Von Therapiegespräch und Beginn der Facharztlernzeit

Vielleicht ist es gut, hier nochmal einige Entwicklungen der letzten Tage festzuhalten.

Das Gespräch mit der Oberärztin war gut, aber gereicht um mich einigermaßen ruhig zu halten hat es leider nicht. Im Endeffekt habe ich das schon alles verstanden, aber ich kann es einfach nicht umsetzen. Ich habe diese Leistungsansprüche so internalisiert, dass es meine eigenen Ansprüche werden und ich kann so schlecht an mir selbst vorbei.
Noch dazu arbeitet man eben auf der neuen Station auch länger – großartig vor 19 Uhr werde ich es nicht mehr nach Hause schaffen.

Also habe ich nochmal der alten Therapeutin aus der Studienstadt geschrieben, die aktuelle Lage geschildert und gefragt, ob wir sprechen können.
Und tatsächlich war das sehr zeitnah möglich. Ich bin dann etwas zu spät zum Dienst gekommen, aber das war dann abgesprochen und auch ganz gut möglich, weil die Station recht leer war zu dem Zeitpunkt.
Wir haben dann nochmal sehr viel Wert auf die Tatsache gelegt, dass ich mich aktuell fühle, wie sechs Jahre zurück katapultiert. Es ist ein ganz komisches Erleben, weil seitdem so viel passiert ist und ich so viel weiter gekommen bin, aber irgendwie habe ich ständig dieses Lebensgefühl von damals. Die Therapeutin hat dann postuliert, dass sie mir schon glaubt, dass ich da weiter gekommen bin und gegen die alten Überzeugungen ankämpfe, dass es aber eben auch nachvollziehbar ist, dass das in stressigen Zeiten nicht mehr funktioniert und dann die alten Überzeugungen doch stark werden. Aber vielleicht kann ich mir das ja bewusst machen.
Wir haben glaube ich auch einen ganz wichtigen Punkt heraus gearbeitet mit der Frage, ob ich denn weiterhin den Anforderungen, die ja im Prinzip zu meinen Eltern gehören, gerecht werden möchte, wenn ich kaum noch Kontakt zu denen habe. Möchte ich wirklich zulassen, dass die noch so einen großen Einfluss auf mein Leben haben, wenn sie doch da facto gar nicht mehr darin vorkommen und ich eigentlich ganz andere Wertvorstellungen habe? Und da kann ich ganz klar nein sagen. Ich für mich kann sagen, dass es mir wichtig ist, diesen Facharzt zu bestehen, dass ich so gut es geht darauf hinarbeiten möchte und aber auch mein soziales Umfeld in der Zeit nicht komplett verlieren möchte
Und dann bin ich ja seitdem auch viel autonomer und selbstständiger geworden, habe das Leben in die Hand genommen und ein Leben neben der Arbeit etabliert – es hängt nicht mehr alles von einer Prüfung ab. Heute bin ich auch am Steuer meines Lebens – ich muss mir nichts verbieten wegen der Prüfung – auch wenn es sinnig wäre die Prioritäten etwas zu verschieben. Aber theoretisch kann ich auch eine Woche davor in den Urlaub fahren – das könnte mir auch keiner verbieten. Außer eben ich mir selbst.
Und vielleicht ist ja jetzt auch mal der Moment gekommen, mit Prüfungen anders umzugehen. Es einfach mal zu versuchen. Und anzuerkennen, dass es okay ist, erst jetzt zu lernen, wie ich eigentlich gut mit Prüfungen umgehen kann. Dann versuche ich es jetzt zum ersten Mal und wenn es schief geht, dann haben nicht automatisch die Eltern Recht. Dann muss ich einfach noch ein bisschen an meinem Konzept arbeiten.
Und am Ende – so sagte die Therapeutin – ist dieses endlose zu viel lernen sowieso nur ein Versuch Kontrolle über etwas zu erlangen, dass man nicht kontrollieren kann. Ich kann diese Prüfung nicht kontrollieren. Es kann sein, dass ich einen schlechten Tag habe, dass die Prüfer einen schlechten Tag haben, dass die ein Thema erwischen, dass ich nicht so gut kann – die hat jeder. Es kann auch das Gegenteil passieren; ich komme vielleicht in einer stimmungsmäßig guten Phase dorthin, vielleicht trifft das für die Prüfer auch zu, vielleicht ist das erste Thema und damit der erste Eindruck ein Thema, das ich gut kann. Wir wissen es alle nicht, wir können nur das Beste versuchen und akzeptieren, dass ein Teil davon immer Schicksal ist. Und, dass keine Prüfung irgendetwas an unserem Wert ändert.

Sie meinte, ich soll die wichtigsten Erkenntnisse vielleicht nochmal auf einen Zettel schreiben und an einen Ort hängen, wo ich sie immer sehe. Damit ich dazwischen grätschen kann, wenn sich die Panikschleife breit macht.
Das finde ich eine gute Idee und habe es mir auch spätestens für die Ostertage vorgenommen.

Schon komisch, dass ich Therapie und therapeutische Prozesse jetzt so anders sehe. Ich glaube nicht, dass ich das früher gemacht hätte. Manchmal finde ich es schon ein bisschen merkwürdig, wie passiv ich mich da manchen Dingen hingegeben habe.
Jetzt möchte ich das nicht mehr. Ich finde es richtig beschissen, wenn es mir so schlecht geht und ich möchte versuchen, das nicht mehr so häufig zu erleben. Und deshalb muss ich an ein paar Dingen arbeiten und bin dankbar, wenn mich Menschen unterstützen. 



Ansonsten bin ich auch sehr dankbar für den Frühling. Im Winter geht es mir schon tendenziell immer schlechter. Die Laune ist schon automatisch besser, sobald man das erste Mal im Jahr die Fenster offen lassen kann, die Tage länger werden, man in der Früh nicht mehr so entsetzlich friert, die Blätter wieder an den Bäumen wachsen und die Kirschbäume blühen. Ich liebe das so sehr und wäre am liebsten den ganzen Tag draußen an diesen Tagen.

Mit dem Kardiochirurgen und mir ist auch eine… - erstaunliche Wendung eingetreten.
Ich hatte sehr große Sorge was passiert, wenn ich anfange für den Facharzt zu lernen, weil es eben einfach nicht mehr geht mit dem ganzen Gefahre. Er scheint das aber mittlerweile auch zu sehen, war die letzten Tage bei mir und hat abends gekocht, was super lieb war. Heute hat er sogar den ganzen Kühlschrank aufgeräumt, der das dringend nötig hatte…
Und ich meine gar nicht, dass er jedes Mal etwas in der Wohnung hier tun muss. Aber es ist schön, dass wir ein bisschen Alltag etablieren konnten. Wir können nicht immer unsere freie Zeit mit Freizeit füllen, aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn er sich hier mit seinem Kram hinsetzt, ich mit meinem, dann kochen wir (oder in nächster Zeit eben mehr er), essen zusammen, er schläft hier… Wir sind dieses Wochenende eigentlich nur eine halbe Stunde miteinander spazieren gegangen, weil ich den halben Samstag noch geschlafen habe nach dem Dienst und dann lernen musste und er Samstag und Sonntag im OP war, aber trotzdem hat es sich wie ein rundes Wochenende angefühlt.

Insgesamt fühlt es sich gerade okay an. Es kommt Ruhe rein.
So darf es gern bleiben…

Mondkind

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