Gedanken und Erlebnisse der letzten Tage

Dienstagmorgen.
Zeit für unsere Kurvenvisite.
Ich klopfe an die Tür der Oberärztin und warte kurz, bis sie mir öffnet.
„Guten Morgen“, sage ich. Oder naja… - möglicherweise krächze ich es immer noch ein klein wenig.
Sie seufzt. „Ah Frau Mondkind – ich habe es doch geahnt. Sie sind zu früh hier. Sie hätten noch einen Tag zu Hause bleiben sollen.“
Schon komisch, so empfangen zu werden. Obwohl man es vielleicht hätte ahnen können in einer Psychosomatik. „Bleib noch zu Hause, in der Neuro hast Du dann wieder nur zwei Stunden um gesund zu werden“, hatte eine Kollegin gestern noch empfohlen. Ich musste lachen darüber, aber so falsch ist es nicht. Wir können uns alle an das Drama erinnern, als ich letzten Oktober zum ersten Mal einen Neuro – Dienst nicht machen konnte und es dann hieß: „Dann soll die Mondkind ein Mal einen Dienst machen und dann kann sie es nicht machen…“
 
***
Sonntagabend.
Wenn ich bleibe, dann wird es die dritte Nacht in Folge miteinander. Das ist mehr, als wir oft in einem Monat hinbekommen. Und dennoch wird mir fast schlecht, wenn ich an morgen denke.
Das mit uns, das ist ein ständiges Finden und Loslassen. Das ist ein ständiges: „So könnte Alltag aussehen, wenn wir ihn irgendwann mal hätten.“
Ich weiß, dass es aus irgendwelchen Gründen nicht geht, ich habe es akzeptiert, ich bemühe mich nicht mehr zu nörgeln wenn Dinge nicht klappen, aber der Schmerz dahinter bleibt. Die Distanz wird Gewohnheit, wenn wir uns wieder zwei oder drei Wochen kaum gesehen haben oder wenn, dann nur kurz am Abend, aber wenn wir uns dann mal kurz wieder ganz haben, dann schrumpft die in Windeseile zusammen und macht schon vor dem Gehen einer ganz großen Traurigkeit Platz.
Und dennoch – wenn ich ehrlich bin – wünsche ich mir immer noch nichts mehr, als dass unsere Tage irgendwann mal gemeinsam beginnen und enden. Wie in einer normalen Beziehung, die keine Fernbeziehung ist. Dass ich jeden Morgen weiß, wenn ich auf die Arbeit gehe, dass wir uns am Abend in die Arme nehmen können – außer Einer hat Dienst natürlich. Dass ein „Wir sehen uns heute Abend“ nicht heißt „Wir können es ja versuchen, aber wir wissen es nicht.“
Es gibt kaum etwas Schöneres, als nachts um kurz nach drei aufzuwachen, ihn neben mir atmen zu hören, leise zur Toilette und wieder zurück zu schleichen und beim Zurückkommen einen Arm auf meinem Rücken zu spüren, wenn ich mich wieder eingekuschelt habe – dann denke ich immer, er ist wach – aber irgendwie weiß er das scheinbar nicht in der Früh.

Ich wünsche mir, dass Dinge irgendwann mal nicht ein „entweder  - oder“ sind. Bei dem immer etwas fehlt. Ich mache schon wieder mehr, ich treffe mich wieder mehr mit Freunden, aber da bleibt immer eine Lücke. Bei den wichtigen Dingen. Es gibt nur Ronan – Keating – Konzert oder ihn. Als Beispiel. Es gibt nicht Beides und nicht, dass das immer so sein müsste, aber von Momenten – und da stehen Konzertmomente ganz oben – von denen ich mir wünsche, dass die wirklich mal perfekt sind, dass das Herz von Glück durchflutet ist, fehlt immer etwas.
Nun ist das dieses Mal eh schwer, weil ich eigentlich viel zu erschöpft für solche Aktionen bin, aber vorrangig nimmt dieses Konzert, der Besuch der kommen wird wieder etwas von den Momenten, die wir gemeinsam haben könnten in einer Zeit, in der es kaum Momente geben wird, weil die Arbeitspläne so eng sind. Und das ist immer die Sorge bei der Planung solcher Dinge. Vielleicht verpassen wir einen der raren Momente, der aber so wichtig wäre und vielleicht sogar wertvoller als ein Konzert wäre – einfach, weil es gerade mehr gebraucht ist.

Und manchmal ist das einfach schwer. Weil wir eigentlich nie wissen, wann wir uns wieder sehen, wenn wir uns verabschieden. Weil da zum wichtigsten Menschen so viel Distanz ist. Weil ich ihn gern so viel näher bei mir hätte, als er es zulassen kann und ich aber nichts tun kann, als das einfach so zu akzeptieren.
Und irgendwie sind die Tage nach den guten Tagen immer die Schwersten. Und die Urlaubsenden. Die sind noch schwerer.

Von der Wanderung mit der Freundin letztens... 

 

(Dem Kardiochirurgen habe ich den Text oben in personalisierter Form übrigens genau so geschickt und es interessiert ihn einfach Null. Hab ihn heute gefragt, ob wir drüber sprechen können... )

 
***
Es sind weniger als zwei Wochen bis zum Urlaub.
Die ersten beiden Tage ist er schon mal auf Fortbildung. Sprich, wir haben ein Wochenende, dann ist er zwei Tage nicht da und dann können wir weiter machen mit Urlaub. Und das Wochenende über möchte er vielleicht zum Fallschirmspringen gehen. Ich werde in diesen beiden tagen tatsächlich meine Oma besuchen – das hatten wir ja seit Mai vor uns nochmal länger zu sehen.
Was der Kardiochirurg und ich aber überhaupt in diesem Urlaub machen, wissen wir noch gar nicht. Eigentlich wollten wir das am Wochenende planen (nicht, dass wir mal irgendwie zeitgerecht angefangen hätten darüber nachzudenken), aber weil ich krank war, ging das dann auch nicht. Ich habe ein bisschen die Sorge, dass das dann wieder auf ein „naja vielleicht können wir noch drei Tage weg fahren“ hinaus läuft und ich mich den Rest der Zeit selbst beschäftigen muss, weil er irgendwo anders herum turnt. Ich würde es halt nur gern vorher wissen. Denn dann könnte ich planen die Freunde in der Studienstadt zu besuchen oder irgendetwas in der Art.

Mondkind

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