Urlaubsentwicklungen

 Mein Blick fällt auf die noch verpackten Tonkegel auf dem Küchentisch.
Die kamen noch pünktlich vor dem Urlaub an und waren etwas größer als die ersten, die ich gekauft hatte. Die Tomate und die Gurke sollten noch einen Größeren bekommen und die Kleineren für die kleineren Pflanzen abgeben.

So eine Art von Reisetagebuch, wie ich es jetzt führe, hatte ich an der Stelle nicht erwartet.
Und ich frage mich, ob ich – nachdem die letzten Wochen auf der Arbeit eher ein Kampf als alles andere waren – am Montag minimal motivierter im Büro stehen werde.
Einer der Hauptpunkte, das irgendwie zu schaffen war der Gedanke: „Es ist gerade alles irgendwie schwierig, aber wir werden uns mal für acht Tage haben, gemeinsam einschlafen und aufwachen und neue Dinge erleben.“

Ich erinnere mich an Slowenien – an diese Leichtigkeit, die es zwischendurch mal war.
Irgendetwas in mir weiß, dass man immer vorbereitet sein muss, die letzten Pirouetten im zwischenmenschlichen Bereich zu tanzen, aber manchmal kann das auch zu einer permanenten Traurigkeit ausarten. Irgendwie hatte ich dort mal kurzzeitig das Vertrauen in uns. Ich konnte die Dinge genießen, ohne den Großteil der Zeit damit beschäftigt zu sein, sie in die Reserve – Truhe meines Herzens zu packen. Und genau das war der Punkt, an dem die Zeit und das Sein irgendwie verschwommen sind. An dem ich nicht mehr genau wusste, welcher Tag eigentlich war, wie viel Zeit uns noch blieb, sondern einfach im Moment war.
Es gibt immer wieder so Schlüsselmomente und dieser letzte Abend gehörte dazu. Gemeinsam durch die Dämmerung spazieren, durch die kleinen Gässchen eines Dorfes, in denen noch die Hitze vom Tag stand. Irgendwo am Rand eines Platzes essen (- und zwar richtig gut), dort wo wahrscheinlich am Abend der geschäftigste Punkt des Dorfes war. Ein ganz eigenartiges Flair, das irgendwie das, was zwischen uns beiden war, nochmal etwas mehr unterstrichen hat.
Meine Idealvorstellung eines Sommerabends ist es immer mit dem Freund auf irgendeiner Mauer zu sitzen, ein Eis zu essen und dabei dem vor uns liegenden Meer zu lauschen. Ich weiß nicht, wann und wo ich auf so etwas gekommen bin. Aber dieser letzte Abend kam schon ziemlich nah da dran. In einem Momente haben wir auch unten am Fluss gestanden. Es war eine kleine Ausbuchtung, ein bisschen wie ein kleiner Strand und dann hat er mich einfach von hinten in den Arm genommen während wir zusammen über das Dorf geschaut haben. Das war schon ziemlich perfekt.
Manchmal glaube ich, die Menschen denken, ich bin verrückt. Weil ich so eigentümliche Vorstellungen von dem habe, das das Herz bewegt. Weil sich das hauptsächlich im zwischenmenschlichen Bereich abspielt. Weil mich das auch das Ende der Welt nicht glücklich machen würde. Weil es immer und ausschließlich um dieses zwischenmenschliche Band geht.


Es war schon eher ein Ministrand vor dem Dorf. Und unmittelbar daneben eine Autowerkstatt, die das nicht ganz so eng genommen haben, den Schrott etwas außerhalb des Geländes zu verteilen.


Und manchmal glaube ich, auch vielleicht wird das nicht immer so sein. Vielleicht ist das jetzt gerade meine Vorstellung. Weil das seit Jahren fehlt. Und weil das irgendwie mit der vergehenden Zeit immer nur mehr wird.
Weil Emotionen schon in der Primärfamilie gefehlt haben. Weil ich es dann mal kurz hatte, spüren durfte, wie das eigentlich ist, wenn es diese zwischenmenschliche Bindung gibt und seitdem einem Phantom hinterher jage. Und so dankbar ich für all die Erinnerungen aus diesen fünf Jahren bin, so sehr verfluche ich mich manchmal auch dafür, sie zu haben.

Und irgendwie ist es ein eigenartiges Gefühl. Auf der einen Seite steht die Frage, warum ich es nie halten kann. Auf der anderen Seite die Frage, warum ich immer wieder in so etwas gerate. Und spoiler: Das wird wohl auch an mir liegen. Der Intensiv – Oberarzt würde sagen, ich selektiere einfach nicht gut genug.

Und nachdem der Kardiochirurg und ich absolut nicht weiter gekommen sind die Tage und von der Neuro die Frage an mich heran getragen wurde, ob ich nicht einen Visitendienst übernehmen könnte, gehe ich jetzt am Samstag arbeiten. Mir fällt hier auch die Decke auf den Kopf, ich komme zu nichts vor lauter Lethargie.
Ehrlich gesagt, hätte mir das jemand vor ein paar Tagen erzählt, hätte ich es ja nicht für möglich gehalten. Wie verzweifelt kann man sein…?

Wir halten mal die bisherige Bilanz fest: Wir haben noch nicht einen Abend zusammen verbracht in diesem Urlaub, sind nicht einen Morgen gemeinsam aufgewacht, haben nicht einen Tag gemeinsam gefrühstückt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das ändert, ist auch nicht besonders hoch.

Mondkind


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