Gedanken vom Ende des Urlaubs

Sonntag.
Letzter freier Tag.
Für die nächsten drei Wochen.
Das wird wieder eine Herausforderung. Nicht nur für den Job. Auch für uns. Nachdem wir uns schon quasi ab Mitte der Woche kaum noch gesehen haben. Und wir hatten immerhin Urlaub. Verstehen kann ich das nicht, hinterfragen soll ich das aber wohl auch nicht mehr – wir haben gesehen wo es endet, wenn ich das zu aggressiv tue. Ein Blick auf den Dienstplan verrät, dass das im Lauf der Woche auch nicht viel besser werden wird. Zumindest bis Ende des Monats gehen uns schon mal mindestens zwei Abende flöten – ob ich wissen möchte was danach kommt, weiß ich nicht. Ich vermute mal, kein Wochenende für uns im August; drei davon muss ja alleine ich arbeiten. Und dass wir das Vierte gemeinsam frei haben, ist mutmaßlich unwahrscheinlich.
***

Mit dem Auto nach Italien fahren.
War immer so der Traum.
Den wir nicht mehr erleben durften.
Gemeinsam am Meer sein, gemeinsam abends auf einer Mauer sitzen, den Wellen lauschen auf der einen Seite, der Stadt auf der anderen Seite.

Langeoog ist halt nicht Italien.
Aber es kam schon nah dran.
Mit dem Handtuch über den Schultern, dem Salz in den Haaren und dem Meerwasser auf der Haut im Sand zu stehen und raus aufs Meer zu schauen, hatte schon etwas sehr Magisches. Und ich meine das schon sehr ernst, wenn ich sage, dass es eine lange Zeit  gab, in der ich nicht wusste, ob ich das nochmal erleben kann.
Und gleichzeitig bleiben diese Momente ein bisschen ambivalent. Nicht ganz greifbar. Als würden sie immer ein Stück zurück weichen, wenn man sie versucht, ganz zu nehmen. Ein bisschen im Nebel, ein bisschen abstrakt, als könnte das zu viel sein, das wirklich ganz und für immer bei sich zu tragen.
Und vielleicht werden solche Momente auch immer ein bisschen Schmerz in sich tragen. Und vielleicht ist das okay. Sie werden mich vielleicht immer an eine pirouettentanzende Mondkind erinnern, die irgendwann mal geglaubt hat, wenn wir erwachsen sind, steht uns die Welt offen und wir haben so viel Zeit, bevor es zu Ende geht. Die heute so viel ängstlicher, so viel ernster ist, die heute immer glaubt, vielleicht muss man einen ganz tiefen Atemzug nehmen, bevor man sich von den guten Momenten abwendet, weil die vielleicht nicht mehr wieder kommen. 




***

Ein bisschen Respekt vor nächster Woche habe ich doch. Es hat ja doch mit einem ziemlich großen Knall geendet vor dem Urlaub.
Ich weiß gar nicht, was ich mir da wünsche. Auch das ist sehr ambivalent. Seitdem der Freund gestorben ist, ist Vieles nicht mehr teilbar. Als hätte man einen Teil der Seele weg sperren müssen, weil er nicht mehr kompatibel mit der Gesellschaft ist. Und trotzdem klopft es täglich von innen an die Tür.
Jemanden dort hinschauen zu lassen – gerade so unfreiwillig – führt immer zu einem seltsamen Flattern im Herzen. Zu einer großen Angst, dass vielleicht doch wieder Jemand so abwertend damit umgeht, wie ich es oft erlebt habe, bevor ich aufgehört habe, darüber zu sprechen. Und zu einer großen Hoffnung, dass es vielleicht doch ein Mal anders wird. Dass es zumindest für die nächsten zwei Monate einen Platz gibt, an dem das alles mal sein kann. An dem nicht ständig gesprochen werden muss, aber an dem dann vielleicht doch ab und an mal klar ist was los ist, ohne dass ich alles ewig erklären muss.
Und dann steht da noch die bewegende Erfahrung im Raum, einfach mal gesehen zu werden. Angenommen zu werden eben mit dem, was passiert ist. Zu spüren, dass jemand gerade mit mir Puzzle – Teile sortiert, in diesem gefühlt 10.000 – Teile Puzzle vielleicht wieder ein Teil gefunden zu haben, das an ein anderes passt. Der Vorteil ist ja schon, dass sie solche Geschichten nicht zum ersten Mal hört. Da nicht nur mit einer gewissen Empathie, sondern auch mit Fachkompetenz dran gehen kann.
„Ich bin froh, dass Sie erzählt haben, wie es Ihnen geht und es gibt überhaupt keinen Grund sich zu entschuldigen“, hat sie mir am nächsten Tag im Dienstfrei nochmal geschrieben und ich hoffe, dass sie jedes Wort davon so meint.

Auf der einen Seite wünsche ich mir schon, dass sie mir noch ab und an einen Rahmen für dieses Thema geben kann. Auf der anderen Seite befürchte ich, dass uns das nur in Schwierigkeiten bringen wird und glaube, dass es besser wäre, wir würden nie mehr drüber reden.
Auf jeden Fall ist das immer komisch, Menschen wieder gegenüber zu treten, die einen ein Mal so ganz gesehen haben.

Mondkind

Kommentare

  1. Den letzten Satz fühle ich SO SEHR...Ich wünsche Dir, dass du die Erfahrung machen darfst, dass es keinen Unterschied macht bevor du dich ihr geöffnet hast & nachdem...Dass sie nach wie vor eine gute Therapeutin in Dir sieht, was du mit Sicherheit bist....Ich wünsche dir viel Glück, eine solche oder noch bessere Erfahrung machen zu dürfen. Und den ein oder anderen Raum für Dich & Deine Seele inmitten des Arbeitsalltages!

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    1. Danke Dir. Es ist wirklich sehr verrückt, schräg und komisch gerade, aber in gleicher Weise auch irgendwie sehr tragend.

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