Pendeln
Ich hasse die Verabschiedungen im Auto.
Die halben Umarmungen über der Mittelkonsole, die keine Umarmungen sind, weil jeder auf seinem Sitz sitzt und eben das Auto an sich im Weg ist.
Insbesondere, wenn es nicht klar ist, wann wir uns wieder sehen.
Pendelbewegungen.
Eben noch war es okay. Wir hatten es dann doch mal an den See geschafft. Waren eine Runde schwimmen. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich glaube, es war mein erstes Mal im See schwimmen überhaupt. Danach lagen wir nebeneinander auf der Wiese; er am Handy, ich habe endlich mal meinen Roman weiter gelesen. Und danach waren wir noch etwas essen, haben zugeschaut, wie sich die Abendsonne auf dem Wasser gespiegelt hat.
Im Prinzip waren es nur ein paar Stunden, die sich endlos hätten ausdehnen können. Falls jemand fragt – ich glaube, dieser Abend wird im Jahresrückblick erwähnt und hätte nie enden müssen.
Aber jetzt sitzen wir im Auto. Ich muss noch einiges für den Dienst am nächsten Tag vorbereiten, er will natürlich nicht bei mir schlafen, also trennen sich unsere Wege hier.
Ein Potpourri aus Emotionen, das kaum händelbar ist.
Dankbarkeit für diesen Tag, dafür mal wieder einen guten Moment in dieser Beziehung erleben zu dürfen.
Und ein schlagartiges Bewusstsein, dass wir eben doch weit weg von einer festen Beziehung sind. Dass die Tage eben abends in getrennten Betten enden, dass es über ein neuerliches Wiedersehen immer Unverbindlichkeit gibt.
Eigentlich hatte ich so gedacht, es wäre völlig klar, dass wir uns Donnerstagabend noch sehen, gemeinsam essen und gemeinsam einschlafen – immerhin habe ich da frei nach Dienst, bin bis zum Abend wieder auf der Höhe und es ist vorerst mal wieder die letzte Gelegenheit.
Aber sein Knurren hat mir gezeigt, dass das eher nicht so seinen Vorstellungen entspricht.
Es ist schwierig.
Weil ich mich schon frage, ob das für ihn wirklich nie eine Option ist. Warum kann von ihm nicht mal kommen: „Schau mal, ich habe gesehen Du hast da Dienstfrei. Dann komme ich Donnerstagabend nach dem Fallschirmspringen nach Hause und wir können etwas zusammen machen. Ich kann ja auch Mittwoch, Freitag und Samstag dort übernachten, wenn ich mag.“
Immer bin ich diejenige, die so etwas vorschlagen muss, die an ihm ziehen muss, die in einem Wald von Unverbindlichkeiten zurecht kommen muss.
Und die sich die Nächte um die Ohren schlägt, weil sie die Emotionen, die Traurigkeit, die Wut, das Unverständnis über seine Handlungsweise nicht regulieren kann.
Nach dem Facharzt soll man über diese Beziehung nachdenken, war das Credo.
Vielleicht soll man das.
Weil man jeden guten Moment teuer bezahlt.
Weil man mal kurz glaubt es könnte sich etwas wie Stabilität einstellen, die unmittelbar danach wieder eingerissen wird.
Als würde jemand permanent aufpassen, dass man sich nicht ausruhen kann in dieser Verbindung, nicht still bleiben darf, immer auf der Hut sein soll.
Und aus einem geplanten Donnerstagabend wird dann eine Spätumarmung.
Auf dem Flur.
Kein gemeinsames einschlafen. Kein Körper des anderen spüren.
Der Herr tut seine Pflicht und erscheint mal fünf Minuten. Betitelt das dann mit einem „wir haben uns ja gesehen.“ Alles erledigt, was Mondkind wollte. Das ist blanker Hohn.
Morgen wird es hauptsächlich darum gehen.
Hat das Sinn?
Oder tue ich mir nur weh?
Und vielleicht wird das Leben jetzt erstmal nicht leichter werden.
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Noch ein Bild aus Südtirol... erst knapp einen Monat her, aber seitdem hat sich immens viel bewegt... |
Morgen fahre ich übrigens in die Studienstadt. Ich nehme den Laptop mit - ich hoffe, er überlebt es im Auto bei den Temperaturen und dann wird es vielleicht mal wieder ein Reisetagebuch geben.
Mondkind
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