Happy Birthday to Heaven
Mein lieber Freund,
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Irgendwo da oben. Ich hoffe, Du lässt es krachen dort. Schon komisch, dass wir mittlerweile genau so viele Geburtstage miteinander, wie ohneeinander gefeiert haben.
Im Moment fällt es mir ein bisschen schwer Worte zu finden, die wirklich so geschrieben sind, wie ich sie auch fühle. Tendenziell habe ich im Moment sehr wenig Zeit, weil ich auch für den Facharzt lernen muss.
Manchmal denke ich darüber nach, was für ein Küken ich in diesem Geschäft noch war, als Du gestorben bist. Damals hätte ich im Leben nicht gedacht, dass ich eines Tages für den Facharzt lernen werde.
Im Moment erinnert mich Vieles an die Zeit damals, kurz vor dem Examen. Weil ich ja auch ungefähr mit denselben Dingen beschäftigt bin. Unsichtbare Fesseln haben mich an den Schreibtisch gebunden und ich meine ständig, dass es doch an der Tür klingeln müsste und Du mit Kuchen auf der Matte stehen müsstest.
Meine Oberärztin hat mich letztens gefragt, wie viel ich eigentlich an Dich denke.
„Jeden Tag eigentlich. Zumindest kurz“, habe ich entgegnet.
Äußerlich hat sich nicht viel verändert zu diesem Frühling vor fünf Jahren. Ich wohne immer noch in derselben Wohnung, obwohl mir hinterher viele Menschen gesagt haben, ich solle umziehen. Aber wir haben hier nicht mal wirklich zusammen gelebt, wir hatten nur so einige Ideen für die Gestaltung dieser Wohnung, die wir dann nie umgesetzt haben. Und ich alleine dann eben auch nicht.
Ich bin auch immer noch auf demselben Arbeitsplatz. Auch, wenn die Stroke Unit längst nicht mehr meine Lieblingsstation ist.
Aber innerlich – innerlich hat sich schon viel geändert.
Weißt Du – Du hast mir nicht nur den Weg ins Leben gezeigt (obwohl ich meine, dass der Kardiochirurg auch manchmal den Eindruck hat, dass ich immer noch ein bisschen hinterher hänge), ich habe auch so viel von Dir gelernt, nachdem Du gestorben bist.
Ich glaube, wenn man jung ist, dann sieht man Vieles noch nicht. Nicht, weil man dumm ist oder so, sondern weil man so viele Dinge als selbstverständlich hinnimmt, die das niemals sind. Heute habe ich verstanden, dass zwischenmenschliche Bindungen, die so tief gehen, immer ein Geschenk sind. Ich habe verstanden, dass ich ein bisschen aufpassen muss um die Menschen um mich herum und, dass es darum geht Erfahrungen und Erinnerungen zu sammeln, die am Ende des Lebens bleiben. Denn genau dafür werden wir eines Tages dankbar sein.
Und das heißt nicht, dass wir immer so leben können, wie wir das wollen.
Ich würde gerade auch lieber in den Urlaub fahren, als für den Facharzt zu lernen, ich würde meine Wochenenden gern primär draußen verbringen, ich würde gern zu mehr Konzerten gehen – aber all das geht dieses Jahr eben nicht.
Dafür werde ich es hoffentlich nächstes Jahr umso mehr genießen können
Machmal frage ich mich, wie das Leben eigentlich gelaufen wäre, wenn Du noch hier wärst.
Wer wäre ich heute? Was wären meine Ziele, meine Werte, meine Einstellungen gegenüber dem Leben? Wo wären wir heute? Was würden wir gemeinsam erleben?
Es ist so krass, weil Du so viel prägst von dem was hier passiert, obwohl Du eben gar nicht mehr Teil davon bist. Ich wäre ein anderer Mensch heute, wärst du nicht gewesen. Und das meint nicht nur, dass ich das Leben heute anders schätze als damals und mich zumindest bemühe die Momente zwischen den Zeilen zu sehen – ich glaube es war auch wichtig für mich, dass jemand meine sensiblen Antennen akzeptiert und wahrgenommen hat und mir gezeigt hat, dass es okay ist so zu sein. Dass ich mich nicht schämen muss oder anders werden soll, sondern dass es okay ist und mich sogar ein Stück weit ausmacht. Und die Menschen, die das nicht sehen, raus schmeißen darf.
Und vielleicht dürfen wir das niemals vergessen. Wir haben einen Impact. Immer. Auch, wenn wir das manchmal nicht sehen, wenn es manchmal zu klein erscheint, um wertvoll zu sein.
Ganz viel Liebe
Mondkind
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