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Es werden Posts vom April, 2023 angezeigt.

Vom Dienst und einem Gespräch mit dem Oberarzt

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Dienst. Von Donnerstag auf Freitag. Mit der potentiellen Bezugsperson. Während er den ganzen Tag ultra genervt war und ich schon wirklich Angst hatte, mit ihm auch noch die Nacht verbringen zu müssen, bessert sich seine Laune am Abend. Prinzipiell ist der Dienst aber nicht so der Knaller. Mit insgesamt elf Aufnahmen gibt es noch zwei Schmankerl. Zuerst habe ich einen Patienten, der mit seinem Auto gegen den Rasenmäher in seinem Garten gefahren ist; die ganze Situation muss wohl ein bisschen bizarr gewesen sein, sodass die Nachbarn die Polizei gerufen haben. Die hatten erkannt, dass der Patient sehr verwirrt ist und haben den Rettungsdienst dazu gerufen, der ihn schließlich ins Krankenhaus brachte. Der mehrere hundert Kilometer entfernt lebende Sohn wusste dann zu berichten, dass der Vater wohl schon länger verwirrt sei, fehlerhaft in der Handlungsplanung sei und zunehmen Wahnvorstellungen entwickle. Zunächst war der Patient noch recht lammfromm, ist auch mit ins CT gegangen. Mein Obera

Hinter dem Job

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Wenn es ein Mal losgeht, dann kommt meist alles zusammen. Dann lässt das Leben keine Zeit und Gelegenheit mehr, um diesen Kopf irgendwo zur Ruhe zu bringen. Um irgendwo mal kurz sicher sein zu können.   Sonntag. Um 10 Uhr komme ich zum Dienst. Die Dienstärztin von der Nacht schiebt mir sofort einen Zettel unter die Nase. Da gibt es ein Konsil auf einer peripheren Station bei den Internisten. Eine Patientin, die eine Fallhand entwickelt hat. Sonst ist es zur Übergabe ruhig in der Notaufnahme. Die Oberärztin im Hintergrund und der Visitendienst gehen in Richtung Station, während ich mich auf den Weg zum Konsil mache. Sie hat tatsächlich einen Ausfall des N. radialis; ich bespreche mit den Internisten, dass die am Montag mal die Nerven durchmessen sollen. Danach geht es in der Notaufnahme los. Halb 11 Uhr trudelt der erste Patient ein und dann hört das bis 22 Uhr nicht mehr auf. Als hätte es nach 15 Aufnahmen in 11 Stunden noch eine Krönung gebraucht kommt dann um 21 Uhr ein multiorbider,

Happy Birthday to Heaven

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Mein lieber Freund, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag erstmal. Wo auch immer Du bist hoffe ich, dass Du feiern kannst. Ich weiß gar nicht, was ich Dir wünschen soll, weil ich nicht weiß, wie die Welt aussieht, in der Du jetzt lebst. Aber ich wünsche mir einfach für Dich, dass es Dir gut geht, dass Du ohne Angst leben kannst, dass Du nicht so viel vermisst und ohne große Sehnsucht leben kannst. Ich wünsche Dir, dass Du glücklich bist und bleibst. Es ist das dritte Jahr ohne Dich. Den Brief habe ich den ganzen Tag ein bisschen vor mir her geschoben, weil ich so wenig weiß, was ich schreiben kann. Ich habe manchmal das Gefühl, unser beider Welten müssen sich so sehr verändert haben, seitdem wir uns das letzte Mal begegnet, sind dass ich keine Ahnung habe, was ich Dir heute erzählen kann. Was beschäftigt Dich heute? Und sind die Dinge, die mich heute beschäftigen nicht auch völlig andere? Wir wären sicher gewachsen miteinander über die Jahre, aber nachdem wir beide so lange alleine unt

Wochenübersicht

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 Die Woche war anstrengend. Konfrontativ. Montag. Der Intensiv – Oberarzt und ich hatten Sonntag geredet. Oder eher – er hatte geredet. Unsere Gespräche bestehen mittlerweile zu großen Teilen aus Vorschlägen seinerseits, die wirklich lieb gemeint sind, aber meine Antwort dazu ist in den allermeisten Fällen, dass ich zu müde bin. Wir kommen nicht mehr weiter und drehen uns im Kreis. In der Visite an diesem Montag klingelt mein Telefon. Der Intensiv – Oberarzt. „Frau Mondkind, ich habe mich gestern Nachmittag nach unserem Gespräch noch eine Weile mit Ihnen beschäftigt – können Sie mich bitte nochmal anrufen, wenn Sie Zeit haben?“ Und dann erklärt er ganz lieb, dass er auch langsam am Ende mit seinem Latein ist. „Bisher habe ich Ihnen ja immer gesagt, dass Sie die Zähne zusammen beißen müssen und habe versucht, Sie da ein bisschen zu schubsen, aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr glaube ich wirklich, dass Sie da wieder in eine ordentliche Depression rein gerutscht sind und

Von den letzten Tagen

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Sonntagabend. Wir telefonieren seit bestimmt fünf Stunden. Es ist zwei Uhr in der Nacht. Für meinen verschobenen Schlafrhythmus ist das kein Problem, aber so langsam sickert doch die Vernunft durch. „Wir sollten ins Bett gehen“, sage ich. „Machen wir morgen was?“, fragt er. „Naja, wir können eine Runde telefonieren“, gebe ich zurück. „Nein, ich meine, ob wir uns auf einen Kaffee treffen wollen“, fragt er. „Du weißt schon, dass Du rund 400 Kilometer weit weg bist“, sage ich. „Dann setze ich mich ins Auto und bin in dreieinhalb Stunden bei Dir“, sagt er.   Montagabend. Es ist spät. Er wollte um 19 Uhr wieder fahren, mittlerweile ist es 21 Uhr und beinahe dunkel. Nachdem wir bestimmt fünf Runden durchs Dorf gelaufen sind, auf der Burg waren, einen Kaffee getrunken und etwas gegessen haben, sitzen wir auf einer Bank in der Nähe der Stadtmauer; ich im Schneidersitz. Die Vögel zwitschen im Hintergrund und es ist so kalt, dass wir mit den Zähnen klappern. „Was ist Sinn für Dich?“, fragt er. „

Ein flinkes Statement

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Ich wünschte, ich hätte noch Worte. Ich wünschte, ich könnte ausdrücken, was da ist. Aber es ist nur noch Leere übrig. Nach all den Wochen und Monaten, ist die Kraft verbraucht. Nicht nur die zum Funktionieren, sondern auch die zum Jonglieren mit den Worten. Und die Kraft zum Sortieren. Die Erinnerungen fallen durcheinander, genauso wie die Zeiten, aus denen sie kommen. Es steht nebeneinander, über- und untereinander, es ist präsent und weit weg gleichzeitig. Ich kann’s fast fühlen und doch nicht mehr greifen. Es ist so, als wären wir gestern noch in der Studienstadt gewesen, als wären wir gestern noch gemeinsam über die Büchermeile spaziert. Als hättest Du mich gestern mit ins Zakk geschleppt, nachdem ich zugestimmt habe, obwohl ich doch eigentlich viel zu tun habe und für das nahende Examen lernen muss. Es ist, als wären wir uns gestern zum ersten Mal über den Weg gelaufen; damals, als Du mich ungelenk nach meiner Handynummer gefragt hast. Als wären wir gestern zusammen durch den Ort

Über die letzten Tage

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Es ist interessant, wie automatisiert Krisen ablaufen. Wie das immer und immer wieder dasselbe ist. Seit Jahren. Ich habe das halt nur einfach seit über einem Jahr in der Form nicht mehr erlebt. Ich seh mir selbst dabei zu, wie all das wieder passiert, das ich von früher kenne. Und das ich ab einem bestimmten Punkt nie stoppen konnte. Ein letztes Aufbäumen vor dem Fall. Ganz viel Kontakt suchen, in der Hoffnung, dass irgendwer der Seele doch ein bisschen Schutz geben kann. Als könnte irgendwer etwas sagen, das hält. Ein Reden über den Krieg im Kopf, ohne wirklich zu erwähnen was das heißt, weil es nicht mehr tragbar wäre und die Angst vor den Konsequenzen zu groß ist. (Und nicht mal einfach beim ehemaligen Freund anzurufen (was ich nie ohne Ankündigung gemacht habe) und ihn um ein Ohr zu bitten, obwohl ich auch dann nicht weiß, was ich sagen soll, verschlimmert diesen Schmerz noch. Weil der Grundschmerz so hoch ist). Und bald wird es still werden. Das kam immer danach. Ich war immer da

33 Monate

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Mein lieber Freund, wie geht es Dir? Es ist erschreckend, wie schnell die Zeit vergeht. Es ist das dritte Mal, dass ich die ersten letzten Male erlebe. Vor drei Jahren um diese Zeit hat es nicht seit Tagen nur geregnet und war immer noch kalt, da waren wir schon mit leichter Jacke draußen und ich habe auf der Bank hinter der Burgmauer gelegen um mit Dir zu telefonieren. Wir haben Pläne geschmiedet, wie wir uns trotz Corona und der ganzen Maßnahmen und der großen Entfernung noch sehen können – nicht wissend, dass es nie mehr dazu kommen sollte. Es passiert nicht viel hier; das Leben hat sich zurück in die Bahnen gelenkt, die ich kannte. Ich versuche irgendwie meinen Job zu machen und dabei nicht kaputt zu gehen. Ich versuche zu akzeptieren, dass die Zeit in der ich eine gewisse Stabilität hatte wieder vorüber ist, dass ich es eben gerade annehmen muss, dass es wieder externe Unterstützung braucht. Und ich versuche mich mit diesem Konzept anzufreunden. Die Frau des Oberarztes ist jetzt n

Über die Erschöpfung

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Samstagnachmittag. Ich liege auf dem Sofa. Versuche ein bisschen Kraft zu tanken, weil ich eigentlich noch flott in die Stadt wollte. Und wenn ich sowieso schon mal da bin – in den Buchladen. Und während ich da so liege, kommt mir etwas in den Sinn. Wenn ich die Frage beantworten müsste, wie Tage aktuell sich zumindest einigermaßen aushaltbar anfühlen, dann würde ich sagen: Ungefähr so, wie die Wochenenden laufen. Nach jeder Aktivität braucht es ungefähr zwei Stunden Pause. Aufgrund von massiver Erschöpfung das nicht nur ein Gefühl von  lähmender Müdigkeit beinhaltet, sondern auch Kopfschmerzen, schwere Augen und generell dieses Gefühl, als hätte man gerade einen 24 Stunden Dienst hinter sich. Da wird Wohnung putzen, Wäsche waschen und Einkaufen zur tagesfüllenden Aufgabe. Und „Pause“ bedeutet dann auch nicht mit einem Kaffeebecher in der Hand in sozialen Medien abzuhängen oder zu telefonieren – Pause bedeutet wirklich liegen und warten, bis es besser wird. Und ich kann schon verstehen