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Es werden Posts vom August, 2021 angezeigt.

Von Wohnzimmer und Klinikdiskussion

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  Freitag Spätdienst. Ich komme ein paar Minuten eher und arbeite schon mal alte Briefe ab, die in meinem Fach liegen. Das mache ich eigentlich jeden Tag. Täglich 10 Minuten ins Fach zu investieren schützt vor großen Katastrophen. „Mondkind Du bist schon da…?“, fragt mein Oberarzt und steckt den Kopf zur Tür herein. „Ja… - ehe es gleich wieder stressig wird…“, entgegne ich. „Hast Du ein bisschen geschlafen die Nacht?“, fragt er. „Ja etwas besser, danke“, entgegne ich. „Ich glaube, das Schlimmste ist erstmal wieder durch.“ Die ängstliche Mondkind ist - wie erhofft - für den Moment müde geworden und die erwachsene Mondkind kann etwas zu Kräften kommen. Aber lieb, dass er fragt. Ich glaube, manchmal macht uns das beide sehr hilflos, wenn es mir so schlecht geht, dass eigentlich keiner weiß, ob ich das die nächsten Tage durchhalte. „Geh mal vorne in der Notaufnahme helfen Mondkind. Ich glaube, da müssen ein paar Doppler gemacht werden“, sagt mein Oberarzt. „Okay“, entgegne ich, schnappe me

Liebe auf Distanz

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Die erwachsene Mondkind sitzt auf dem Boden. Den Rücken gegen die Wand gelehnt. Neben ihr liegt das traurige Kind, hat den Kopf auf ihren Beinen abgelegt. Intuitiv legt die erwachsene Mondkind den Arm um das traurige Kind. Es ist eher eine Geste, als wirklich mit der Intention das traurige Kind beschützen zu können. Denn die erwachsene Mondkind hat keine Kraft mehr. Nicht weit weit entfernt tobt gerade das ängstliche Kind. Es sind ein paar Dinge aus dem Ruder gelaufen. Am Ende ein paar zu viele Dinge, sodass das ängstliche Kind zuerst nur nervös war, aber jetzt nicht mehr zu bändigen ist. Die Ängste sind schon längst nicht mehr rational, in Schach halten kann man das ängstliche Kind nicht mehr. Die erwachsene Mondkind hofft, dass es bald müde wird, sich in irgendeine Ecke legt und damit das beklemmende Gefühl in Mondkinds Brust verschwindet und die ständigen Panikattacken. Mit denen die erwachsene Mondkind noch nie so viele Probleme hatte, wie in den letzten Tagen. Irgendwo im Hinterg

Von einer Dienstnacht

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Mal wieder ein 24 – Stunden – Dienst von Donnerstag auf Freitag. Ich komme um 10 Uhr auf die Arbeit, schaue kurz nach meinen Patienten auf der Schlaganfallstation und dann geht auch schon die Visite los. Heute entlassen wir viele Leute wahlweise nach Hause oder in die Reha, deshalb ist die Station am Nachmittag dann halb leer gefegt und wir schreiben alle Briefe wie die Verrückten. Am Nachmittag kommen wieder ein paar Patienten über die Notaufnahme. In mein Zimmer kommt kurz bevor ich zum Dienstantritt in die Notaufnahme muss noch ein Patient, der gekrampft haben soll. „Okay, noch kurz Medikamente angeben, dem Patienten Hallo sagen und dann in die Notaufnahme“, denke ich. Aber so einfach ist es mal wieder nicht. Dialysepflichtig, erst seit wenigen Monaten, seitdem die Krampfanfälle, die lange als Kreislaufkollaps gewertet wurden. Eine abenteuerliche Medikamentenliste für einen Dialysepatienten und eine Frau von der ich – wenn sie schon mal da ist – noch kurz eine Fremdanamnese einholen

Blitzlichter

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Und dann wachst Du nachts auf. Und plötzlich ist es einfach da. Plötzlich sind da Dinge in meinem Kopf, die ich so lange vergessen hatte. Sequenzen von ein bis zwei Sekunden, die lange   nachwirken. Weil es nicht nur die Erinnerungen von damals sind, sondern auch ein Lebensgefühl. Und dass man sich so lange nicht erinnern konnte, hatte wohl Gründe. Bahnhof. Zwischen dem Ort in der Ferne und der Studienstadt. Anfang Juli letztes Jahr. Tränen in meinen Augen, späte Stunde, dunkel. Eine ehemalige Mitpatientin, die ich schon ewig nicht gesprochen hatte fragt, wie es mir geht. Ausgerechnet an diesem Tag. „Ich bin auf dem Weg in [die Studienstadt]. Warum das so sei, wollte sie wissen. Und dann hab ich’s ihr gesagt. Und dass ich da gerade fast sterbe auf diesem Bahnhof, weil ich sonst immer an dieser Stelle um diese Zeit, während ich auf den Bus gewartet habe, mit dem Freund telefoniert habe. Und dass das jetzt nicht mehr geht und das so brutal bewusst macht, dass sich hier gerade alles än