Reisetagebuch Ostfriesland

Und schon sitzt man wieder in den heimischen vier Wänden.
Die letzten vier Tage waren wild – ich habe es nicht mal geschafft meine Tasche auszupacken – geschweige denn, dass ich irgendein Wort geschrieben hätte.

Samstag.
Wie sich am Ende heraus gestellt hat, war der Kardiochirurg während des Packens eingeschlafen. Dementsprechend war die Stimmung rund um die Abfahrt ziemlich schlecht. Er hat mir vorgeworfen, dass ich ihn nicht geweckt habe und ich habe ihm erklärt, dass er kein Kind mehr ist und ich nicht ständig hinter ihm her sein kann.
Auf der Hinfahrt hat er mir erstmal zwei Stunden über die vergangene Nachtdienstwoche berichtet, reflektiert und sich im Rahmen dessen etwas abgeregt. Und ich habe mich bemüht zuzuhören und interessierte Rückfragen zu stellen und tatsächlich hat das auch verhindert, dass ich selbst zu müde geworden bin. Wir sind auch darauf zu sprechen gekommen, dass meine letzte Woche auch nicht ganz einfach war und er meinte, dass ich dann halt demnächst einfach bei ihm vor der Tür stehen soll, wenn es mir nicht gut geht und ich ihn brauche. Ob das so funktionieren wird? Aber wir haben uns dann beide etwas beruhigt und kamen recht friedlich im Norden an.
Lustig war übrigens, dass unsere Ferienwohnung praktisch gegenüber von der Wohnung meiner Schwester war. In weniger als einer Minute waren wir beim jeweils anderen.
Es hatte irgendwie ein Flair längst vergangener Zeiten so nah beim anderen zu sein. Sich einfach so besuchen zu können.

Hinsichtlich des Konzertes haben wir wirklich eine Punktlandung hingelegt. Den Kardiochirurgen habe ich in der Ferienwohnung abgesetzt und dann bin ich noch eine halbe Stunde weiter bis zur Konzertlocation gedüst. Als ich ankam lief der Einlass schon eine halbe Stunde, aber es war nicht schlimm – ich habe trotzdem noch einen Platz recht weit vorne bekommen.
Das Konzert war ungefähr genauso, wie das in Dresden. Auch die Anmoderation der Songs kannte ich schon, aber es hat der Sache keinen Abbruch getan. Zwar hatte ich auch hier – wie dann auch den ganzen Urlaub hindurch –das Gefühl, dass ich derzeit so gestresst bin, dass es mir schwer fällt wirklich mal im Moment zu bleiben und den Kopf einfach auszuschalten, aber zwischendurch ging es doch und da war diese alte Konzertmagie wieder. Und gerade bei den Lieblingsstellen der Songs die Augen schließen und einfach das Beben im Körper zu spüren, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Bei genauerer Betrachtung war es auch gar nicht so schlimm, dass Niemand mitgekommen ist. So konnte ich tun und lassen was ich wollte, mir nach dem Konzert noch ein T – shirt kaufen (endlich!) und mich zwei Stunden in die Schlange stellen, um ein Autogramm zu bekommen und ein kleines Pläuschchen mit Florian Künstler zu halten. Ich habe ihm erzählt, dass er der erste Künstler ist, bei dem ich in einem Jahr auf zwei Konzerten bin, dass ich auch in Dresden war und dann ich seine Songs demnächst auf der Arbeit nutze. Wir haben dann kurz über die Psychsomatik geredet und das nächste Mal erstatte ich ihm dann Bericht, haben wir uns geeinigt.
Ich war erst kurz vor Mitternacht auf dem Weg zurück zur Ferienwohnung, bin dann noch kurz bei meiner Schwester rein gehüpft, habe ihr auch ein personalisiertes Autogramm vorbei gebracht – sie hatte gebeten, dass ich für sie auch eines mitbringe – habe im Gegenzug das Care – Paket abgeholt, weil wir am Sonntag ja nichts würden einkaufen können und dann bin ich rüber in unsere Ferienwohnung gedüst. 


Richtiges Fangirl geworden :)


Sonntag
Der vage Plan war es gewesen, nach Langeoog zu fahren, deshalb hat der Wecker schon sehr früh geklingelt, aber der Wetterbericht am Morgen sah leider nicht so gut aus wie am Abend davor. Zwar sollte es recht warm werden, aber regnen.
Also haben wir uns entschieden, nochmal in eine nahe gelegene Stadt mit einem großen See zu fahren – hier sollte es erst am Nachmittag regnen und dann würden wir uns vom See in die Stadt verziehen können; soweit der Plan.
Der See hat auch drei ausgewiesene Badebuchten und ich wollte unbedingt baden gehen. Also haben wir auch die Badesachen hinein geschmissen.
Am See angekommen hat sich aber heraus gestellt, dass die Badebuchten eher die Dimension eines Planschbeckens haben und das Wasser auch nicht besonders einladend aussah. Also sind wir erstmal ein Stück um den See gelaufen, ehe wir uns dann ein Boot ausgeliehen haben und eine Stunde über den See geschippert sind. Wir kamen genau zum richtigen Zeitpunkt zurück – da hatte der Wind schon ordentlich aufgedreht und es waren dunkle Wolken aufgezogen.
In der Stadt sind wir dann durch ein paar Läden geschlendert (ich habe endlich crazy socks gefunden und meiner Schwester auch gleich welche mitgebracht :) ), haben ein Eis gegessen und haben uns danach noch ein paar historische Gebäude angeschaut – unter anderem eine alte Mühle.
Danach war es auch schon wieder Zeit zurück zu fahren und aus einem kurzen Ausruhen auf dem Bett wurde ein zweistündiges Schläfchen. Wir waren beide müde nach der Woche. Und da wir dann keine Lust mehr hatten zum Kochen, sind wir einfach in die Stadt noch kurz etwas essen gegangen. Auf dem Rückweg sind wir an einem Möbelhaus vorbei gekommen, in dem es ganz viele Holzmöbel gab. Im Schaufenster war auch eine Ente zu sehen, die ich sehr hübsch fand. „Vielleicht kaufe ich Dir eine“, hat der Kardiochirurg gesagt, ohne dass ich das erstmal weiter kommentiert hätte.






Montag.
Wieder hat der Wecker früh geklingelt, denn heute wollten wir wirklich auf die Insel. Meine Schwester hatte noch ermahnt, dass die immer anderthalb Stunden bis zur Fähre planen, auch wenn das Navi eine knappe Stunde veranschlagt. Und das war auch ziemlich richtig. Autobahnen sind da oben im Norden wohl irgendwann knapp und das Navi hat uns die krassesten Feldwege entlang gescheucht. Es waren wirklich Feldwege. Eher so für Traktoren oder so, aber sicher nicht gut geeignet für Möhrchen.
Dennoch kamen wir dann sieben Minuten vor geplanten Ablegen der Fähre an, aber gerade als wir ausgestiegen waren, haben wir schon die Durchsage gehört, dass die Fähre ausgebucht ist und es eine Sonderfähre eine Stunde später gibt. Planmäßig wäre die nächste Fähre nämlich erst zwei Stunden später gefahren. Wir haben die Zeit genutzt und sind noch ein wenig durch das Hafengelände spazieren gegangen. Womit wir auch nicht so ganz gerechnet hatten war, dass der Wind am Morgen so dermaßen kalt ist. Zum Glück habe ich immer ein ganzes Jacken – Arsenal auf der Rückbank liegen. Ich selbst habe zwei Strickjacken angezogen und meine normale Outdoor – Jacke gegen meine Wind- und Regenjacke getauscht, der Kardiochirurg hat auch noch meine dickste Fleece – Jacke unter seine Jacke bekommen und damit war es dann nicht mehr kalt. Der Kardiochirurg meinte, wir könnten jetzt erstmal die Badesachen aus dem Rucksack auspacken, aber ich habe darauf bestanden, dass er die mitnimmt. Das hier würde quasi unser Sommerurlaub sein und ich wollte unbedingt baden – auch wenn ich ebenfalls nicht wusste, wie das etwas werden sollte.
Anschließend hatten wir dann einen guten Platz auf dem offenen Deck auf der Fähre und sind dann bei ziemlich kalten Wind hinüber auf Langeoog geschippert.
Nachdem die Inselbahn uns im Stadtzentrum von Langeoog abgesetzt hatte, sind wir erstmal durch die Stadt gelaufen, vorbei am Wasserturm und in Richtung Meer. Es war eher ein zaghaftes Abstreifen der Schuhe von den Füßen und ehrlich gesagt sind wir dann auch eher oberhalb des Wassers gelaufen, weil es einfach zu kalt war. Nach einiger Zeit sind wir erstmal in Richtung der Dünen gegangen, wo es im Schutz des Windes schon angenehmer war. „Wir müssen anfangen die Jacken nach und nach auszuziehen, sonst wird das nichts“, hat der Kardiochirurg ermahnt und wir haben zumindest schon mal eine der drei Jacken in unseren Rucksack gepackt. Zu Mittag waren wir in einem Imbiss und hatten uns überlegt, dass wir danach die Dünen in die andere Richtung gehen und dann zwei Stunden über die Insel zurück in Richtung Fähre laufen und uns die Inselbahn sparen. Während wir gegessen hatten, hatte der Wind allerdings signifikant abgenommen. „Ich gehe ins Wasser“, habe ich postuliert, sobald das Meer wieder in Sichtweite war, obwohl ich selbst nicht genau wusste, ob das jetzt eine gute Idee ist. „Ich hindere Dich nicht“, hat der Kardiochirurg erwidert und mir meinen Bikini in die Hand gedrückt. Nachdem ich allerdings umgezogen vor ihm stand, hat er es sich auch nochmal überlegt, seine Badehose angezogen und dann ging es los. Und selbst wenn man sich das am Anfang nur so halb vornimmt, wirklich mit dem ganzen Kerlchen im Wasser zu verschwinden – die Wellen sind so hoch, dass sie einen schneller nass machen, als man „Huch“ sagen kann. Also waren wir wenige Minuten später sowieso bis zu den Haarspitzen nass und dann bin ich zum ersten Mal seit Jahren im Meer geschwommen. Das ist gar nicht in Worte zu fassen, was das für ein wunderbares Gefühl ist, mit dem ganzen Körper unterzutauchen und sich bewusst zu machen, dass jede Faser gerade von Meer umgeben ist. Wir haben so eifrig geplanscht (ich durfte sogar auf den Schultern des Kardiochirurgen sitzen), dass wir gar nicht gemerkt haben, wie die Zeit vergeht und plötzlich war es schon eine Stunde später. Nach einer zweiten Runde mussten wir uns auch echt beeilen, hatten gar keine Zeit mehr das Salz vom Körper und aus den Haaren zu spülen, sondern haben uns nur schnell umgezogen und sind wieder in Richtung Stadt gedüst. Dort gab es noch ein Eis auf die Hand, ehe wir mit einer Inselbahn früher als diejenige, die für die Fähre geplant war, zurück gefahren sind. Und das war auch gut so. Wir hatten am Morgen die letzten beiden Tickets für diese Fähre bekommen, hat die Dame am Schalter gesagt, also war die Fähre mit der Höchstkapazität von 800 Leuten ausgebucht. Da war es gut, dass wir schon ein bisschen früher drauf konnten und eine tolle Aussicht genießen konnten. Beim Einlaufen in den Hafen war gerade Ebbe und ganz in der Ferne haben wir ein paar „Hügel“ auf dem Sand entdeckt. Ich habe den Kardiochirurgen gefragt, ob er glaubt, dass das Seerobben sind. „Das sind Steine Mondkind“, hat er gesagt. Wahrscheinlich hatte ich mir zu sehr gewünscht, Seerobben zu sehen, habe ich mir gedacht.
Am Abend haben wir uns aber noch mit meiner Schwester in der Stadt zum Essen getroffen. Wir haben entspannt am Fluss gesessen und natürlich von unserem Tag erzählt. Und natürlich haben wir meiner Schwester auch ein Foto von den „Steinen“ gezeigt. Sie meinte, dass an der Stelle typischerweise die Seerobben bei Ebbe sind und, dass das ganz sicher Seerobben sind. 






Wasserturm auf Langeoog



Dienstag
Der Wecker hat schon wieder früh geklingelt, da heute ein Ausflug nach Bremen Auf dem Plan stand.
So allmählich war es schon ein bisschen viel Programm und etwas eng getaktet, aber still sitzen kann der Kardiochirurg nicht. Da braucht man hinterher Urlaub vom Urlaub. Ich war so müde an diesem Morgen, dass mir auf der anderthalbstündigen Fahrt beinahe die Augen zugefallen sind.
Nachdem wir vorher meine Schwester interviewt hatten, die mit ihrem Freund schon da war, wussten wir, was man sich als Touri anschauen sollte. Unser erster Weg führte uns ins Schnoorviertel. Schnoor heißt so viel wie „Schnur“ und damit ist das Viertel nach der längsten Straße in eben diesem benannt. Und „Schnur“ heißt es, weil alle Häuser aufgereiht sind, wie auf einer Schnur. Haus an Haus mit super engen Gassen dazwischen. Das kleinste Haus Deutschlands mit etwas mehr als vier Quadratmetern Fläche findet man dort auch. Ebenso wie einen Laden, in dem man das ganze Jahr über Weihnachtsutensilien kaufen kann.
Danach haben wir einen Bogen in die Altstadt gemacht, sind dort unter anderem am Rathaus vorbei gelaufen und haben die Bremer Stadtmusikanten ins Visier genommen. Schließlich ging es ein paar Querstraßen weiter runter durch die Böttcherstraße – eine Straße, die von Beginn an als Touri – Aktion angelegt war und heute eine etwas mehr als 100 Meter lange Straße ist, auf der es Kunst, Kultur und Gastronomie zu erleben gibt. Im Anschluss sind wir runter an die Weser spaziert und haben uns entschieden, noch eine Hafenrundfahrt zu machen. Die hat tatsächlich anderthalb Stunden gedauert – ich wusste auch nicht, dass Bremen so einen großen Hafen hat und es so viel darüber zu berichten gibt. Ganz besonders hübsch ist Überseestadt mit dem Europahafen, interessant war es aber auch den Teil anzuschauen, in dem heute die Frachtschiffe be- und entladen wurden. Eines lag gerade vor Anker, das durften wir uns genauer anschauen. Außerdem ging es an einer Kaffeerösterei und Bierbrauerei vorbei – da wissen wir schon, was wir das nächste Mal tun sollen. (Also die Kaffeerösterei anschauen… ). Danach wollten wir eigentlich beratschlagen, was wir noch machen, da ich aber weiterhin super müde waren, wollten wir erstmal ins Café. Dort haben uns dann aber auch die eigentlich bereits am Mittag angekündigten Gewitter überrascht und im Nullkommanichts standen die Straßen zwei Zentimeter hoch unter Wasser – ein Schirm hat da glaube ich auch nichts mehr gerettet. Wir saßen zum Glück entspannt im Café, sind dort geblieben bis es besser wurde und haben dann beschlossen, heim zu fahren. Es hat weiterhin geregnet und war auch schon recht spät. Bis wir zu Hause sein würden, würde es ohnehin bald 20 Uhr sein.
In der Ferienwohnung haben wir mit viel Fingerspitzengefühl den Fernseher ans Laufen gebracht und haben uns ausgestattet mit Flammkuchen und Süßigkeiten vor den Fernseher geflackt und einen Film geschaut. Zwischendurch kam meine Schwester noch vorbei, damit wir uns auch noch mal sehen konnten. Ursprünglich hatten wir überlegt, nochmal gemeinsam etwas essen zu gehen, aber wir waren einfach zu müde. 

Schnoor - Viertel

Bremer Stadtmusikanten

Böttcherstraße

Ufer der Weser



Mittwoch
Ein letztes Mal klingelte der Wecker in der Früh – heute mussten wir aber auch noch zusammen packen. Pünktlich um kurz vor 12 Uhr hatten wir unser ganzes Gepäck im Auto und waren startklar, erstmal noch in Richtung Papenburg zu fahren. Als wir gerade durch die engen Gassen der Stadt fuhren, meinte der Kardiochirurg plötzlich: „Mondkind, ich habe Deine Ente vergessen.“ „Aber Du musst das nicht machen“, habe ich entgegnet. „Doch, ich wollte Dir gern eine Ente kaufen.“ Also haben wir kurz nochmal in der Stadt gehalten und sind dann los gezogen. Hübsch ist die schon, einen geeigneten Platz findet sie sicher und es ist ein schönes Andenken an unseren Urlaub und eine Erinnerung an die Heimat meiner Schwester.
Am Deich entlang, an dem wir auch schon mit dem Fahrrad unterwegs waren, sind wir dann in Richtung Autobahn gefahren und kamen pünktlich in Papenburg an der Meyer – Werft an. Dort hatten wir eine Führung gebucht. Neben der Geschichte des in der achten Generation betriebenen Familienunternehmens, haben wir auch viel über die aktuell laufenden Projekte erfahren – wobei man sich arg bemüht hat, die aktuell finanziell angespannte Situation nicht zu sehr durchblicken zu lassen. Wir durften auch einen Blick in die Docks werfen und haben ein riesiges Kreuzfahrtschiff von Disney gesehen, das kurz vor der Fertigstellung ist; dahinter wird in derselben Halle schon das Schwesternschiff gebaut. Auch wurde uns erläutert, wie so eine Emsüberführung von Statten geht – meine Schwester war schon live dabei und eigentlich müsste ich dafür auch mal hoch fahren.
Danach war es auch schon halb Vier am Nachmittag und damit Zeit nach Hause zu fahren. Wir sind ziemlich gut durchgekommen und waren kurz nach neun Uhr wieder zu Hause. Dort habe ich den Kardiochirurgen abgesetzt, ehe ich zurück zu mir gefahren bin. Die Tour haben wir am Ende doch mit Möhrchen gemacht und obwohl der Kardiochirurg davon initial nicht begeistert war, musste er dann doch zugeben, dass wir beide das ziemlich gut gemacht haben. Man muss halt ziemlich vorrausschauend fahren – insbesondere in den Kassler Bergen – das gleicht die nicht vorhandenen PS – Zahlen etwas aus.
Zu Hause habe ich als erstes nach meinen Pflanzen geschaut – die haben das ziemlich gut gemacht. Es ist sogar eine neue Gurke gewachsen, die schon fast erntereif ist und die Tomaten sind auch merklich größer geworden. Das Wasser hat gereicht; die Erde war aber doch recht trocken, sodass ich gestern Abend noch einen ordentlichen Schluck nachgegossen habe 






***
Als Fazit bestätigt sich eigentlich das, was wir schon kennen. Im Urlaub funktioniert das eigentlich immer echt gut mit uns. Klar, es gab mal die ein oder andere Unstimmigkeit, aber im Gesamten haben wir echt gut miteinander harmoniert. Das Einzige, was mich mittlerweile echt stört ist, dass er eigentlich keine eigenen Ideen hat. Er fragt immer „Mondkind, was möchtest Du machen?“, und wenn man dann zu der Idee kommt die Frage zurück zu geben, wird er ziemlich grummelig. Also muss man eigentlich ständig irgendetwas in petto haben, was mir machen können, aber da ich einigermaßen vorbereitet war, ging das ganz gut.
Meine Schwester und er kommen ganz gut zurecht, die könnten fünf Stunden über ihre Erlebnisse auf der Intensivstation reden – da kann ich dann mit meinem Psychosomatikkram kein Interesse mehr wecken. Wenn ich nicht nach einiger Zeit random irgendwelche Zwischenkommentare über das Stadtbild eingeworfen hätte um zu signalisieren, dass es jetzt reicht, hätten wir wahrscheinlich über gar nichts anderes geredet an diesem Abend. Krankenhaus ist echt nicht so meine Welt, muss ich immer wieder feststellen, aber scheinbar gibt es ja Menschen, die sich sehr darin verlieren können und ab und an beschleicht mich da immer noch ein sehr mulmiges und unangenehmes Gefühl, meine berufliche Zukunft betreffend.
Ansonsten kommt es jetzt natürlich so, wie es kommen musste – obwohl ich ja mental darauf vorbereitet war. Heute muss der Kardiochirurg sich um irgendwelchen Orga – Kram kümmern, morgen könnten wir zumindest in Teilen nochmal zusammen Zeit verbringen und Samstag und Sonntag springt er wieder irgendwo anders herum. Insofern – habe ich mir auf dem Heimweg überlegt – wäre seine initiale Idee mit zwei Autos zu fahren, vielleicht gar nicht so super abwegig gewesen. Da hätte ich nämlich noch bei meiner Schwester bleiben können, statt hier noch eine halbe Woche zu sitzen und die mutmaßlich hauptsächlich in die Neurologie zu investieren. Ich hoffe, ich finde wieder ein bisschen Motivation.

Ansonsten habe ich mir in einer freien Minute auch mal versucht Gedanken zu machen, wie es weiter gehen soll nach meinem kleinen – okay, eigentlich war er nicht so klein – mentalen Crash letzte Woche. In den Zeiten in denen es mir einigermaßen okay geht habe ich auch immer gar nicht so viele Ambitionen mich da noch weiter therapeutisch auseinander zu setzen, andererseits muss ich glaube ich schon einsehen, dass es eben nicht nur um den Verlust geht, sondern auch um die Beziehungsgestaltung im Jetzt, die da echt gelitten hat. Ich weiß aber auch wirklich nicht, wie ich das allein zeitlich auf die Reihe bringen soll. Jetzt mag das alles noch irgendwie organisierbar sein, aber in der Neuro wird das wieder bedeuten, die Karten auf den Tisch zu legen und zu hoffen, dass die Obrigkeit mir die Zeiten, die ich brauche irgendwie frei schaufeln kann – natürlich immer unter der Prämisse die nachzuarbeiten, was neben der Facharztvorbereitung auch ein Problem wird.
Vielleicht kann ich das auch einfach nochmal alles mit der Oberärztin bequatschen. Das Kind ist ja diesbezüglich ohnehin in den Brunnen gefallen.

Mondkind


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