Vom Start in ein Konzertwochenende

Freitagabend.
Vor dem Florian Künstler Konzert.
Eigentlich hätte man vor Euphorie sprühen sollen.
Hat man auch. Bis zum Feierabend. Bis dieser Arbeitstag endlich beendet war und man mit einem Klicken des Transponders das Arztzimmer hinter sich abgeschlossen hat.

Die Arbeit sollte doch nur eine kurze Unterbrechung der sonst gelebten Urlaubswoche sein.

Und dann gibt es manchmal diese Momente.
Die in dem Moment in dem sie da sind, ein Tanzen von Pirouetten sind. In denen das Herz und die Seele von Glück geflutetet sind und man für einen kurzen Augenblick den Eindruck hat, dass sich das hier alles lohnt. Der viele Schmerz dazwischen, den es eben auch so oft auszuhalten gibt, der so sehr überwiegt.
Und das sind auch genau die Momente, die das Herz wenige Tage später zerreißen. Die festhalten lassen an dem was ist, obwohl es in den seltensten Fällen okay ist.

Wenn jeder sich zurück gezogen hat.
In sich.
Auf seinen Standpunkt.
Auf die Differenzen, die wir wahrscheinlich niemals überbrücken können.

Und vielleicht nehmen die Florian Künstler – Songs deshalb so mit.
Weil sie auf so eine ehrliche Art das Innen nach Außen kehren.
„Und wenn alle Stricke reißen sind da immer noch wir beide und mit uns an unserer Seite wird der Wahnsinn etwas leiser“, heißt es in einem neuen Song.
Und wenn man diese Zeilen hört zwischen so vielen anderen Menschen die mitsingen, dann scheint es für einen kurzen Moment realer zu sein, als es ist. Dieser Mann schafft auf eine berührende Art Träume zum Tanzen zu bringen und eigentlich ist das was er singt alles, was zwischenmenschliche Verbindung ausmacht und wahrscheinlich alles was ich und so viele andere Menschen, die ihn mögen, sich wünschen.

Und jetzt ist es 23 Uhr.
In der Vorstellung wäre man neben dem Freund eingeschlafen.
In der Realität hat man weder gegessen noch gepackt oder die Wohnung aufgeräumt und sollte langsam in die Hufe kommen, bevor man natürlich – wie in über 90 % der Fälle – alleine einschläft.
Vielleicht geht es mit ein bisschen Musik auf den Ohren.


***


Irgendwie ist der Start in dieses Konzertwochenende sehr viel weniger schön verlaufen, als ich mir das gedacht hatte.
Denn natürlich ist es so gekommen, wie ich das befürchtet hatte und der Kardiochirurg und ich habe sich seit der Therme quasi nicht mehr gesehen. Warum muss mein Bauchgefühl auch immer Recht behalten… ? Ich kenne ihn eben doch schon ganz gut und weiß, dass er sich bei jeder Gelegenheit irgendwo vergräbt.
Er war gestern zwar zu Hause, aber besuchen durfte ich ihn nicht.

Was ich so ganz davon halten soll, weiß ich nicht.
Irgendwie dekompensiert er in jedem seiner Urlaube. Das geht die ersten ein bis zwei Tage ganz gut und dann weiß er überhaupt nichts mehr mit sich anzustellen und ist mit sich selbst und seinen Emotionen komplett überfordert. Das führt dann eigentlich immer zu ganz viel innerem Rückzug und Ablehnung – dass ich ihn dann allerdings nicht mehr besuchen darf, ist schon irgendwie neu.
Und das große Problem: Er spricht nicht darüber.

Ich meine – ich habe genug Übung im Umgang mit depressiv dekompensierten Menschen, sowohl privat als auch beruflich, aber wenn jemand so dicht macht, wird es sehr, sehr schwer.
Hinzu kommt, dass er in den letzten Monaten unglaublich viel Gewicht verloren hat und das scheinbar gar nicht so gemerkt hat. Ich habe mich neulich richtig erschrocken.

Es gibt so einen Teil von mir, der ziemlich wütend ist. Weil es eben nie funktioniert. Seine Stimmung ist einigermaßen okay, wenn er sehr viel beschäftigt ist und es halbwegs gut läuft auf der Arbeit – also er viel in den OP darf, seine OPs klappen und niemand stirbt. Aber dann sind unsere Fenster eben eng, wir sehen uns immer auf dem Sprung, haben keine Zeit nebeneinander zur Ruhe zu kommen.
Und dann hat es gestern Abend zum ersten Mal einen Teil in mir gegeben, der dachte: „Ich kann das nicht nochmal.“ Denn natürlich mache ich mir auch Sorgen, frage mich, wo ich mal einen Fuß dazwischen bekomme und sehe natürlich die mögliche Katastrophe am Horizont.

Erstmal bin ich jetzt nach einer zwei- oder drei – Stunden – Nacht ordentlich zugeknallt mit Ibu; ich hoffe, das bringt mich einigermaßen über den Konzertabend. Ich brauche so etwas echt selten, normalerweise habe ich keine schlimmen Kopfschmerzen, aber diese Woche war wohl etwas viel.
Und hier ist natürlich auch alles durcheinander geraten. Ich wollte eigentlich, dass wir uns alle miteinander zum Frühstück treffen können, aber das wird wohl eher nichts werden…

Mondkind

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