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Es werden Posts vom November, 2022 angezeigt.

Vom Urlaub und der Stille

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Ich glaube, wenn ich über die letzten Tage schreiben müsste, dann würde ich sagen: Wir haben viel entspannt, wir waren auf dem Lieblingsberg, wir sind still durch den Regen gelaufen, haben den Kerzen beim Brennen zugeschaut, in der Badewanne gelegen und uns gegenseitig ein Buch vorgelesen. Und wenn mich jemand fragen würde, ob es gut war, dann wüsste ich es nicht. Weil die Resonanz fehlt. Weil es kein gut und kein schlecht gibt, kein wollen oder nicht – wollen. Weil es einfach nur unendliche Leere und sehr viel Traurigkeit gibt. Sehr viel Anlehnen an das was war, sehr viel Angst vor dem, was kommen wird. Das Gefühl von ganz tiefer Einsamkeit, obwohl ich sehr offensichtlich nicht alleine bin. Die Atempause von Urlaub hat sich eher weniger wie Urlaub angefühlt. Sondern viel eher wie Überleben. Vier Tage hat es gedauert, bis ich dem Freund davon irgendetwas erzählen konnte. Oder… - erzählt habe ich es gar nicht. Es war eher so, dass ich gemerkt habe, dass ich jetzt dringend mal kurz Zeit

Welle

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Atmen. Einfach weiter atmen. Ich habe kaum geschlafen, mein Kopf schmerzt und irgendwie auch meine Ohren. Wäre das eine Urlaubswoche zu Hause, würde ich vermutlich die ganze Woche nicht mehr vom Sofa aufstehen. Einfach nur daliegen und Löcher in die Luft starren. Aber es ist keine Urlaubswoche zu Hause. Ich bin bei meinem Freund und da geht das logischerweise einfach nicht. Sturzflug. Oder so ähnlich. Es ist nicht okay. Ist es einfach nicht. Igelmodus auf dem Höhepunkt. Ich bin so unendlich traurig und erschöpft und wütend. Wütend auf so ungefähr alles. Auf mich selbst, auf das Leben, auf die Welt. Auf alles was lebt und sich bewegt und atmet. Ich könnte alles und jeden an die Wand klatschen. Es ist unfair und ich möchte, dass die Welt sich wieder ändert. Und nein, das ist nicht besonders rational. Und natürlich wird die Welt sich nicht ändern. Ich an diesem Grab. Ich hätte nicht gedacht, wie sehr sich dieses Bild in meinem Kopf einbrennen wird. Eigentlich erst Wochen später, aber seit

Über Schuld, Dankbarkeit und Geschenke beim Seelsorger

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 Dienstag. Später Nachmittag. Ich sitze im zehnten Stock des Reha – Gebäudes des Campus. Im Raum der Stille. Mir gegenüber der Seelsorger. Lange nicht mehr hier gewesen. „Ihnen geht es nicht so gut, haben Sie mir geschrieben“, leitet er ein. „Kann man sagen, ja“, entgegne ich. „Aber irgendwie höre ich nicht mehr viel von Ihnen.“ „Naja, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist so viel Ambivalenz. Ich bin so dankbar für dieses Jahr und gleichzeitig fühlt sich das aktuell so an, als würde ich mit Vollgas vor die Wand fahren. Wir reden erst kurz über den Job. Was da jetzt der Plan ist mit der weiteren Neuro – Karriere und einem eventuellen Facharztwechsel in Richtung Psychosomatik / Psychiatrie. „Naja, im Moment kann ich ja nur warten, bis die mich in mein Psychiatrie-/Psychosomatik – Jahr gehen lassen. Wenn ich schon die Möglichkeit habe, mir ein Bild von diesen Fachbereichen vom sicheren Hafen der Neuro aus zu machen mit der Option wieder zurück zu können, wenn es mir nicht gefällt, l

Von einem Wochenende und vielen Gesprächen

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 Ein paar Schnipsel der letzten Tage. Weil die viel bewegt haben. Ein bisschen deutlich gemacht haben, wohin das Augenmerk sich richten sollte. Freitag. Der Tagdienst neigt sich dem Ende. Und damit meine Anwesenheit auf der Intensivstation bis übernächste Woche. Urlaub. Endlich. Und ob das alles an der Neuro an sich, an der Intensiv oder an etwas ganz anderem liegt, weiß ich immer noch nicht, aber ich bin so froh, dass ich diese Belastung in der nächsten Woche nicht haben werde. Abends. Ich habe meine Sachen gepackt und bin unterwegs zu meinem Freund. Unterwegs habe ich noch eine Freundin in der Leitung. Wir reden ein bisschen darüber, wie die Beziehung die letzten Wochen lief. Und dass ich da wahrscheinlich an manchen Ecken auch ein bisschen unfair dem Freund gegenüber war. An sich nicht böse gemeint, aber ich war einfach überfordert und wenn er dann auch noch mit Wünschen um die Ecke kam, war mir das zu viel. „Wir haben uns ja auch wochenlang immer nur zwischen Tür an Angeln gesehen.

Über ein Zueinander finden

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Donnerstagmorgen Ich bin zwar früh wach, obwohl wir sehr spät im Bett waren, aber es fühlt sich ein bisschen freier und leichter in mir an. Endlich. Nach so langer Zeit. Nachdem das hier alles längst überfällig war.            Zurück in die Dienstnacht. Von Dienstag auf Mittwoch. Mal wieder ein Dienst, der mir spontan angehängt wurde, der die Pläne der Woche wieder durcheinander geschmissen hat. Ich bin dabei, noch auf ein paar Laborwerte von verschiedenen Patienten zu warten und einige Dialysen muss ich auch noch kontrollieren, aber bis dahin ist es noch ein Stündchen Zeit.      Ich nutze die Stille der Nacht, um ein bisschen in mich zu gehen, um über die Situation mit dem Freund und mir nachzudenken. Und finde keine Worte in mir, die ich auf das Papier bringen kann. „Ambivalenz“ steht da nach sehr langer Zeit auf dem Blatt – was ich damit sagen möchte, weiß ich selbst nicht genau. Irgendwann kommt mir etwas in den Sinn. Das man in den letzten Tagen schon hätte raus lesen können, aber

Wie geht's Dir eigentlich?

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 Sag, wie geht's dir eigentlich? Du hast so lange nichts gesagt Und sag jetzt nicht, „Ist alles gut“, denn ich kenn' dich gut genug Ich wär so gerne für dich da Wie geht's dir eigentlich? (Florian Künstler – Wie geht’s Dir eigentlich?) Was hat mich dieses Lied schon Tränen gekostet… Es war ein okay – Wochenende. Der Dienst von Freitag auf Samstag war spontan mit der potentiellen Bezugsperson zu absolvieren, was mich unter Hochspannung versetzt hat und es ging direkt gut los mit einem intubierten und beatmeten Patienten. Am Ende konnte ich aber alles recht gut händeln und dann ist auch die potentielle Bezugsperson zufrieden und meinte, dass ich einen guten Dienst gemacht habe. Samstagmorgen. Der Blick fällt immer mal auf das Handy. Der Freund ist noch sauer, hat er mir Donnerstag gesagt. Und seitdem ist Funkstille. Ich dachte, er wird vielleicht fragen, wann ich heute kommen mag. Aber mutmaßlich ist er immer noch sauer. Ich beschließe das mal auszusitzen. Und merke, wie schw

Konflikt X

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 „Immer nach vorne, ruhig und gerade.“ Ein Satz, den mal ein Mensch gesagt hat, den ich sehr geschätzt habe. Und der mich in Situationen wie diesen. immer ein bisschen zurück holt. Konversation mit dem Freund. Gestern Abend nach dem Spätdienst. „Bist Du immer noch wütend auf mich?“ „Ja“ „Ich verstehe das nicht richtig… - also den Grund dafür.“ „Den erzähl ich Dir gern, wenn wir uns das nächste Mal sehen.“ „Es beunruhigt mich aber schon ein bisschen…“ Die Leserschaft darf jetzt raten, wie lang ich nach diesem Austausch heute Nacht geschlafen habe. Wer jetzt an irgendetwas zwischen ein und zwei Stunden geraten hat, liegt ganz gut. Ich weiß nicht, wie ich diesen Dienst heute packen soll. Ich weiß es einfach nicht. Letzte Nacht nicht geschlafen, die Nächste mutmaßlich auch nicht und wenn ich das nächste Mal die Augen zu machen darf, ist Samstagmittag, der Dienst ist vorbei, ich habe geduscht, gepackt und bin die knapp 35 Kilometer zum Freund gefahren. (Wir hätten uns eigentlich ernsthaft ü

Von den Fallstricken des Igelmodus

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Donnerstagmorgen. Mein Freund und ich sitzen am Frühstückstisch. Ich habe Spätdienst und noch ein bisschen Zeit. Es war ein sehr friedlicher Mittwochabend, nach dem ich todmüde ins Bett gekippt bin. In der Nacht war ich immer mal wach, mit irgendwelchen Flusen im Kopf. Am Morgen bin ich dem Freund auf dem Weg ins Badezimmer über den Weg gelaufen und dann hat er sich einfach hinterher mit zu mir ins Bett gelegt. Und ich bin neben ihm nochmal ein paar Minuten eingeschlafen. Es ist auch ein sehr ruhiger Morgen. Wie lange lagen wir schon nicht mehr stundenlang einfach friedlich nebeneinander in einem Bett? Später frühstücken wir. Die Sonne scheint von hinten durch das Fenster und wärmt meinen Rücken. Er steht vom Tisch auf und läuft um mich herum. Nimmt mich in den Arm. Und dann ist es einfach vorbei. Ich spüre die Tränen in meinen Augenwinkeln. Es wäre sicher besser, sie dort zu halten, aber der Freund spricht mich an und gefühlt explodiert die Traurigkeit doch immer, wenn sie einmal entt

Erschöpfung

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Dienstagabend. Wir sitzen auf dem Sofa. Ich versuche etwas zu sagen. Ich habe die Worte auch im Kopf, aber irgendwie findet das was ich sagen möchte nur schwer den Weg in den Raum. Er versteht es auch nicht. Eigentlich waren wir an diesem Abend echt gut in der Zeit, aber es wäre kein Zusammentreffen zwischen uns Beiden, wenn das nicht doch noch eskalieren würde. An Situationen, von denen ich das im Vorhinein nie glaube. Ich denke mir nichts dabei und merke, wie er mir Sekunden später entgleitet. Und weiß, dass die nächsten Stunden wieder schwierig werden. Weil ich ihn da auch nie einfangen kann. Egal was ich sage – das bringt alles nichts. Meistens reden wir über ihn und wie sehr ihn das verletzt und kränkt, was ich so alles tue oder auch nicht tue, sage oder auch nicht sage. Wir reden selten über mich. Und darüber, wie sehr ich mich in dieser Beziehung mittlerweile reglementiert fühle. Er hat keinen Erziehungsauftrag für mich. Manchmal kommt es mir vor wie früher bei meinen Eltern, wo

28 Monate

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Hey mein lieber Freund, wie geht es Dir? Du weißt, ich habe Dich besucht im letzten Monat. Ich habe festgestellt, dass Du nicht ganz so anonym beerdigt bist, wie Deine Mama mir das immer gesagt hat. Und ehrlich gesagt, ich bin mir selbst so dankbar, dass ich es gewagt habe, den Friedhof zu besuchen und mich auf die Suche nach Dir zu machen. Es war so ein ambivalentes Fühlen, als ich dort vor Deinem Holzkreuz stand. Dieser Gedanke, dass wir beide nicht wussten, was sein würde, wenn wir uns das nächste Mal physisch so nah sind, dass es weder hier noch in der Studienstadt sein wird und dass ich dazu werde auf einen Friedhof gehen müssen, zerreißt mir immer noch beinahe das Herz, sobald ich ihn denke. Und gleichzeitig bin ich so unfassbar dankbar, dass Du noch einen Platz hast. Dass es einen Ort gibt, der Dir gehört, den man gestalten kann. Ein winziges Fleckchen Erde, das immer noch Dir und uns und der Erinnerung gehört. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das so viel gibt. Die Menschen hab