Neurologisches Polytrauma


Montagmorgen.
Ich habe Montage schon lange nicht mehr so gehasst.
Es stellt sich heraus, dass in der PJ – Riege heute schon wieder jemand fehlt. „Erkältung“, wie er in der whatsApp – Gruppe verkündete. Im Lauf des Vormittags wird sich aber heraus stellen, dass es einem anderen Kollegen auch nicht gut geht, der sich dann auch verabschiedet. Und die „Erkältung“ mehr ein Kater, als alles andere ist, nachdem gestern Abend wohl noch gefeiert wurde.
Ich habe da auch nichts gegen… - kann mal passieren; meistens bekommen wir die Arbeit auch mit einer oder sogar zwei Personen weniger irgendwie hin. Aber dann sollen sie sich bei mir nicht so anstellen, wenn ich mal ein oder zwei Stunden eher weg muss.

Der Stationsarzt möchte bis zur Frühbesprechung alle Patienten gesehen haben – am Besten auch noch die Außenlieger. Also heizen wir mit einem Affenzahn von Zimmer zu Zimmer. An der Belegung hat sich über das Wochenende nicht viel verändert.

Wir gelangen in das Zimmer mit der Parkinson – Patientin. „Diese Patientin wird innerhalb der nächsten zwei Stunden entlassen. Verband wechseln, einer muss den Brief schreiben und dann runter von der Station…“ Wir sehen ihn alle ein wenig verwirrt an. „Ich hatte gestern Dienst und war eigentlich nur mit ihr beschäftigt. Die hatte dann hyperkinetische Krisen und so alles – das ist ein neurologisches Polytrauma hier. Es waren dann im Laufe des Tages alle im Haus verfügbaren Neurologen hier und haben die Medikamente teilweise runter dosiert…“
Also war meine Einschätzung vom letzten Freitag wohl doch nicht so falsch. Aber schließlich sind PJler ja nur Idioten, auf die man auch nicht hören muss. Von Chirurgie habe ich tatsächlich ziemlich wenig Ahnung und da würde ich mich auch nicht trauen irgendetwas zu sagen, aber gerade wenn man weiß, dass ich in die Neuro möchte und da auch schon 16 Wochen PJ gemacht habe, könnte man es ja zumindest mal im Hinterkopf behalten, wenn die PJlerin etwas vorschlägt.
(Ich muss mich jetzt mal dringend belesen, wie man hyperkinetische Krisen behandelt. Bisher habe ich das immer nur für hypokinetische Krisen ziemlich sicher im Kopf).
Wie es jetzt mit der Patientin weiter geht, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass sie einen guten Neurologen hat. 



Am frühen Vormittag soll wieder einer der PJler in den OP. Da der Oberarzt, der die OP durchführt sehr umgänglich ist, entschließe ich mich hinzugehen. Das glättet vielleicht die Wogen ein wenig und ich spare mir einige Diskussionen auf der Station.
Blut abnehmen wird nämlich immer mehr zum Spießrutenlauf. Es gibt einige Patienten, die diskutieren jeden Tag. Dann gibt es Patienten, die einen Port haben und einen mit den Worten: „An meinen Armen wird nicht mehr gestochen – da lasse ich niemanden mehr ran“ begrüßen. Nachdem ich in der Kreisklinik erlebt habe, dass ein schwer rückläufiger Port nach einer Blutabnahme hinüber war, bin ich einer derjenigen die sagt, dass ich den Port nicht öfter nutze, als nötig. Zumal jede Manipulation auch das Risiko einer Portinfektion erhöht und Krebspatienten brauchen den halt – da ist es blöd, wenn man ihn ausbauen muss. Und ich steche ihn schon mal gar nicht für eine Blutabnahme überhaupt erst an. „Dann kümmert sich da nachher ein Kollege darum“, sage ich dann meist und verlasse das Zimmer. Irgendwie ist es mir immer unangenehm. Die Stationsärzte sind meist nicht begeistert. Und recht uneinheitlich in ihrem Tun. Einige nehmen das Blut dann wie selbstverständlich doch aus dem Port, bei anderen ist es das größte Vergehen.
Sollen sie alle mal machen… - ich mache nichts, was mir irgendwie unheimlich ist. Denn auch wenn man formal als PJler noch wenig Verantwortung hat – moralisch gesehen hat man sie immer.

Eine meiner Lieblingspatientinnen wurde heute entlassen. Es war eine meiner ersten OPs, bei der ich mit dabei war. Außerdem war sie auch noch recht jung und irgendwie ist da schon eine gegenseitige Sympathie über die letzten vier Wochen entstanden. Ich habe mich sehr für sie gefreut, dass sie endlich gehen kann, nachdem sie mir so oft erzählt hat, dass sie sich nach dem heimischen Sofa sehnt.
„Erhalten Sie sich Ihre fröhliche Art. Das hat wirklich immer gute Laune in das Zimmer gebracht“, sagte sie zu mir.

Irgendwie ein sehr erstaunliches Kommentar. Denn obwohl mir privat vieles um die Ohren fliegt und es mittlerweile so gut wie sicher ist, dass es doch nur ein Traum war, von einer neuen Heimat fern der alten Vergangenheit, möchte ich nicht, dass meine Patienten darunter leiden. Und es ist schön zu hören, dass man es – zumindest wohl bei einigen – noch geschafft hat, für ein kleines bisschen Licht im Tag zu sorgen.

Mondkind

P.S. Ja, ich weiß, die Bilder langweilen. Ich muss dringend mal neue machen - allerdings habe ich dazu kaum Zeit und landschaftlich gibt es hier auch wenig zu reißen... 

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