Unter dem Radar

Unter dem Radar.
Für das Außen. Und so oft auch für mich.
So lange gewünscht, dass es anders wäre.
Und gleichzeitig scheint ein Vereinen dessen was darunter läuft mit dem, was darüber läuft irgendwie nicht möglich.
 
Manchmal denke ich, vielleicht müsste ich woanders hin.
Nach Berlin oder so.
Irgendwo neu anfangen, wo es diese Parallelwelten nicht gab und gibt.
Und dann erinnere ich mich, dass ich die Idee schon mal hatte und das offensichtlich auch nichts gebracht hat.
Weil es nicht um Orte geht.
 
Schon letztes Jahr Ende Oktober – da war ich gerade einen Monat in der Psychosomatik – habe ich geahnt, wo das enden könnte.
 
Was passiert, wenn das nach so vielen Jahren nicht mehr haltbar ist?
Diese Außenwirkung.
Das, was für andere, ein perfektes Leben ist. Aber es nie für mich selbst war.
Medizin studieren heißt für das Außen, eine „richtige Ärztin“ zu sein. Da ist die Neuro schon grenzwertig, aber akzeptiert gewesen. Besser wäre, „so richtig Leben zu retten.“ Immer auf der Arbeit zu sein. Immer bei den anderen zu sein. Hinter dem Helfen als Person zu verschwinden. So, wie ich das auch lange getan habe.
Medizin studieren heißt nicht, Seelen zu retten. Sich in zwischenmenschlichen Abgründen herum zu treiben. In dem, das nicht sichtbar ist. Nicht sichtbar sein darf.
Wann habe ich das so unkritisch übernommen? Dass es sich heute so falsch anfühlt, sich für die Psychosomatik zu entscheiden, obwohl ich weiß, dass mein 18 – jähriges Ich das gefeiert hätte. Und es heute nicht deswegen nicht tut, weil ich etwas gefunden habe, das alternativ besser zu mir passt. Sondern es nicht tut, weil es Angst vor sich selbst bekommen hat. So zu sein, wie ich damals war.
 
Außenwirkung.
Diese Außenwirkung heißt auch, einen kaum schaffbaren Spagat zwischen erfolgreicher Ärztin und Familie. Man hätte ja schon gern Enkel. Aber nicht so gern von Jemanden, der krank ist und bisher in seinem Leben wenig auf die Reihe bekommen hat.
Man wusste, da flog etwas unter dem Radar. Eine Beziehung, die dort nicht sein durfte. Die geahnt, aber nicht gewusst wurde.
Sein Tod war ein Aufatmen für das Außen.
Und ein Verstecken, ein Verleugnen, denn es passt nicht ins Bild, dass Jemand mit gerade 27 den Partner verliert.
Da könnte sich etwas bewegen, das sich nicht bewegen soll.
 
Ich hab da selten hingeschaut. Unter das Radar. Nur, wenn es nicht mehr anders ging. Wenn mir mal wieder alles um die Ohren geflogen ist.
„Vielleicht hast Du instinktiv gespürt, dass Deine Oberärztin das gerade halten kann“, hat ein Kumpel gesagt.
Vielleicht.
 
Langsam kann ich nicht mehr weg schauen. Von dem Menschen, der unter dem Radar fliegt.
Denn gerade geht es um viel. 


Eine Freundin und ich waren wandern letztens...



***

Ratet, wer schon wieder krank ist…? Mit allem, was so dazu gehört… am einzigen freien Wochenende im ganzen Monat und bis zum nächsten Urlaub. Ich werde mich gut ausruhen und hoffentlich am Montag zumindest wieder arbeiten können. Von der Neuro fangen wir mal gar nicht erst an…


Mondkind


Kommentare

  1. Ich kann viele Dinge nachvollziehen, die du in deinem Blog beschreibst, da ich selbst u.a. Depressionen habe und bald meine erste Stelle nach dem M3 beginnen werde. Das Aufrechterhalten einer Maske, bis nichts mehr geht... Mir hat ein Psychiater bei einem stationären Aufenthalt mal gesagt ich müsste mich jetzt mal entscheiden Ärztin zu sein oder eben Psychiatrie-Patientin. Als würde das eine das andere ausschließen. Ich hoffe du schaffst es auf das zu hören, was die Mondkind in dir eigentlich gerne täte. Denn Seelen retten und Menschen sehen ist nicht weniger Wert als einen Pneu zu punktieren. Ich denke deine eigene Geschichte ist neben der Belastung, die sie für dich darstellt, auch eine Ressource PatientInnen zu verstehen, wie es wenige können. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Kraft.

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    1. Hey,
      Danke für Dein liebes Kommentar erstmal.
      Tatsächlich habe ich mir das am Anfang meines Psychosomatik – Jahres auch gedacht. Beides geht irgendwie nicht. Ich glaube, ich habe mich dann fürs Ärztin sein entschieden.
      Tatsächlich – das ist mir die letzten Tage mal durch den Kopf gegangen – gab es selten Jahre mit so wenig Eskalationen und so wenig Suizidalität. Was mich natürlich schon ziemlich gerissen hat, war der Juni, als der Kardiochirurg und ich mal kurzfristig getrennt waren, aber ich glaube so zwischenmenschliche Dinger werden immer ein Thema bleiben. Aber ansonsten... Klar – im Juli kam irgendwie die Geschichte mit dem verstorbenen Freund nochmal hoch, aber in einem konstruktiveren Ausmaß, als ich das sonst von mir kenne. Und klar – dass diese Umbruchszeit jetzt nicht leicht wird, war auch vorhersehbar.
      Ich glaube halt auch, ich habe ein bisschen gelernt, wo die Grenzen von stationären Aufenthalten und Therapie so liegen. Und die sind wesentlich unter dem, das ich da so „erwartet“ habe, wenn man das so nennen kann. Am Ende des Tages löst eh niemand die Probleme für uns, also können wir es auch gleich selbst machen. Ich glaube, das war zumindest bei mir so, dass ich mir jahrelang dachte, irgendwann müsste doch mal wer „die Lösung“ haben. Und wahrscheinlich gibt es die nicht mal. Wie wir mit dem Päckchen umgehen, das wir zu tragen haben, können wir nur selbst wissen und entscheiden. Und ich bin immer dankbar für alle Impulse, die dabei so einfliegen, aber die aufzunehmen, anzunehmen und ggf. zu integrieren und umzusetzen, das wird immer die eigene Aufgabe bleiben.
      Ich wäre mal sehr gespannt, wie das in dem halben Jahr Neuro wird. Ob es da nochmal signifikant dekompensieren wird, oder ob ich da vielleicht einfach mehr Grundstabilität gefunden habe. Was nicht immer heißt, dass alles gut ist, aber zumindest auf lange Sicht händelbar bleibt. Ich hatte gerade kürzlich noch die Diskussion mit einer Freundin, dass die Neuro vielleicht nie das Hauptproblem an sich war, aber im Gesamten doch so viele Kapazitäten gefressen hat, dass dann halt schnell alles zusammen gestürzt ist, wenn es noch irgendwo anders ein Problem gab.

      Mondkind

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