Von Prüfungstagen und einem Samstagsspaziergang

Die letzten Tage und Wochen waren wild und irgendwie weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. 
Deshalb vielleicht einfach ein kleines, nüchternes Update. 

Am Ende hat irgendwie wenig geklappt von dem, was geplant war. 
Den Prüfungstermin habe ich im Endeffekt 13 Tage vor der Prüfung bekommen. Deshalb haben die von der Landesärztekammer auch gleich eine Ladeverzichtserklärung mitgeschickt, mit der ich den Termin hätte absagen und verschieben können. Die Frist ist nämlich 14 Tage vorher. Also bin ich dann postwendend zu meinem Oberarzt gestiefelt und habe gefragt, ob ich ab jetzt zu Hause bleiben darf. Aber leider hat er mir an diesem Mittwochmittag erklärt, dass wir unterbesetzt sind und ich erst ab nächster Woche zu Hause bleiben kann. Meinen Dienst am Wochenende sollte ich noch machen und am Wochenende darauf hätte ich noch die Sonntagnacht gehabt. Darum, die zu verschieben, sollte ich mich selbst kümmern, genauso wie darum, dass jemand meinen Spätdienst am Montag und Dienstag in der Prüfungswoche und auch am Prüfungstag übernimmt. Für den Prüfungstag selbst, haben die mir einen Tag Urlaub eingetragen. 

Und so bin ich dann – ziemlich panisch – in diese letzten Lerntage gestartet. Die Idee, alles nochmal zu wiederholen und die Frage – Antwort – Bücher und Fallbücher fertig zu bekommen, war utopisch, aber irgendwie habe ich es in unendlich langen Nächten dann doch so halbwegs geschafft und wenn ich am Ende mein SOP – Buch durchgeblättert habe, ist mir tatsächlich zu jedem Krankheitsbild etwas eingefallen. 

Der Freund und ich – man mag es ja mitbekommen haben – hatten zwischendurch auch wieder so unsere Auseinandersetzungen und am Tag, nach dem ich ihm gesagt habe, dass ich eigentlich bis nach dem Facharzt gerade mal nichts von ihm hören möchte, stand er vielleicht ein wenig reumütig mit etwas zu essen auf der Matte; dann habe ich ihn doch rein gelassen und wir haben uns wieder mal ein bisschen versöhnt. 

Ich bin dann schon einen Abend eher in die Landeshauptstadt gefahren und habe in einem Hotel unweit der Landesärztekammer geschlafen. Ich glaube, der Höhepunkt meiner Nervosität war Montagabend. Irgendwie war ich so neben der Kappe, dass ich im Auto nicht mal mehr wusste, wie man einen Scheibenwischer einschaltet und habe mich gefühlt, wie betrunken. Zum Glück war ich recht spät da am Montagabend – da habe ich dann echt noch viel geweint und zwischendurch noch mit meinem Intensiv – Oberarzt geschrieben, der versucht hat, mir Mut zu machen. 
Am Dienstag hätte die Prüfung um 10:30 Uhr sein sollen, allerdings hatten die über eine Stunde Verspätung, sodass ich ewig dort im Warteraum saß. Die Prüfung an sich war dann gar nicht mal so schön. Mit dem ersten Prüfer kam ich super zurecht und das lief wie am Schnürchen, der zweite Prüfer hat mich dann irgendwie Radiologie abgefragt und war wirklich sehr fixiert auf die Antworten, die er hören wollte, obwohl man da meiner Meinung nach einiges hätte anders argumentieren können. Mit ihm war das sehr mühsam und ein bisschen hatte ich den Eindruck, dass meine Antworten nicht reichen werden, um zu bestehen. Mit dem Psychiater war es auch etwas anstrengend – einfach weil die Zeit am Ende so knapp war und ich Psychiatrie nicht bis ins letzte Detail gelernt hatte und wortgetreue ICD – 10 – Kriterien dann doch etwas schwieriger wurden. Während ich auf das Ergebnis gewartet habe, hatte ich mich schon fast damit abgefunden, dass der Lernmarathon wohl weiter gehen wird, aber sie haben dann doch beschlossen, mich durchkommen zu lassen. 

Ich musste dann Freitag in der Frühbesprechung vor allen Kollegen über meine Prüfung berichten und da habe ich hinterher von vielen Kollegen gehört, dass der zweite Prüfer wohl immer sehr speziell ist und tatsächlich ist das Derjenige, an dem bei uns aus der Neuro auch schon Menschen gescheitert sind. 
Ich war nach der Prüfung frustriert, dass ich schon wieder keine gute Prüfungserfahrung für mich sammeln konnte. Aber – so wurde ich hinterher von meinen psychosomatischen Kollegen belehrt – darum geht es ja auch den Prüfern nicht. Die meisten sind Chefärzte seit vielen Jahren und wollen natürlich immer noch den Prüflingen klar machen, dass sie jetzt zwar in den Kreis der Fachärzte aufsteigen, aber deswegen eben fachlich längst noch nicht auf einer Ebene mit den Prüfern sind. Ein bisschen narzisstische Aufwertung der Prüfer und gleichzeitige Abwertung der Prüflinge. 
Naja, ich kann mich mittlerweile etwas besser mit dem Prüfungsverlauf anfreunden, aber geglänzt habe ich da einfach nicht. 

Ich habe mir dann überlegt, ich fahre erst Mittwochfrüh zurück – immerhin habe ich Spätdienst, brauche laut Navi dreieinhalb Stunden und die Herren der höheren Etage haben mir da ja schließlich Urlaub eingetragen. Dann soll man doch auch Urlaub machen. Also war ich – nachdem ich mich ein wenig akklimatisiert hatte – noch den Nachmittag und Abend in der Therme und habe herausgefunden, dass es ziemlich cool ist, Dinge alleine zu machen. Einfach sein eigener Herr zu sein. Selbst entscheiden zu können, wann Schwimm-, Sauna- und Essenszeit ist. 

Der Plan Mittwoch zurück zu fahren wäre einer Guter gewesen, wenn da nicht eine Vollsperrung auf der Autobahn gewesen wäre… - ich kam aber dennoch fast pünktlich und hatte ja auch anderthalb Stunden Puffer eingeplant, aber schon gehofft, dass ich den nicht brauche. 
Mittwoch bis Freitag waren dann echt mühsam auf der der Arbeit. Ich konnte mich kaum motivieren und war einfach sehr müde. 

Wie es jetzt weiter geht?
Das Wochenende hatte ich frei und Montag und Dienstag habe ich auch noch frei. Der Plan war eigentlich etwas mit dem Kardiochirurgen zu unternehmen, der seit Samstag frei nach Nachtdienstwoche hat. Ich hatte das auch so mit ihm besprochen, ehe ihm wieder siedend heiß eingefallen sein muss, dass ja Fallschirmprungwoche ist. Und die Ansage, dass er dann alle vier Tage Fallschirm springen möchte war dann auch der Grund gewesen, weshalb wir uns vor der Prüfung so arg gestritten hatten. Er hat dann behauptet, ich hätte das ja wissen müssen, dass da diese Sprungwoche ist. Wirklich – ich kümmere mich ja sonst schon immer um alles, was diese Dienstpläne anbelangt und ich bin diejenige, die ihre Dienste ständig umschiebt, aber wenn es mir das nicht sagt, kann ich das wirklich nicht wissen. Ich kann mich nicht noch ständig darum kümmern zu wissen, wann seine privaten Termine sind. Und seitdem kämpfen wir mal wieder miteinander, wie viel Zeit er mir denn zugestehen kann. 



Ich glaube, meine Psychosomatik - Kollegen haben sich fast mehr gefreut als ich und es war sehr schön und wärmend zu hören, dass Menschen sehr stolz auf mich sind. Und ich sollte das wahrscheinlich auch sein

Samstag. 
Ich bin mit meiner Psychosomatik – Oberärztin unterwegs. Sie hat Dienst, kann deshalb sowieso nicht aus der Stadt raus und ich habe jetzt wieder Zeit. Wir hatten das schon vor Monaten mal so gemacht, dass wir erst lang am Fluss spazieren waren und anschließend noch einen Kaffee trinken waren. Und wer mich ein bisschen kennt weiß, dass das meine Traumvorstellung von einem Nachmittag ist. Tiefe Gespräche, Sonne auf der Haut und irgendwo zwischen Füßchen vertreten, den Geräuschen der Natur, vielen Worten zwischen Herz und Seele und einem Kaffee dazwischen. 
Und ich wünsche mir nicht zum ersten Mal, wir hätten uns irgendwo anders kennen gelernt und sie wäre nicht ausgerechnet meine Oberärztin. Sie bringt irgendwie diese Nachmittage zurück, die ich schon zu lange vermisse. 

Ich erzähle ihr erstmal in allen Einzelheiten von meiner Prüfung und dann berichtet sie, wie sie das erlebt hat in ihrem Fach. Und ich denke mir, dass die Psychosomatik – Prüfung irgendwann mal auf keinen Fall einfacher wird. Aber ich hoffe schon, dass ich da mit mehr Eigenmotivation dabei sein werde, vielleicht auch während des Berufes schon gewissenhafter auf Fortbildungen gehen werde und Bücher lesen werde. Ehrlich gesagt habe ich das auf der Neuro nämlich eher nicht gemacht und mich erst angefangen zu interessieren, als es dann eben sein musste, weil klar war, dass ich diesen Facharzt brauche, um mich zu befreien. 

„Der war teuer, dieser Facharzt“, sagt sie an irgendeiner Stelle. Ja, war er. Sehr teuer. Aber nie war eine Prüfung wichtiger. Und irgendwann fangen wir an zu sinnieren, was ich denn jetzt alles machen kann. Ich kann noch ein bisschen in der Neuro bleiben, ich könnte auch versuchen Oberärztin zu werden, wenn ich das wollte. Ich kann so bald wie möglich versuchen in die Psychosomatik am Standort zu wechseln, ich kann mir auch erstmal noch andere Kliniken anschauen. (Da fällt mir gerade ein: Ich könnte auch meinem ersten Oberarzt, der jetzt in einer anderen Stadt arbeitet nochmal schreiben und fragen, ob ich in seiner Klinik mal einen Tag hospitieren darf). Ich kann mir überlegen, ob ich überhaupt hier bleiben möchte, oder irgendwo anders hin ziehen möchte, mir das Leben nochmal irgendwo anders anschauen möchte.
Es gibt so viele Möglichkeiten und irgendwie ist es gar nicht so einfach, jetzt an dieser Stelle zu stehen. 

Ich erzähle davon, dass es ja auch ein bisschen von dem was um mich herum passiert abhängt, wo ich meinen Lebensmittelpunkt haben möchte. Eventuell zieht meine Schwester irgendwann hierher, aber sicher ist das nicht und stressen oder beeinflussen möchte ich meine Schwester und ihren Freund auch nicht – die sollen sich das für sich überlegen, was sie wollen. Aber es wäre blöd, wenn ich weg ziehe und sie dann her kommt. Ich weiß auch nicht, was mit dieser Beziehung weiter wird. Solange, wie ich hier noch einen Freund habe werde ich nicht weg ziehen, aber wenn wir uns trennen, sieht das ganz anders aus. 

Und überhaupt hängen Freund und Job auch ein wenig zusammen. Vielleicht ist Kardiochirurgie und Psychosomatik ein bisschen zu weit voneinander entfernt, um irgendwie zusammen zu passen. Ich glaube nämlich auch immer mehr, dass das nicht nur verschiedene Berufe, sondern auch verschiedene Persönlichkeiten sind, die da versuchen zurecht zu kommen. 
Die Oberärztin und ich reden ein wenig über die Beziehung. Sie braucht keine fünf Minuten um zu verstehen, dass die in einer massiven Schieflage hängt. „Was hält Sie da noch? Lieben Sie sich denn noch?“, fragt sie. „Ich glaube, es gibt noch eine Anziehung, aber das reicht wahrscheinlich auf Dauer nicht. Ich habe mir auch schon gedacht, dass ich mir jetzt nach dem Facharzt Gedanken machen muss“, sage ich. 

Und dann erklärt sie mir irgendwann, dass ich viel zu sehr im Außen hänge. „Sie haben so ein gutes Gespür für Ihre Bedürfnisse und für die ihrer Mitmenschen – und ihrer Patienten – und Sie schauen dann so viel auf ihr Umfeld. Wer braucht gerade was von denen? Dabei geht es doch darum, was Sie brauchen. Wenn Ihre Schwester dann ein halbes Jahr nachdem Sie weg sind hierher zieht, dann ist es so. Sie können Sie ja trotzdem besuchen. Oder wieder zurück kommen. Entscheidungen treffen wir ja immer nur für den Moment in der Situation, die gerade da ist. Und genauso ist es doch mit ihrem Freund. Da geht es auch darum: Was brauchen Sie von ihm? Und ist er bereit, darüber mit Ihnen zu reden, ist es möglich, dass sie sich da irgendwo treffen? Was ich so höre ist, dass Sie immer Diejenige sind, die da alles mögliche organisiert und er Derjenige, der sich da um nicht viel kümmert. Sie können das so machen – wenn es Sie nicht stört. Aber sobald da permanent Ihre Bedürfnisse torpediert werden und es nicht möglich ist, das in irgendeiner Form zu besprechen würde ich mir da eingehende Gedanken machen.“
Ich sitze eine Weile still neben ihr und denke nach. „Und auch mit den Job. Ich habe von Ihnen gehört: „Naja, ich kann ja nicht kurz nach der Facharztprüfung zum Chef gehen und dann aus der Abteilung gehen wollen.“ Sie sind denen nichts schuldig. Die Klinik muss Ihnen eine Ausbildung ermöglichen, dazu sind die verpflichtet, wenn Sie da arbeiten. Und dann sind Sie auch Niemandem etwas schuldig nach dem Facharzt. Sie haben Ihre Arbeitskraft gegeben und der Konzern die Ausbildung und jetzt müssen Sie nichts mehr machen. Am Ende fragt Sie nämlich auch niemand, wie es Ihnen da geht.“

Ich werde noch viel nachdenken an diesem Abend über die Worte und beschließen, dass ich wirklich anfangen muss, mehr an mich zu denken. Und ein bisschen stört es mich, dass ich mich heute schon wieder mit dem Kardiochirurgen gestritten habe. Wir hatten dann nämlich irgendwann vereinbart, dass er Samstag und Sonntag an seinem gebuchten Kurs teilnimmt und wir Montag und Dienstag etwas unternehmen. Jetzt war es aber so, dass er Samstag so platt nach seiner Nachtdienstwoche war, dass er nicht hingehen konnte. Das ist aber nicht mein Problem – das war einfach schlecht geplant. Er muss jetzt nicht denken, dass er den Tag quasi „wieder rein holen“ kann und die Zeit mit mir wieder abkürzt. Ich hätte ihn wahrscheinlich einfach lassen sollen und es still registrieren sollen. Am Ende muss er halt eine Prioritätensetzung festlegen und wenn ich darin nicht an einer der ersten Stellen komme, dann geht es eben nicht. 

Dann war es aber wirklich genug Input und wir haben noch ganz viel über Haustiere gesprochen und sie hat sehr viel von ihrem Pferd erzählt. Und um die Kunst – darum ging es auch noch ganz viel. Sie malt, ich schreibe. Wir haben beide künstlerische Ansprüche, auch wenn meine Texte in der letzten Zeit eher weniger gut waren. Naja – sie sieht das anders. 
Aber es ist so schön mal wieder mit jemandem zu sprechen, der die Tiefe zwischen den Zeilen findet, die Emotionen hinter den Farben, das sieht, das Töne berühren können. In der Medizin und in meinem Leben an sich war dafür in den letzten Monaten viel zu wenig Platz. Und es ist schön mal jemanden im echten Leben zu treffen, der die Texte liest und sie auf seine Art versteht. (Nein, sie hat die Blogadresse freilich nicht, aber ab und an teile ich ein bisschen Geschreibsel mit ihr). 

Und am Ende des Tages ist sie auch einfach ein großes Vorbild für mich. Sie zieht gerade ihre eigene Praxis auf, ist super glücklich damit und irgendwie denke ich mir, dass ich mir das eines Tages mit genug Erfahrung im Gepäck auch ganz gut vorstellen kann. Es ging dann noch lange um Vor- und Nachteile einer Praxis und ein Vorteil ist natürlich, dass man viel selbst gestalten kann, irgendwann mal die Dienste los ist, nicht mehr abhängig von Chefs ist, die Patienten länger begleiten kann. Der Nachteil ist, dass man mehr Verantwortung hat, weil der Patient ja nicht von einem mutiprofessionellen Team, wie das in der Klinik ist, betreut wird. Und natürlich ist der Austausch auch wesentlich geringer – das heißt bis dahin muss man einiges an Skills auf dem Kasten haben. 
Und irgendwie saß ich da und dachte mir, wie schön es ist Psychotherapie mal von dieser Seite aus betrachten zu können. Sich mittlerweile wirklich halbwegs realistisch überlegen zu können, was Lebensziele sind, die dann auch mal mir gehören. Auch noch irgendwo Patient in diesem System zu sein (Freitag fahre ich in die Studienstadt und treffe die alte Therapeutin – natürlich weiß die Oberärztin von dieser ganzen Geschichte auch nichts), aber eben nicht mehr nur. Mehr und mehr den Weg raus zu schaffen. Und die Selbsterfahrung kann ich sicher noch gut für mich nutzen.

Ein Nachteil ist auch, dass ich vermute, dass sie nicht mehr lange bleiben wird. Wenn die Praxis gut läuft, wird sie bestimmt nicht an der Klinik bleiben. Deshalb sehe ich es mittlerweile auch etwas entspannter mit den Grenzen zwischen uns. Und manchmal wünsche ich, wir könnten danach noch im Austausch bleiben. 


Mondkind


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drittes Staatsexamen - ein Erfahrungsbericht

Viertes Fach und ein paar Lerntipps

Über Absprachen