Entwicklungen

Ob das hier alles wirklich funktioniert, weiß ich nicht.
Mit dem Kardiochirurgen.
Die ersten drei Tage, an denen wir beide arbeiten waren, war es ja okay – aber danach auch schon wieder nicht mehr. Wobei – er ist immerhin einfach eingeschlafen, als wir verabredet waren, kam dann aber um 23 Uhr noch. Was er eigentlich auch nicht hätte machen müssen, das habe ich ihm auch gesagt, weil auch klar war, wie wir am nächsten Tag aus der Wäsche schauen würden.

Donnerstag
Früh hole ich noch flott seine Herzen ab. Ich überlege mir schon, ob ich es wirklich nochmal schaffe zu ihm zu fahren und die in den Kühlschrank zu schmeißen – wenn ich sie allerdings mit auf die Arbeit nehmen würde, müsste ich sie dort in den Kühlschrank legen und wenn irgendeiner von den Kollegen Schweineherzen im Kühlschrank findet – na ich weiß nicht. Aber ich habe ich auch so ein doofes Gefühl. Wenn ich eine Nacht bei ihm war, ist das meistens so ein Knockout für die nächsten Tage. So ein „Mondkind sei bitte zufrieden jetzt.“ Wenn ich die Herzen mitnehmen würde, dann müsste er zu mir. Aber ich beeile mich dann und fahre nochmal schnell zu ihm.

 
Donnerstagabend.
Ich habe ihm gesagt, er soll mir sagen wenn er fertig ist, dann mache ich uns schon mal etwas zu essen. Er sagt dann zwar auch Bescheid, berichtet aber, dass er noch zum Sport gehen wolle. Dabei muss er morgen erst mittags auf der Arbeit sein und hat darüber hinaus Dienst – es ist also klar, dass wir uns bis Samstag nicht mehr sehen und er könnte morgen früh Sport machen. „Ich habe sonst das Gefühl, mein Leben besteht nur aus Arbeiten und zu Hause sein“, ist die Begründung. Ach ja – und ich zähle wohl gar nicht oder wie? Ich sage ihm, dass er dann eben hinterher noch kurz vorbei kommen soll, immerhin kann er dann ja morgen ausschlafen. Letzteres sage ich nicht – das denke ich mir nur. Er meint, er meldet sich auf jeden Fall noch. Und was passiert natürlich? Er meldet sich nicht. Auch, als ich noch mal höflich nachfrage, liest er die whatsApp einfach nicht, obwohl ich mir recht sicher bin, dass er sie gesehen hat. Und natürlich – wir wissen ja wie es mir geht mit nicht gelesenen whatsApps seitdem der Freund gestorben ist – entsteht in mir wieder eine innerliche Unruhe. Es kann ja auch mal was passieren. Also lege ich das Handy auf laut neben mein Bett und bemerke bis 2 Uhr in der Nacht alle whatsApps von den Menschen, die das Bedürfnis haben mir mitten in der Nacht zu schreiben und dann falle ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf. Am Morgen sage ich ihm dann, er soll sich halt mal kurz melden vor dem Dienst – meist habe ich ja morgens zwischen den Gruppen kurz Zeit, weil ich ihn eigentlich noch etwas fragen möchte. Natürlich schreibt er erst kurz nach 12, dass er jetzt auf der Arbeit ist. Ich würde mal sagen – erfolgreich jeder Konversation aus dem Weg gegangen.

Am Abend geht es dann gleich weiter – da meldet er sich wirklich kurz. Aber eigentlich auch nur um zu sagen, dass er jetzt wirklich morgen mal nach dem Dienst seinen Papierstapel abarbeiten muss und ich mir keine großen Hoffnungen machen soll. Von diesem Papierstapel redet er übrigens seit Wochen – ich glaube kaum, dass der ausgerechnet an einem Samstag abgearbeitet werden muss, wenn es die letzten vier Wochen offensichtlich auch Keinen interessiert hat. Darüber hinaus habe ich ja Sonntag ohnehin auch Dienst – er kann also auch alles noch Sonntag machen, damit wir mal irgendwie einen Tag Zeit verbringen können. Aber wahrscheinlich ist das schon wieder nur mein Interesse.

Ich weiß es wirklich nicht. Natürlich muss ich mich jetzt etwas zusammen reißen – nach der letzten Krise muss man ihn wahrscheinlich erstmal behandeln, wie ein rohes Ei. Und dennoch spüre ich schon wieder so viel Wut in mir. Wir haben doch nun nicht viel Zeit miteinander. Eigentlich sind wir auch komplett überfordert, wenn wir mal Zeit haben - dann wissen wir nie, was wir machen sollen und meist sind es ja dann auch nur 2 - 3 Stunden; da kommt man so ganz knapp in die umliegenden Berge. Meistens sehen wir uns ja nur kurz zum Essen. Das wird sich auch die nächsten zwei Wochen nicht ändern. Nächste Woche hat fast jeden Tag einer von uns entweder Dienst oder dienstfrei – jedenfalls so, dass es nur einen Tag gibt, an dem wir mal ungefähr zur selben Uhrzeit aufstehen müssen und einer von uns ist eben ständig abends nicht da. Er kümmert sich ja auch nach wie vor nicht um den Dienstplan und darum, dass da vielleicht mal irgendetwas passt. Und die Woche danach hat er Nachtdienst – da braucht er die 16 Stunden dazwischen ja immer um ausschließlich im Bett zu liegen – auch wenn ich mich wirklich frage, was er da macht, aber es ist eben so – diese Wochen sind abgeschrieben.
Es stört mich halt wirklich, dass die wenige Zeit, die wir gemeinsam frei haben – und die Zeiträume kennt er ja auch, er ist ja nicht dumm; da muss ich ihn ja nicht drauf hinweisen – immer für andere Dinge gebraucht wird. Um Orga – Scheiß auf der Arbeit zu machen, was man auch immer wann anders machen könnte, um  Freunde zu besuchen, um zu den Eltern zu fahren. Es wird sich wahrscheinlich nicht ändern, dass ich immer erst dann komme, wenn absolut nichts mehr zu tun ist und das stört mich schon massiv.
Ich will nicht überall immer eine Option sein – das bin ich schon beim Rest meiner Familie.

Ich befürchte, ich muss mich arg zusammen reißen, wenn wir uns dann vielleicht heute am Abend mal kurz sehen, um keine Spitzen einzubringen. Selbst das ist ja schon zu viel aktuell.

Ein bisschen beneide ich nach wie vor meine Schwester. Die fahren ständig 600 Kilometer hin und her, um sich ein paar Tage zu sehen, sehen sich aber in der Gesamtschau sogar öfter als der Kardiochirurg und ich. Viel öfter. Mindestens drei Mal so viel. Die können sich glaube ich wirklich sicher sein, dass der jeweils Andere es ernst meint. Jetzt fahren sie heute erstmal gemeinsam in den Urlaub. 


Erinnerungen an den letzten Urlaub. Vielleicht die besten Erinnerungen, die wir irgendwann mal an unser Zusammensein haben werden?



Ich glaube, das hängt mir auch immer noch nach. Dieser Urlaub. Wir hätten den so, so dringend gebraucht. Um ein bisschen dieses ständige Fehlen auszugleichen. Um uns eben mal häufiger, als nur zum Essen zu sehen. Und das nehme ich ihm auch nach wie vor sehr übel, dass er uns um diese lang ersehnte Zeit gebracht hat – in den zwei Urlaubswochen haben wir uns ja auch nur ganz sporadisch gesehen.

Ob das mit dem nächsten Urlaub nämlich so statt finden kann, ist noch gar nicht klar.
So ein Theater hätte ich auf der Psychosomatik jetzt nicht unbedingt erwartet, aber wahrscheinlich ist es am Ende doch überall dasselbe.
Ich bin – von Heute auf Morgen – mal wieder in eine andere Sektion gesteckt worden. Das ist eine neue Oberärztin, die genau an dem Tag kam, als mir meine Gruppe um die Ohren geflogen ist. Das war natürlich ein brillanter Einstieg, auch wenn dann irgendwann klar geworden ist, dass meine Gruppe im Moment so strukturschwach ist, dass es nur einen Querschläger braucht, der die ganze Gruppe da gut mitziehen kann, ohne dass irgendwer das mal reflektieren würde. Und wenn man da aufgrund allgemeiner Lebens- und Therapieunzufriedenheit einen Sündenbock braucht, ist das dann halt schnell mal der Therapeut. Nachdem sie dann aber dieselbe Nummer mit der Oberärztin abgezogen haben und sich ihrer eigenen Aggressionen da offensichtlich gar nicht bewusst waren, bin ich sowohl in der Gruppe, als auch bei den Vorgesetzten etwas aus der Schusslinie geraten.
Aber es hätte eine schönere Einstiegswoche in der neuen Sektion sein können.

Im Moment haben wir eine Mini – Sektion bestehend aus der neuen Oberärztin, einem Funktionsoberarzt, der eine andere Gruppe leitet und mir und meiner Gruppe. Der Funktionsoberarzt ist auch sehr nett, das muss ich schon sagen. Wir haben uns gestern Nachmittag getroffen und er hat mir noch einige Ideen für die körperbezogenen Therapien mitgegeben und meinte, ich darf mich immer melden und immer fragen. Das finde ich schon mal sehr gut. Auch die neue Oberärztin wirkt erstmal zumindest nicht unfreundlich. Jetzt ist sie ja auch noch neu und vorsichtig – ich nehme schon an, dass wir sie in den nächsten Wochen sicher auch noch differenzierter kennen lernen werden, aber ich denke es wird gehen.
Aber mit dem Urlaub... Der Funktionsoberarzt und ich haben nämlich beide die vierte Juliwoche frei. Ich wollte ja eigentlich mit dem Kardiochirurgen in Richtung meiner Schwester fahren, aber wenn wir die Woche jetzt teilen müssen oder so (wobei die Höhergestellten halt schon meist das Vorrecht bekommen und ich dummerweise noch zwei Arbeitszeitverkürzungstage da rein geplant habe, die man auch schneller streichen kann), lohnt sich das natürlich nicht. Man ist ja doch den ganzen Tag auf der Straße, bis man dort ist. (Also zumindest, wenn ich fahre). Und wenn wir hier bleiben, glaube ich nicht, dass der Urlaub anders wird, als der Letzte. Er wird irgendwo herum springen und ich werde warten, dass er sich dazu herab lässt, einem Treffen zuzustimmen.

Naja – immerhin scheint heute die Sonne und ich kann auf dem Balkon arbeiten. Das ist vielleicht der einzige Trost.

Mondkind


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