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Es werden Posts vom Februar, 2023 angezeigt.

Von der Praxis und Gedanken zur Trennung

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Der ehemalige Freund hat am Wochenende gefragt, ob ich ihm demnächst dabei helfe, die Praxis auszuräumen, in der er mittlerweile nicht mehr arbeitet. Da stehen ein paar sperrige Gegenstände, für die es sich lohnt ein Auto zu haben. Ich hoffe, er ist sich im Klaren, dass wir einen Kleinstwagen haben, aber ich bin mal gespannt, was das Auto so alles kann. Diese Praxis. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass das ein bisschen emotional wird. Ob es das für den Freund wird weiß ich nicht, aber mein Gehirn zieht ja gern Parallelen. Die Praxis war dieser Ort, an dem wir verbale Pirouetten getanzt haben. Stundenlang darüber gesprochen haben, ob wir diese Beziehung von einer professionellen auf eine private Ebene heben. Es war dieser Ort, an dem wir uns zu Beginn noch mit ausreichend Abstand gegenüber gesessen haben, jeder in seiner Ecke. Als wir noch beim „Sie“ waren. Aus dem dann ein „Du“ und ein „Wir“ geworden ist. Als wir diesen Ort auf der professionellen Ebene verlassen haben, habe ich auc

Wie geht Trennung?

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Wenn der Kollege morgens in die Notaufnahme kommt und Hundehaare an einer Hose hängen, nicken wir uns nur mit einem wissenden Lächeln zu. Seine Ex – Freudin hat Hunde. Er und ich, wir sind in derselben Situation. Frisch getrennt, nicht wissend, wie wir damit umgehen sollen. Die Gesellschaft hat für alles Normen, stelle ich fest. Nicht nur für den Umgang mit dem Sterben, was ich nach der letzten Beziehung schmerzlich feststellen musste, sondern auch für den Umgang mit einer Trennung. Man hat sich nicht mehr zu sehen. Die ersten Male, in denen ich nach der Trennung mit meinem Papa telefoniert habe, konnte ich förmlich sehen, wie er die Augen verrollt, wenn ich gesagt habe, dass wir noch reden oder schreiben. „Kein [ehemaliger Freund]“, hat der Intensiv – Oberarzt als Ermahnung in seine letzte Mail vor dem Wochenende als Ermahner geschrieben. Und von wo aus schreibe ich diesen Blogeintrag… ? Von seinem Sessel aus. Wir sind gestern gemeinsam eingeschlafen und heute gemeinsam aufgewacht. Wi

Verborgen

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Freitag um 12:30 Uhr. Ich bin schon seit um 10 Uhr da, habe die Lumbalpunktionen am Morgen übernommen und bin danach mit auf Visite gewesen. Jetzt ist mein Plan, den Kollegen in der ZNA abzulösen, damit er Mittagspause machen kann. „Ich habe einen Patienten Mondkind, vielleicht können wir auch gleich zusammen essen gehen“, sagt er. „Ich muss nur noch kurz etwas dokumentieren.“ (Immerhin gibt es indisches Gemüsecurry und er ist Inder…) Der Pfleger kommt in die ZNA gelaufen mit zwei Kladden unter dem Arm. Und in dem Moment geht auch noch der Stroke Angel Alarm. „Mondkind, geh einfach wieder nach Hause“, sagt er. „Es war den ganzen Morgen ruhig und kaum betrittst Du die Notaufnahme gibt es innerhalb einer Minute drei neue Patienten. Du ziehst das einfach an…“ Also kein Mittagessen. „Ich kümmere mich um den Stroke Angel, dokumentier Du fertig, geh essen und dann machen noch Du und ich jeder einen der fußläufigen Patienten“, sage ich zu dem Kollegen gewandt. Wenig später trabe ich nach vorn

Innere Bewegung

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Dienstagmorgen. Dort wo gestern noch eine Menge Energie war, ist heute schon wieder bleierne Müdigkeit. Dabei wurde ich doch gestern noch von den Kollegen gefragt, was ich zwischen diesem Visitendienst am Sonntag mit viel zu tun inklusive Reanimation und dem Montagmittag gemacht habe, dass ich so gute Laune habe. Und in dem Moment fällt mir die Antwort auf die Frage ein, was ich gegen Erschöpfung tun könnte – gerade noch rechtzeitig vor der nächsten Stunde, bei der Frau des Oberarztes. Da sollte ich nämlich eine Antwort auf diese Frage haben. Schlaf, das ist es ganz sicherlich und das klappt besser, seitdem ich Spätdienste habe, weil meist eher das Einschlafen als das Durchschlafen ein Problem ist. Und Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir wichtig sind. Die für mich wertvoll sind. Zeit zu erleben, die nicht nur vorbei geht, sondern die qualitativ gefüllt ist. In der ich die Tanks der psychischen Grundbedürfnisse wieder auffüllen kann. Und gleichzeitig ist es erschreckend zu sehen, w

Leichter

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Montagmorgen. Ich spüre, wie sich jemand neben mich setzt. Am Zipfel der Decke zupft. Drunter schlüpft und sich neben mich legt. Und ich spüre einen ganz tiefen Frieden in mir. Wenig später, als wir aufgestanden sind, öffne ich die Fenster. Ich komme wieder in der Welt an, merke ich. Es riecht nach Frühling. Es wird ein anderer Frühling, aber es wird Frühling. Das innere Schreien wird weniger. Der Mut krabbelt wieder an die Oberfläche. Das darf jetzt gern etwas so bleiben. Und ich bin hier. *** Sonntagmorgen. Ich habe Visitendienst heute. Irgendwann in der Nacht bin ich aufgewacht und habe mir gedacht, dass es mich jetzt nicht wundern würde, wenn ich heute einen Todesschein schreiben würde. Wenn man ein Mal nach dem Visitendienst etwas vorhat, was einem wirklich wichtig ist, dann gibt es meist Chaos. Gerade als ich die Station betrete, geht der Reanimationsalarm los. Und dann reanimieren wir. Oder versuchen es zumindest. Eine betagte Dame, die eigentlich nur mit einer TIA bei uns war u

Wandel

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Wir verabschieden uns mit einem „bis bald“. Aber wann genau bis bald ist, weiß irgendwie keiner. Am Wochenende ist er unterwegs, ich habe bis Ende nächster Woche Spätdienste und bin immer erst spät zu Hause. Bis bald heißt also wahrscheinlich: Bis Ende Februar. Die Zeiten, in denen es wichtig war dem anderen trotz des Alltages einen Platz einzuräumen, sind eben vorbei. Ich frag mich manchmal, ob ich ihm sagen soll, dass ich ihn immer noch liebe. Aber wahrscheinlich würde das uns beide überfordern. Und im Außen darf ich nicht mal erzählen, dass wir noch telefonieren. Zwischenzeitlich haben wir nochmal über das Thema Bindung geredet. Der Freund ist der Meinung, dass kein Mensch auf dieser Welt Bindung braucht. Ich entgegne, dass ich letztens gelesen habe, dass Bindung ein psychisches Grundbedürfnis ist. Tatsächlich hat das Klaus Grawe gesagt, der irgendein Psychotherapieforscher war. Der verstorbene Freund hat viel von ihm gelesen und ständig hieß es in unseren Gesprächen „Mondkind, Klau

Home

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Maybe surrounded by A million people, I, Still feel all alone I just wanna go home Oh, I miss you, you know (Westlife – Home) Mehr als 10 Jahre ist das her... - unglaublich... Sommer 2012 Wenige Tage nach dem Abitur. Meine Schwester und ich waren in Dublin. Croke Park Stadium. Tausende Menschen. Die Musik so laut, dass man sich gegenseitig nicht mehr gehört hat. Dass man bei und mit sich bleiben musste, weil die Musik alles übertönt hat. Und mitten drin. „Home“. (Mir ist wohl bewusst, dass das Original nicht von Westlife ist). Ich habe selten etwas Emotionaleres erlebt. Etwas, das mich mehr berührt hat. „Home“ war meine Hymne. All die Jahre über. Und hier… - hier haben sich Kreise geschlossen. Der Song kam 2007 raus. Schon nachdem sich unsere Eltern getrennt hatten. Die CD der damaligen Lieblingsband hatte ich schon in der Nacht der Veröffentlichung auf Dauerschleife gehört. Und „Home“ hat mich am Meisten bewegt. Das Thema ist so uralt. Sogar noch älter als die Trennung meiner Eltern.

Fallen

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Ich  hätte nicht gedacht, dass das Leben so wie es jetzt ist, so bald wieder Realität wird. Im letzten Sommer war ich so überzeugt, dass diese Zeiten nicht zurückkommen würden. Dass die für immer – oder zumindest für eine lange Zeit – vorbei sein werden. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, wie man so leben kann. Wochen. Und Monate. Und Jahre. Wie habe ich das gemacht ?! Obwohl ich es auch kaum begreifen konnte, wie ich im letzten Sommer leben durfte. Als hätte man da irgendeinen Schalter umgelegt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich bevor ich sterbe nochmal so sehr Teil dieser Welt und Teil des Lebens sein werde. Ich habe es mir gewünscht, aber den Glauben daran, dass das nochmal passieren könnte, hatte ich irgendwie verloren. Samstag Es ist kurz vor 19 Uhr. Es war kein anstrengender Tag. Theoretisch. Aber irgendwie doch. Morgens war ich schon auf wackeligen Füßen durch den Einkaufsladen unterwegs, danach habe ich noch schnell die Wäsche in die Maschine geschmissen und zumindest grob d

Grenzen

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But when it's hard to breathe and I just can't get off the floor I long for days when I was free a life I lived so long before It all got so heavy I used to stand up so tall There's only so much I can carry Before I fall They tell me "girl you're so lucky" "You've got the world in your hands" But the world gets so heavy You don't understand And that's heavy (Delta Goodrem – Heavy) An welcher Stelle habe ich mich eigentlich wieder so verloren? Und so sehr, wie ich mich auch versuche an dem festzuhalten das geblieben ist, muss ich eben – auch, wenn ich das gern leugnen würde – zugeben, dass das so ziemlich nichts ist. Abende mit dem ehemaligen Freund sind jetzt eingetauscht gegen eine Runde laufen und eine heiße Dusche im Anschluss. Oder gegen ein einsames Sitzen auf dem Sofa und ich versuche die Nase dann auch in ein Buch zu stecken und koche einen Kakao dazu, aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass etwas fehlt. Die Morgen am Wochenend

Ein bisschen Reflexion

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Nachmittags halb 5. Der Wecker klingelt. Eigentlich war der Plan gewesen noch joggen zu gehen und dabei ein paar Sonnenstrahlen abzubekommen. Aber der Körper streikt. Mir wird schon auf dem Weg ins Bad schwindelig, mein Magen rebelliert auch. Ich hatte wirklich sehr gebetet, dass es ein ruhiger Dienst wird, weil ich aktuell so erschöpft bin, dass da nicht viele Reserven sind. Und es sah auch erst aus, als würde es der ruhigste Notaufnahme – Dienst meiner bisherigen Karriere werden. Bis Mitternacht hatte ich einen Patienten in der ZNA und ein bisschen Stationsarbeit; vor Mitternacht zu Bett gehen lohnt sich allerdings genau wegen der Station eigentlich nie. Aber ab Mitternacht kam bis in die Morgenstunden ein Patient nach dem anderen und somit lag die Bilanz am Ende der Nacht bei Null Minuten Schlaf. Und während das in der Nacht immer noch alles machbar bleibt, weil die Stroke Alarme das Adrenalin schon hoch halten, legt sich mit dem Verlassen der Klinik und in dem Wissen den Dienst bew

Von Momenten im Job und Coaching

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Dienstagnachmittag. Ich habe zwei neue Patientinnen in meinen Zimmern. Eine Dame ist Ende 70 und hat gestern Abend einen Schlaganfall erlitten. Fast die Hälfte ihres Gehirns ist dabei gestorben, die Ursache war ein großes Blutgerinnsel in einem der Hauptgefäße des Gehirns, das man auch leider nicht hatte entfernen können. Die Pflege ruft mich an. „Mondkind, der Ehemann ist jetzt hier. Der ist außerhalb der Besuchszeiten hier und er ist so aufgelöst, wir haben ihn rein gelassen und auch ausnahmsweise schnell bei uns einen Coronatest gemacht, aber ich glaube, der braucht jetzt mal ein Gespräch.“ Ich trabe hin. Der Mann steht neben dem Bett und streicht seiner Frau über die Wange. „Ich verstehe gar nicht, was hier los ist, das müssen Sie mir erklären“, sagt er. Und dann versuche ich in einfachen Worten zu erklären, was ist ein Schlaganfall ist und was mit dem Gehirn seiner Frau los ist. „Ich bin ja froh, dass sie lebt, gestern Abend dachte ich sie stirbt“, sagt er und dann kann er seine T