meinen Bedürfnissen, an dem Menschen mit mir diskutiert haben, wie ich als Mondkind am Besten in meinem Leben vorwärts komme und es ein bisschen dahin drehen kann, dass es sich nach meinem Leben anfühlt.
Die erste Zeit, ich der die Studienstadt besucht habe und schon hier gelebt habe, hat ein Spaziergang über das Psychiatriegelände immer dazu gehört. Weil es irgendwie nochmal dieses alte Gefühl von Sicherheit, von Zugehörigkeit vermittelt hat. An die Sommer erinnert hat, die ich hier verbracht habe und für die es tragischerweise keinen besseren Ort gegeben hat.
Dieser Ort wird sicher immer ein bisschen ambivalent bleiben. Denn natürlich habe ich hier nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Es gab auch Zeiten, in denen ich die Macht zu spüren bekommen habe, die dieses System auch hat. Und hier war der Ort, an dem ich wenige Tage nach dem Tod des Freundes erstmal nicht mehr alleine war. Es waren die schlimmsten Tage meines Lebens realisieren zu müssen, dass ab dem Moment alles anders wird und gleichzeitig war es gut zu spüren, dass es da vielleicht doch zumindest einen Platz gibt, an dem ich bleiben kann.
„Ich frage mich manchmal, wer für Sie da war in der Situation“, sagte mal die Psychosomatik – Oberärztin. Auch wenn das in der Psychiatrie irgendwie weniger verstanden wurde als ich gehofft habe, habe ich hier zumindest erstmal bleiben können. Es haben Menschen mitgetragen, die ich vom Prinzip her nicht kannte, die einen kurzen Moment da waren, die vielleicht meine Welt in dem Augenblick kurz gehalten haben.
 
***
Der Kardiochirurg hat mal wieder Rufdienst.
Also keine Ahnung, ob wir uns heute sehen, oder nicht.
Ich habe in einer stillen Minute noch mal über unsere Planungen der nächsten Zeit nachgedacht. Nachdem mich jetzt mein Oberarzt mehr oder weniger genötigt hat, meine AZV – Tage wirklich in diesem Quartal noch zu nehmen, habe ich übernächste Woche zwei Tage frei. Ein bisschen traurig bin ich, weil ich die gern mit in den Frühling genommen hätte und dann wirklich mal ein paar Tage hätte in die Studienstadt fahren wollen. Allerdings gibt es im nächsten Quartal ja wieder zwei dieser AZV – Tage, die bis Ende Juni auch definitiv aufgebraucht werden müssen – ich kann es also immer noch machen und mit einem verlängerten Wochenende wäre auch noch ein kleiner Trip machbar. Von daher habe ich mich einigermaßen mit dieser Maßgabe versöhnt. Und immerhin hat der Kardiochirurg ja auch übernächste Woche frei.
 
Wenn man es allerdings genau betrachtet ist diese Urlaubswoche wieder von zwei Wochenenden flankiert, in denen wir uns nicht viel sehen werden. Wir wollen diese beiden Urlaubstage nutzen, um nochmal kurzzeitig weg zu fahren (auch ein Resultat der Lernpause, dass ich mir wieder Auszeiten gönnen darf, wenn hier gerade ohnehin nichts vorwärts geht…); aktuell stehen Therme in der engeren Auswahl und ich hoffe ehrlich gesagt sehr, dass das unserer Beziehung mal ein wenig auf die Sprünge hilft. Sowohl was die Tatsache angeht mal ein bisschen Zeit zu Zweit zu haben, als auch mal wieder ein bisschen körperliche Nähe zwischen uns zu spüren.
Und dennoch werde ich nicht in jedem Urlaub des Kardiochirurgen zwei Urlaubstage aus dem Hut ziehen können. Es ist für mich wirklich schwer nachvollziehbar, wieso er Unternehmungen mit seinem Bruder nicht an Wochenenden unter bringen kann, in denen ich arbeite. Und ich kann auch nicht wirklich verstehen, wieso ich seit Monaten erzähle, dass ich mich freuen würde wenn wir uns ein schönes Wochenende in München machen und dabei das Florian – Künstler – Konzert besuchen könnten und das jetzt ausgerechnet das Wochenende sein soll, an dem man die Halle für das Fallschirmspringen aufräumen muss. Zum Einen nimmt mir das die Chance einfach mal irgendwohin mitzukommen zu den Dingen, die er halt so treibt und zum Beispiel mal seinen Bruder kennen zu lernen, der auch Fallschirm springt und zum Anderen heißt es halt, dass wir wieder eine wichtige Unternehmung, ein Erlebnis, das sicher im Jahresrückblick erwähnt werden wird, nicht teilen können. 



 

Und dennoch haben mir die Gespräche mit den verschiedenen Menschen, allen voran der Therapeutin, auch eine klarere Sicht auf die Dinge vermittelt. Ich muss mich bemühen, dass dieses Gefühl in meinen Bedürfnissen nicht gesehen zu werden, nicht in einer unbändigen Wut auf den Kardiochirurgen endet, weil das eben alles mit hoch holt, das ich eigentlich seit meiner Kindheit kenne. Ich kann mich da mittlerweile schon mehr zusammen nehmen und sachlichere Kritik anbringen. Und trotzdem wird es eine Entscheidung bleiben müssen, die ich noch treffen muss, ob ich damit für den Rest meines Lebens leben kann.
In meinem Verständnis würden wir mal anfangen unsere Leben mehr zu teilen, den anderen mal mit einzubeziehen und nicht immer in diesen Parallelwelten zu leben und den anderen völlig auszuklammern. Entweder, weil er mich nicht mit einbezieht oder sich eben aus meinen Tätigkeiten raus nimmt. Und im Prinzip geht jeder nur seinen Bedürfnissen nach, aber eine gemeinsame Schnittmenge können wir nicht finden

Ganz passend dazu hat meine Oma heute noch angerufen und mir nochmal erklärt, dass ich doch bitte für den Facharzt lernen soll und jetzt keine Lernpause machen soll, immerhin hätte meine Schwester sich doch auch doll bemüht. (Dass die in der Zeit auch mehrfach im Urlaub waren, ist meiner Oma wohl entgangen… - aber selbst wenn nicht, lebt eben jeder sein eigenes Leben und setzt eigene Prioritäten). Und schließlich, so sagte meine Oma auch, wäre sie auch schwer enttäuscht, wenn ich den Facharzt nicht machen würde.
Ich kann aber nicht mehr für die Befindlichkeiten anderer Leute verantwortlich sein sollen und in meinen Bedürfnissen nicht gesehen werden. Denn ein Bedürfnis ist es, schnellstmöglich aus der somatischen Medizin raus zu kommen. Und wahrscheinlich ist es auch der Erziehung geschuldet, dass ich mich streckenweise dafür schäme.

Mondkind


Kommentare

  1. Antworten
    1. Naja, ehrlich gesagt ich weiß nicht, ob mich das jetzt so begeistert... eigentlich muss ich mich ja nicht schlecht fühlen, nur weil ich etwas anderes tun möchte...

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