Posts

Es werden Posts vom Oktober, 2022 angezeigt.

Name

Bild
Überall um mich herum bimmeln die Monitore. Eigentlich sollte es ein recht ruhiger Freitag werden. Die Station schien stabil zu sein. Bis ein Patient plötzlich septisch wurde. Zur Suche der Ursache wurde ein CT vom Bauch durchgeführt und dort zeigten sich gleich drei Befunde, die operiert werden müssen. Der Patient braucht einen neuen ZVK – und zwar zackig. Am Hals ist er operiert, also suche ich mir die Leiste aus. Die Gefäße liegen sogar einigermaßen günstig nebeneinander und nicht untereinander – wie das auch gern mal der Fall ist. Innerhalb von 10 Minuten liegt der ZVK und ist damit so ziemlich der schnellste ZVK meiner bisherigen Karriere. Ich räume schnell auf und rase kurz ins Arztzimmer, um die nächste Untersuchung anzumelden. Als ich wieder komme, sehe ich gerade wie der Pfleger schon die ersten Medikamente dran hängt. Das Zimmer ist voll von Menschen – jetzt jemanden ohne Namen anzusprechen, funktioniert nicht. „Thomas?“, rufe ich in den Raum. „Ja [Mondkind]“, entgegnet er „H

Worte aus dem Dienstfrei

Bild
Intensivdienst überstanden. Es ging. Die Notfälle auf der Intensiv sind halt so grundsätzlich ein bisschen meine Alpträume. Sättigungsabfälle. Blutdruckkrisen. Tachykardien. Fieber. Sepsis. Transfusion mitten in der Nacht. Aber ich konnte es händeln, die meisten Schwierigkeiten kamen erst in der Früh; das konnte ich dann noch stabilisieren, bis der Oberarzt kam. Ein Patient auf der Frühreha hat fröhlich CO2 angesammelt, man hätte ihn wohl bald intubieren sollen, aber es war festgelegt, dass er nicht zurück auf die Intensiv verlegt werden soll. Nachdem der Oberarzt dann da war, hat sich auch mein Magen etwas beruhigt und es gab erstmal ein bisschen Frühstück... Heute ist Orga – Tag. Haushalt. Putzen und Wäsche. Und Aufräumen. Schon mal ein bisschen was Einkaufen für nächste Woche. Und Ausruhen. Ein bisschen Dösen nach dem Dienst. (Naja, weit bin ich noch nicht...) Und Nachdenken. Ich habe noch kurz mit dem Freund telefoniert. Und nach viel Schweigen sind wir drauf gekommen: Es geht um d

Gedanken aus dem Dienst

Bild
Ich fahre mit dem Auto über die kurvigen Landstraßen. Es ist immer noch nicht richtig hell. Sich so in einen Dienst zu verabschieden, ist immer schwer. Die alten Revolverheld – Lieder laufen hoch und runter. Songs, die das Potential haben mich in eine Zeit zu schmeißen, die längst vorbei ist. Und doch vermisse ich sie. Sehr sogar. Als Beziehung nicht so kompliziert und gefühlt ein einziges Theater war. Als ich sicher war, dass der andere bleibt. Heute im Dienst schaue ich mal meine alten Mails durch. Die ich der potentiellen Bezugsperson geschrieben habe. Vor vielen Monaten schon. Da habe ich etwas ziemlich Niedliches gefunden: „ Irgendwie… - jetzt halten Sie mich bestimmt für bescheuert, wie soll ich das sagen? Ich habe das bei [dem verstorbenen Freund] oft so erlebt, wie bei [dem späteren, lebenden Freund] jetzt. Und es ist so schön, wenn man an einen Menschen denkt, ihn sieht oder hört und so eine merkwürdige Wärme in sich fühlt, dass das Herzchen etwas schneller schlägt und die Wel

Von einem Kapellengespräch

Bild
Letzte Woche. Wir sitzen in der Kapelle. Das erste Mal seit Monaten. Der Seelsorger und ich. Haben endlich mal wieder einen Termin gefunden. Und vielleicht geht es nicht mal um das Termin finden. Vielleicht habe ich einfach keine Ahnung, was ich erzählen soll. Wo ich anfangen soll. Weil es so okay ist. Und irgendwie auch nicht. „Es besorgt mich, was Sie mir erzählen. Ich würde Sie hier gerne öfter wieder sehen“, sagt er. „Ich habe wenig Zeit, seitdem ich ständig zwischen meiner Wohnung und der Nachbarstadt pendle“, entgegne ich. „Ich weiß“, antwortet er. Er, der immer so semi – hilfreich war in meinem Helfersystem. Weil er natürlich irgendwann mit dem Glauben um die Ecke kommt. Mit dem ich wenig bis nichts anfangen kann. Aber jetzt gerade ist es okay, dass wir hier sitzen. Seltsam still nach all der Zeit. Und er ist einer der ganz wenigen Menschen aus dem Helfersystem, der noch übrig geblieben ist. Der sogar ab und an mal nachfragt, wie es so geht. Es geht um den Job. Den ich nicht meh

Träume

Bild
Nach Jahren nehme ich die Abbiegung. Vielleicht. Verlasse diesen geradlinigen Weg. Vielleicht. Was aktuell bleibt, ist eine unendliche Erschöpfung. Trotz Urlaub. Trotz Ausruhen. Und nichts von all dem, was hier in den letzten Wochen passiert ist, ist grundsätzlich schlecht. Aber manchmal tut ein Aufwachen nach so vielen Jahren sehr weh. Wenn das hier das Leben ist, dann bin ich unendlich dankbar, dass ich es nie ganz verloren habe. Ich glaube, ich habe nie mehr geliebt und bin nie mehr geliebt worden. So hart das auch ist. Aber es ist die Wahrheit. Und wenn ich irgendwann sicher bin, dass ich so Vieles, das einfach nur funktional war, nicht mehr brauche, dann schafft das nicht nur viele neue Welten, sondern entwertet umgekehrt auch Vieles. Was nicht heißt, dass es sinnlos war. Aber vielleicht hätte man sich das Leben so viel einfacher machen können. Der Job. Fluch und Segen zugleich. All die Jahre über. Wie oft bin ich an den Ansprüchen von Außen und denen von mir selbst kaputt gegange

Über das Herz

Bild
Vielleicht heilt es langsam. Das Herz. Ein ganz kleines bisschen. Wahrscheinlich nie so ganz. Ich frag mich manchmal, was dieses Jahr so los war. Und wann ich das letzte Mal in dem Ausmaß auf die Idee gekommen bin, so viel mit dem Herz zu entscheiden? Den Kopf zu spüren, die Zweifel im Hintergrund und es doch anders zu machen. Einfach, weil es sich richtig anfühlt. Nicht, weil man das für besonders sinnvoll hält. Ich glaube, fast alle Entscheidungen dieses Jahr waren Herzentscheidungen. Vielleicht unvernünftig. Und ja, das hätte alles massivst schief gehen können. Und streckenweise sah das auch so aus. Und hat so unendlich viele Tränen gekostet. Und manchmal macht es Angst zu spüren, dass der Kopf da maximal am Rand beachtet wird. Kopf gegen Herz. Immer noch. Der Kopf, der so viel nachdenkt und das was hier läuft immer noch für moralisch höchst fragwürdig hält. Der immer noch erinnert, dass wir nicht unschuldig angefangen haben. Dass diese Beziehung eigentlich nie hätte existieren dürf

Von einer Urlaubswoche

Bild
Schnipsel. Von dem was war. Und immer noch ist. Im Verlauf der Woche. Und tatsächlich bleibt wenig Zeit fürs bloggen. Und fürs Gedanken sortieren. Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Blogpost angefangen habe. Weil er nie so ganz trifft, was ich sagen mag. Wir liegen einfach nur da. Ich an meinen Freund gekuschelt. Jede Faser meines Körpers spürt ihn. Ich könnte das auch den ganzen Tag machen.  Wir brauchen keine Worte, wie sonst so oft am Telefon, um irgendwie Verbindung zu halten. Was für meinen müden Kopf abends oft schwer ist. Und ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals im Leben so viel Nähe zulassen konnte, wie von ihm. Die meisten Menschen dürfen mich nicht mal in den Arm nehmen. Es ist nicht mehr so wie früher. Da ist nicht mehr dieses Herzrasen und den Puls sieht man schon lange nicht mehr am Handgelenk. Aber ihn neben mir zu wissen, erzeugt einen ganz tiefen Frieden in mir und sobald er nicht da ist, spüre ich eine Sehnsucht nach ihm in mir. Was nicht heißt, dass ich nicht

Brief - von einem Besuch bei Deiner Mum

Bild
Hey mein lieber Freund, Na, wie geht es Dir? Ich habe jetzt zum ersten Mal den Ort gesehen, an dem Deine sterblichen Überreste sind. Endlich habe ich mich auf den Friedhof getraut. Es war hart. Und damals, als wir uns das letzte Mal physisch ähnlich nah waren, hätte wohl niemand geglaubt, dass wir uns das nächste Mal auf einem Friedhof begegnen, wenn wir uns so nah sind. Dorthin zu gehen und zu wissen, dass man gerade an diesen Ort geht, weil man jemanden besucht, ist irgendwie komisch. Wahrscheinlich kann ich von Glück reden, dass sonst kein nahe stehender Angehöriger in meinem Leben je gestorben ist. Aber ausgerechnet Du hättest nicht der Erste sein müssen. Es ist ein hübscher Friedhof. Ein sehr hübscher. Fast wie eine riesige Parkanlage und tatsächlich sind dort einige Menschen spazieren gegangen. Und so wie Deine Mum immer gesagt hat, ist es gar nicht. Du hast einen Ort. Ein kleines Holzkreuz, auf dem Dein Namen steht, Dein Geburtstag und Dein – meiner Meinung nach falsches –