Dann falle ich

Es ist ein seltsames Hin und Her fallen.
Tagesformabhängig.
Stimmungsabhängig.
Zeitabhängig.

Tatsächlich schaffe ich es aktuell, einigermaßen eine Lernroutine zu etablieren.
Aber der Preis ist hoch. Sehr hoch.

Ich habe immer gehofft, dass wir es geschafft haben werden eine Routine zu haben, bevor die heiße Phase der Facharztlernerei los geht. Denn dass ich an diesen Abenden, an denen ich hin und her gefahren bin nichts geschafft habe, war klar. Und, dass das dann nicht mehr geht, auch. Ich hatte viel Angst davor, aber jetzt bin ich mitten drin. Und meistens wird die Angst dann irgendwann weniger.

Im Endeffekt haben wir es nicht geschafft.
Ich kann nicht mehr auf Abruf gewähr bei Fuß stehen. Und er hat das noch nie getan, Planung war noch nie so sein Ding.
Zu spüren, dass wir uns darüber vielleicht verlieren werden, ist hart.

„Wenn es das ist, was Liebe macht, dann falle ich“, singt Florian Künstler in seinem neuen Song, der Freitag raus kommen wird. (Aber ich habe ihn schon auf dem Konzert gehört – hihi).
Vielleicht muss ich irgendwann auch mal begreifen, dass die Kehrseite von Liebe immer das Tanzen am Abgrund ist. Diese Verbindungen können die schönsten Momente bereit halten und in die schwierigsten Abschnitte des Lebens stürzen.

Die Zeit im Moment zieht viele Parallelen zu den letzten Monaten des Studiums. Mein Arbeitszimmer sieht ungefähr genauso aus, wie meine Lernecke in meinem Zimmer im Studentenwohnheim. Nur, dass ich da lila Farbe an der Wand hatte. Aber ansonsten fliegen hier Textmarker zwischen Schokoriegeln auf dem Schreibtisch umher, um meinen Stuhl herum sind aufgeschlagene Ordner und Artikel, die ich zuletzt gelesen und gelernt habe und morgen sowieso wiederholen muss – daher lohnt es sich gar nicht alles weg zu sortieren und ich weiß dann morgen gleich, was ich wiederholen soll. Dazwischen liegt das ein oder andere aufgeschlagene Buch, wenn ich doch nochmal etwas nachschlagen musste. 


Ich habe es schon am Freitag der Frau Therapeutin erzählt – es ist ein komisches Erleben, weil die Zeiten so verschwimmen.
Manchmal meine ich, es müsste gleich klingeln und der verstorbene Freund müsste mit Kuchen auf dem Arm in der Tür stehen. Aber es klingelt nicht und da steht niemand.
Und manchmal denke ich in den letzten Tagen, er hat krass viel ausgehalten mit mir. Und komischerweise haben wir nicht ein Mal gezweifelt. In all der Zeit.

Die Psychosomatik – Oberärztin hat letztens gefragt, ob ich oft an ihn denke. Ja, tue ich. Sehr oft. Immerhin ist Frühling. Und Lernzeit. Und er hat bald Geburtstag.

Seine Mum hat ein paar Fotos vom Konzert gesehen. „Ich freue mich, dass es ein neues „Wir“ gibt“, hat sie geschrieben. Ehrlich gesagt habe ich einfach nur vergessen, sie aus dem Status raus zu nehmen. Manchmal, wenn ich sehr euphorisch bin, werde ich schon mal etwas übermütig.
Wir haben gesprochen darüber schon vor Jahren und wir wussten tief in uns drin, dass das passieren wird. „Es ist nicht immer so, wie es da aussieht – sogar in den seltensten Fällen“, hätte ich ihr gern gesagt, aber ich habe es mal unkommentiert gelassen. 

„Ehrlich gesagt – solange wie wir weiterhin keinen gemeinsamen Alltag etabliert haben – und dazu gehört zumindest mal ein gemeinsames nach Hause kommen – ist es weiterhin keine ernst zu nehmende Beziehung“, habe ich letztens bei Frau Therapeutin referiert. Aber das hatten wir auch schon mindestens fünf Mal.
Ich hab etwas gegen Unverbindlichkeit. Und das ist der Gipfel der Unverbindlichkeit. Weil sich immer wieder jeder zurück in sein Schneckenhaus ziehen kann. Wir müssen uns gar nicht auseinander setzen damit, wie wir Kompromisse im Alltag finden, weil es keinen Alltag gibt. Es gibt kein Wir in unserer Planung. Es gibt Dienste, es gibt Sprungwochen, in denen dann wieder wochenlang gar nichts geht, es gibt frei nach Nachtdienstwochen, die jedes Mal ein Kampf sind. Aber es gibt kein „schau mal, diese Zeit möchte ich mir nehmen, um Zeit mit Dir zu haben.“
Aber wenn ein was sicher ist, dann dass ich fast jeden Abend alleine einschlafe. Und, dass es dem Gegenüber auch nicht wichtig ist.

Ich wünschte, ich müsste mich nicht entscheiden zwischen Facharzt und Beziehung.
Aber ich befürchte, das muss ich. Irgendwann wird das darauf hinaus laufen.
Ich hab versucht die Dinge vorher zu regeln, aber es hat scheinbar nicht funktioniert. Ich kann mich jetzt einfach nicht mehr so arg rein hängen. Jetzt braucht es den anderen Part.
Manche Wünsche müssen eben Wünsche bleiben. Und vielleicht werden wir nie einen gemeinsamen Alltag gehabt haben.

Mondkind

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