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Es werden Posts vom Januar, 2023 angezeigt.

Intensivdienst und Beziehungschaos

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Dienstagmorgen. „Frau Mondkind, müssen Sie jetzt ganz unbedingt schon rüber auf die Stroke Unit? Haben Sie da etwas zu tun bis zur Frühbesprechung?“ „Ich muss meine Patienten übergeben, aber das kann ich auch danach machen.“ „Dann holen Sie sich einen Kaffee und bleiben Sie hier noch ein bisschen sitzen.“ Die Zeiten, in denen man nach dem Dienst noch die Visite bis mindestens 12 Uhr mitlaufen musste, sind zum Glück auf der Stroke Unit scheinbar vorbei. Das letzte Mal als ich da noch gearbeitet habe war es so und während sich die Visite von Zimmer zu Zimmer geschoben hat, hat man sich nach 24 Stunden auf den Füßchen gefragt, ob die nicht einfach irgendwann nachgeben und man auf den Boden krachen wird… - oder so. Zur Vorgeschichte. Montag. Ich trabe in der Früh zum Dienst, verbringe meinen Tag auf der Stroke Unit. Ich beeile mich, mein Plan ist nämlich zur Spätvisite schon auf der Intensivstation zu sein, wo ich Dienst haben werde, um die Patienten die dort liegen, kennen zu lernen. Kurz

Von einem Dienst und Austausch mit dem ehemaligen Freund

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Mittwochabend. Ich sitze auf meinem Sofa. Der ehemalige Freund und ich sind zum Telefonieren verabredet. Was zwischen uns aktuell passiert, ist ein bisschen seltsam. Ich habe das Gefühl, wir teilen eine Ebene, die uns seit Monaten verloren gegangen war. Es sind wieder Gespräche möglich, über das, was uns bewegt. Es geht um meine Arbeit, seine Ausbildung, aber auch um das, was zwischen uns ist. Es geht darum, wie sich wohl schleichend Erwartungen in diese Beziehung geschlichen haben, die den Zauber der ersten Monate mitgenommen haben und der Beziehung die Qualität des Geschenks, das sie mal war. Und jeder von uns beiden, hat das als eine Art „heimlichen Deal“ gesehen. Dabei ist es immer schon schlecht, wenn man Erwartungen in eine Beziehung hat. Wünschen darf man sich etwas; das ja – aber mit den Erwartungen ist es so eine Sache. Ich rede auch darüber, wie befreiend ist, das Thema mit dem verstorbenen Freund „auszulagern“, was nicht heißt, dass der ehemalige Freund und ich nicht mehr dr

Laufen

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 „Mondkind, wo möchtest Du hin?“ Mist, jetzt bin ich dem Chef in die Arme gelaufen. Vor zwei Stunden haben wir noch ein Lob für unsere Chefarztvisite mit halber Besetzung abgesahnt – jetzt gerade ist, weil der Dienst von gestern auf heute recht ruhig war, wir wenige Neuaufnahmen auf der Station haben und ich gestern einiges vorgearbeitet habe, ein bisschen Luft. Ich bin zwischen den Häusern unterwegs zu meinem Intensiv – Oberarzt. „Ich muss noch ein paar Schlüssel zurück geben“, sage ich. Das ist tatsächlich wahr, das muss ich machen – allerdings nicht heute, sondern, wenn ich meinen letzten Intensiv – Dienst absolviert habe. Auch die Kollegen auf der Intensiv die wissen, dass die Intensiv und ich nicht unbedingt die besten Freunde waren, schauen immer ein bisschen irritiert, wenn ich dort auftauche. Allein deshalb sind solche Besuche eher selten abzuhalten – nicht, dass da doch noch das Gerede anfängt. „Ich weiß einfach nicht mehr wohin mit mir und meinen Gedanken“, erkläre ich dem Ob

Bindung

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Sonntag. Ich spüre, dass er ganz nah neben mir liegt. Ich auf der Seite, er hinter mir. Sein Bauch an meinem Rücken. Ich in seinen Armen. Seine Hände auf meinem Körper. Und während ein Teil von mir sich noch fragt, was wir hier eigentlich machen, spüre ich das Feuerwerk in mir, das er auslöst. Und den tiefen Frieden. Lang vermisst. Und dann fragt der Kopf nicht mehr. Eigentlich war das heute so nicht der Plan. Heizungsmoment war der Plan. Mein Plan zumindest. Aber es ist okay, so wie es jetzt ist. Ich habe es so sehr vermisst. Irgendwann reden wir darüber, was das jetzt eigentlich darstellen soll, was wir hier machen. „Beziehung ohne Bindung“, nennt er es. Interessant. „Sehen wir uns?“, werde ich ihn Stunden später auf der Türschwelle fragen. „Ist das nicht eine Bindungsfrage?“, wird er entgegnen. Mir fällt ein Kommentar der potentiellen Bezugsperson zu unserer Situation wieder ein, den er vor Monaten mal gesagt hat: „Mondkind, ich kenne niemanden, der so bindungsscheu ist, wie Du, abe

Auf der Suche

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Ich konnte nicht glauben, dass das vorbei sein soll. Damals. Letztes Jahr um ungefähr die Zeit. Zwar ist das moralisch höchst verwerflich die Trauer einfach zu ersticken, in dem man sich neu verliebt, aber nach anderthalb Jahren innerlich eher tot als lebendig… ich wollte endlich die Mondkind von damals zurück haben, ein Stück Unbeschwertheit, die ein Telefonanruf morgens um kurz nach sechs mitgenommen hatte. Das Grau loswerden, das die schönsten Farben des Sommers überdeckt hat. Seit diesem Tag habe ich mich nicht mehr als Teil dieser Welt gefühlt. Als wäre da eine unsichtbare Wand zwischen der Welt und mir, zwischen dem Menschen, den ich nach außen hin präsentiere, der irgendwie funktioniert, der sogar ab und an lachen kann und dieser ewigen Dunkelheit in mir drin. Und es war nicht so, dass ich aktiv einen neuen Partner gesucht habe, das kam einfach so. Aus dem Nichts tauchte dieser Mensch auf und dann war  er einfach da.      Manchmal glaube ich, der letzte Sommer war ein langsamer

Zwischen dem Alltag und mir

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So lang geglaubt, wir kriegen das hin Doch diesmal ist es anders Ich spür es ganz tief in mir drin Und ich wein ein'n Fluss aus Trän'n Du wirst mir fehl'n, du wirst mir fehl'n Und ich weiß, es ist zu spät Aber du bleibst, auch wenn du gehst (LEA – Fluss) Und ich weiß nicht mal, wer oder was mir jetzt am Meisten fehlt. Der verstorbene Freund. Der lebende, ehemalige Freund. Ich mir selbst. Die Person, die ich mal war, bevor das alles passiert ist. *** Der Stress der Akutneurologie hat mich zurück. Der ist anders, als der Stress auf der Intensiv. Der daraus entstand, dass ich wusste, dass ich nun mal keine Ahnung von der Intensivmedizin habe. Und, weil ich zu viel Angst hatte. Auf der Stroke Unit sind es eher die Hierarchien. Und das Chaos. Dass man manchmal meint, die höheren Etagen denken, man hätte die Krankheiten des Patienten aktiv eingekauft. „Mondkind, Du willst mir jetzt nicht etwa nach einer Woche Aufenthalt bei uns sagen, dass der Patient eine subarachnoidale Blu

Momente der letzten Tage

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Schnipsel der letzten Tage. Von dem, was mich bewegt hat. Mittwoch. Früher Nachmittag. Ich sitze nochmal beim Intensiv – Oberarzt. Vor dem Dienst. Seine Rolle ist mittlerweile irgendeine Mischung aus Antreiber und Motivator. Ganz lieb. Aber doch da. Er redet davon, dass Stabilität bei mir wahrscheinlich immer nur auf dem niedrigsten Niveau war, das irgendwie möglich war. Es gab absolut keine Reserven. Und sobald irgendetwas passiert, ist die Stabilität komplett dahin. „Wissen Sie – der ehemalige Freund und ich waren – nachdem wir dann ein Paar waren, irgendwann am Ende des Sommers nochmal in der Praxis, weil wir eine neue Lampe gekauft hatten und die direkt mit dem Auto in die Praxis gebracht und dort auch noch aufgebaut haben. Und mir ist in dem Moment bewusst geworden, wie froh ich bin, dass ich nicht mehr an solchen Stellen herum sitzen und über mich und mein Leben reden muss. Dass ich sagen kann, dass alles okay ist, dass ich jetzt gerade im Leben angekommen bin und das nicht mehr

Umkehr

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„Mondkind, ich habe gute Nachrichten für Dich“, begrüßt mich die diensthabende Ärztin in der Früh. Ich hatte mit ihr vor ein paar Wochen den Dienst getauscht, weil sie ihre Kinderbetreuung organisieren musste. Sie hat meinen Dienst von Gestern auf Heute gemacht, ich mache ihren von Morgen auf Übermorgen. „Du hast doch gesagt Du schaust immer, mit welchem Oberarzt Du Dienst hast und tauscht dann manchmal nicht.“ Ich nicke. „Die Hintergrund – Oberärzte haben auch getauscht. Montag gegen Mittwoch. Bis Mittag war meine Laune noch sehr gut. Und dann war sie sehr schlecht…“ Hinsichtlich der Hintergrundärzte schien der Deal nämlich sehr schlecht zu sein, aber ich habe mich doch breit schlagen lassen. Manchmal hilft das Schicksal halt nach ;) Also habe ich morgen Dienst mit einer kompetenten Oberärztin. Die zwar nachts auch ungern gestört wird, aber wenn es so sein muss, dann bekomme ich zumindest einen gescheiten Rat. Sehr gut. Wir bereiten unsere Visite vor. Die Tochter vom Chef macht aktuel