Déjà-vu

Urlaub.
Ein kleines Déjà-vu.
Das letzte Mal, dass ich so planlos in den Urlaub gestartet bin, ist jetzt doch schon eine Weile her.
Erinnert mich irgendwie an diese unendlich langen Corona – Winter, in denen wir reihum ins frei geschickt worden, ohne dass man so ad hoc wusste, was genau man mit der Zeit jetzt eigentlich machen soll.

Gestern Abend.
Es ist schon fast 21:30 Uhr, bis der Kardiochirurg sich meldet.
Er käme gerade aus der Dusche und würde jetzt mal her fahren.
Ich merke an, dass das schon beinahe zu spät ist, da ich gern um 22 Uhr im Bett wäre. Ich sage es nicht so laut, aber die Nachtdienstwoche kann auch nicht eine Entschuldigung für alles sein. Er hat morgens um acht Uhr Schluss, ich kann es einfach nicht glauben, dass er 11 Stunden im Bett liegt. Dass man schlechter schläft und länger braucht ist klar, aber dass man im Prinzip eine Woche lang komplett out of order ist… - na ich weiß nicht.
Er ist kaum da, als er berichtet, dass er unseren gemeinsamen Urlaub storniert hat. Die letzten beiden Wochen seien anstrengend gewesen; er könne sich das jetzt erstmal nicht vorstellen, Samstagfrüh in den Urlaub zu fahren.
Minimal vorgebahnt war es ja schon seit ein paar Tagen. Aber ehrlich gesagt – so richtig damit habe ich nicht gerechnet. Zumal dieser Urlaub irgendwie echt ein Lichtblick war. Allerdings hatte ich schon ein ungutes Gefühl in den letzten zwei Wochen, als ich immer wieder gefragt habe, ob wir noch etwas vorbereiten müssen. Das sollte ja über diese Paragliding – Reisegesellschaft gehen; da kennt er sich besser aus, aber ich konnte mir kaum vorstellen, dass er schon selbstständig Unterkünfte gebucht hat, ohne das zu thematisieren. Hatte er dann ja auch nicht.

„Ich glaube, wir sollen vielleicht ein paar Wochen ein bisschen Abstand voneinander haben“, sage ich. „Solange, bis wir bereit sind darüber zu reden, wie wir eigentlich in der Beziehung miteinander umgehen wollen und was wir von dieser Beziehung überhaupt wollen.
Ich sage das, nachdem wir beide eine Weile still waren. Dass man sich nicht so auf ihn verlassen kann ist die eine Sache, einfach einen geplanten Urlaub zu stornieren, ohne das vorher real zu besprechen, ist schon noch mal etwas anderes.
Er kommentiert das gar nicht großartig. Ich weiß nicht, was er jetzt daraus machen wird.
Für mich ist das gerade ein ähnlicher Moment, wie mit dem ehemaligen Freund damals. Mein Geduldsfaden ist sehr, sehr lang und ich mache vieles lange mit, füge mich immer, passe mich an, nehme Rücksicht, kommuniziere Nachsicht. Aber irgendwann – und wann genau das passiert, weiß ich oft selbst nicht genau – ist dieser Faden am Ende. Dann wird aus der sonst recht destruktiv gelebten Wut, die in viele Nächte ohne Schlaf mündet, doch mal etwas Konstruktives. Etwas, mit dem ich mich ablösen kann.

Wir haben jetzt so eine lange Durststrecke hinter uns, in denen wir uns kaum gesehen, gesprochen und gespürt haben. Und wie das schon so manches Mal war im Leben, habe ich es dann am Ende eben nur fast geschafft. Krass, dass das einen Tag vor einer anbrechenden gemeinsamen Zeit so crasht.

Es sind immer diese Türschwellengespräche. „Du bist nicht die Einzige, der es mit der Situation schlecht geht“, sagt er. Dass er mal irgendetwas von sich preis gibt – wie es ihm geht, was er so denkt oder fühlt – das passiert immer in diesen Situationen. Wenn schon klar ist, dass er sich schon zum Gehen gewandt hat, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, das jetzt zum Thema zu machen. 


Altes Bild aus Slowenien...


Ich habe heute meine Lieblingskollegin aus der alten Sektion getroffen. Sie hat krass viel Erfahrung und ist für mich echt eine Art Vorbild. So möchte ich auch mal werden, wenn ich Psychotherapie gelernt habe. „Was machst Du im Urlaub Mondkind?“, fragt sie mich. Ich überlege kurz. „Ich weiß es noch nicht genau“, entgegne ich. „Derjenige, mit dem ich eigentlich nach Frankreich fahren wollte, hat gestern Abend beschlossen, dass er das nicht möchte.“ Sie bleibt stehen und schaut mich an. „Das ist nicht Dein Ernst Mondkind…“ „Leider doch“, sage ich. „Oh nein, das geht aber nicht von dem Gegenüber. Das tut mir leid. Kannst Du etwas anderes machen?“ „Ich bin schon dabei mir einen Alternativplan zu überlegen, aber das ist schon arg kurzfristig.“ Sie nickt. „Ich hoffe, Du wirst trotzdem einen schönen Urlaub haben und danach kannst Du ja mal wieder unsere Sektion besuchen.“ Ich wollte das einfach nur wissen, ohne mal wieder aus dem privaten Nähkästchen zu plaudern. Ist so etwas normal, oder nicht? Rege ich mich zu Unrecht auf?
Manchmal wüsste ich echt zu gerne, was man psychodynamisch über unsere Beziehung sagen könnte. Und über uns beide. Wenn man mal ne Balint – Gruppe zum Thema machen würde. Bisschen Brainstorming.

Wie die Woche jetzt genau weiter geht, weiß ich nicht. Ich habe mir vorgenommen zu versuchen, mich mal nicht davon unterkriegen zu lassen – auch, wenn es für mich natürlich immer schwer ist, wenn wichtige Beziehungen wackeln. Und immerhin hat man ja auch nur sechs Wochen Urlaub im Jahr – es sei denn, man ist Kardiochirurg, dann hat man 12. Deshalb kann er sich ja durchaus noch überlegen, in der zweiten Woche, die er noch frei hat zu verreisen, aber für mich fängt der Urlaub eben genau jetzt an.
Ich glaube so richtig greifen kann ich das gerade noch nicht, was hier passiert. Aber morgen bin ich jetzt erstmal mit einer Freundin verabredet. Wir hatten das schon länger überlegt, aber immer konnte einer von uns am Wochenende nicht. Ich bin aber sehr dankbar, dass sie morgen Zeit hat, obwohl ich sie erst heute gefragt hatte, weil wir ja eigentlich morgen schon auf dem Weg nach Frankreich hätten sein sollen. Schon krass... - irgendwie hatte ich geglaubt, Slowenien wäre wiederholbar.
Und heute Abend merke ich auch, wie erschöpft ich eigentlich bin. Die letzten Wochen waren unglaublich anstrengend. Ich kann das auch einfach nicht mehr so weiter machen mit dieser Beziehung. Es geht einfach nicht mehr.

Mondkind


Kommentare

  1. Ich schicke Dir ganz viel Kraft & dass Du aus dieser Zeit, das Beste FÜR DICH herausholst. Hat er eigentlich ja gesagt zu der "ein paar Wocheb"-Auszeit, bis ihr beide euch soweit gesammelt habt, um ein erwachsenes Gespräch & nicht zwuschen Tür &Angel zu führen? Hat er diesem Vorschlag zugestimmt? Ich kann mir manchmal einfach nicht vorstellen, ibgleich du soooo gut schreibst & beschreibst, aber, was ib seinem Kopf vor sich geht , ist mir schleierhaft. Wie er denkt, was er sagt & was er verschweigt...Wie zB dass er auf diesen Vorschlag hin nicht wirklich was geantwortet hat-wie geht das? Bzw. was sagt das über ihn in dieser Beziehubg aus-und letztlich über Dich & Euch? Ich wünsche Dir ein gutes Gespräch & eine erholsame Zeit mit Deiner Freundin. Halt uns auf dem Laufenden, wie's Dir geht- wenn Du magst. Ich bin in Gedanken ganz fest bei Dir!

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    1. Morgen,
      tja, alle diese Fragen stelle ich mir auch. Ich weiß nicht, was er so denkt und fühlt und nein, wirklich weiter gekommen sind wir auch noch nicht.

      Ehrlich gesagt - heute ist schon Dienstag und ich weiß noch nicht genau, was ich aus diesem Urlaub mache. Eigentlich hätte ich diese Auszeit so dringend gebraucht, die letzten Wochen waren schon sehr anstrengend. Meine Motivation genauso platt wieder nächste Woche auf die Arbeit zu gehen, wie ich da raus gekommen bin, ist nicht so unfassbar hoch.

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