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Es werden Posts vom März, 2023 angezeigt.

Von Helfersystemen und Coaching

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Stehen bleiben. Und Atmen. Die ersten beiden Tage frei in diesem Jahr. So krass ist das jetzt zwar auch nicht, wenn man am Wochenende schon wieder arbeiten muss, aber immerhin habe ich den Donnerstag kurzfristig frei  bekommen und somit ist dieser Tag dann doch irgendwie „Bonus“. Und obwohl die Seele sich frei schreiben muss, werden die Texte „unrund“, drücken nicht aus, was da irgendwo ist. Zumindest habe ich das Gefühl. Ich atme so oft in Welten, die nicht mehr Teil meiner Welt sind. Immer schon. Ist mir mal aufgefallen. Wenn das gegenwärtige Geschehen so unaushaltbar ist, dann bleibe ich irgendwo stecken. Als die Welt noch heiler war. Als ich glauben konnte, dass ich irgendwann heil werde. Dann lebe ich in Parallelwelten. In der Welt, die nicht bleiben konnte und nur mit einem halben Sein in der Welt, die eben doch meine Realität ist. Ich schaue diesem Wesen zu, das sich gefühlt jeden Tag ein bisschen mehr selbst verliert. Und abgesehen von diesen Wellen von Traurigkeit ist da mitte

Eine Patientengeschichte

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Es ist fast 18 Uhr. Ich sitze noch im Arztzimmer. Es klopft an der Tür und ein junger Mann steckt den Kopf zur Tür herein. „Entschuldigen Sie“, legt er los. Ich nicke. „Meine Mutter hat vorhin ein MRT bei Ihnen bekommen. Sie hatte Ihren Port – Ausweis mitgenommen; den bräuchte Sie jetzt wieder; wissen Sie wo der ist?“ „Vielleicht in der Akte?“, frage ich laut. „Ist die am Bettplatz?“ „Nein“ „Ich schaue mal im Stützpunkt“, sage ich und stehe auf. Wenig später finde ich den Ausweis und überreiche ihn an den jungen Mann, der der Sohn der Patientin ist, die ich Freitag mitten in der Nacht aufgenommen habe. Gerade ist auch ihre Schwester und eines ihrer Enkelkinder da. Jung ist sie. Mitte 60.   Der Sohn und ich laufen über den Flur. „Sie waren die Ärztin, die in der Nacht das CT gemacht, oder?“, fragt er. Ich nicke. „Danke, dass Sie das gemacht haben. Auch wenn nichts Gutes dabei raus kamen, aber so sind wir wenigstens vorbereitet. Ich will nicht wissen, was sonst passiert wäre. So können w

Von einem Nicht - Treffen

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Atmen. Einfach irgendwie atmen. Zwischen all den Tränen. Eigentlich haben meine Schwester und ihr Freund sich heute Abend dazu herabgelassen, mir mal zwei Stündchen Zeit einzuräumen, damit ich mein Schwesterherz nach einem halben Jahr auch mal wieder kurz sehe. Aber nachdem bis heute Morgen immer noch nichts geplant war, ich darum gebeten hatte, man möge mich auf meinem Diensthandy mal anrufen (es gibt absolut keinen Empfang in diesem Krankenhaus auf dem privaten Handy), um sich zu koordinieren und den ganzen Tag kein Anruf kam, hatte ich schon ein blödes Gefühl. Immerhin habe ich mich die ganze Woche beeilt, Briefe vorgeschrieben, damit ich heute zwar verspätet, aber irgendwie noch zu einer vertretbaren Uhrzeit raus komme. So… - und wer sitzt jetzt hier und nicht bei der Schwester… ? Ich weiß, dass es eigentlich nicht schlimm ist. Aber für meine ohnehin angeschlagenen Nerven ist das gerade ein bisschen viel. Es fühlt sich langsam an, als würde ich als Mensch ständig irgendwie weg gesc

Über Erfolgserlebnisse

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 „Wo kann ich denn noch Wasser für meinen Tee bekommen?“, fragt ein junger Mann, der vorsichtig an der Tür zu unserem Arztzimmer geklopft hat und nun mit Maske vor uns steht, weshalb sein Gesicht nicht genau zu sehen ist. „Entschuldigen Sie – wer sind Sie denn überhaupt?“, fragt der Kollege, der noch mit mir dort sitzt. Ich sehe die beiden Tattoos auf seinem Arm. „Das ist doch Herr [xy]?“ sage ich. „Entschuldigen Sie – Sie sind Herr [xy]?“, fragt der Kollege noch mal nach. „Ja“, entgegnet der Patient, als ob es das normalste der Welt wäre. „Sie laufen?“, fragt der Kollege nach, etwas entgeistert „Ja, das ist doch normal“, sagt der Patient. „Sie hatten einen schweren Schlaganfall“, entgegnet der Kollege. „Was in meinem Kopf los ist weiß ich nicht genau, aber ich hätte gern Wasser für meinen Tee“, wiederholt der Patient sein Anliegen. „Gehen Sie mal bitte nach vorne ins Schwesternzimmer und fragen Sie dort nach“, erkläre ich. Der Patient bedankt sich und stiefelt von dannen. Ich muss kur

Was ist Beziehung?

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 Eine dieser langen Nächte. Einer dieser Nächte, in denen man eigentlich pünktlich im Bett war, aber sich seit drei Stunden von einer auf die andere Seite legt. Im Minutentakt. Auch wenn man nicht schläft, ruht man sich zumindest aus, sagte der ehemalige Freund dazu und ich versuche mich damit zu beruhigen, dass ich schon hoffentlich morgen nicht ganz in den Seilen hängen werde. So viele Medikamente wie jetzt habe ich schon ewig nicht mehr genommen, um den Körper in den Rhythmus und durch den Tag zu zwingen, aber irgendwie bringt das alles nicht so viel. Ich denk über Beziehung nach und was das so ist. Ich denke daran, dass ich im Sommer oft ein sehr, sehr schlechtes Gewissen dem verstorbenen Freund gegenüber hatte. Weil ich das, was ich mit dem ehemaligen, lebenden Freund erlebt habe, mit ihm nie erlebt habe. Ich kann mich an die Anfangszeit erinnern. Als sein Puls bei 120 Schlägen pro Minute und aufwärts war und mein Herz so stark gegen die Brust gehämmert hat, dass es manchmal schon

Von einem langen Gespräch mit dem Intensiv - Oberarzt

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Freitag. Früher Mittag. Mein Intensivoberarzt und ich sitzen mal wieder in einem unserer Besprechungsräume. Ich habe irgendwie gar keine Ahnung, worüber ich heute reden möchte. Es fühlt sich so wenig aufgeräumt in mir an, dass ich gar nicht weiß, was mich jetzt gerade am Meisten bewegt. „Das ist schon ziemlich klassisch depressiv“, sage ich irgendwann. „Diese ganze Schlafproblematik, diese ständige Erschöpfung, die Tatsache, dass die Stimmung morgens meistens ganz gedrückt ist und sich in den späten Abendstunden erst stabilisiert – das kenne ich nur aus Zeiten, in denen es mir wirklich sehr schlecht ging. Und dass der Verlust einer sozialen Bindung (die vielleicht aus seiner Sicht nie eine war) das wieder auslöst – ich meine, ich kenne mich bald 30 Jahre lang, da hätte man den Wecker nach stellen können. Und trotzdem versuche ich jeden Tag dagegen zu halten; ich möchte, dass das ein einziges Mal nicht irgendwann in der Psychiatrie endet, aber das ist echt anstrengend. Mehr als die basa

Von den guten Momenten

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 „Ich habe noch vier Nachtdienste und einen Regeldienst und dann sehe ich meinen Freund. Da weiß man ja wenigstens, wofür man das macht.“ Meine Schwester hat mir eine Sprachnachricht geschickt, in der sie genau diesen Satz sagt, an dem ich hängen bleibe. Sie kommt Mitte nächster Woche hier runtergefahren und dann verbringen die beiden fünf Tage Zeit miteinander. Und das erinnert mich so an meine eigene Zeit im letzten Sommer. Ich frage mich so manchmal, ob ich die Intensivstation gepackt hätte, wenn ich mich nicht immer wieder hätte daran erinnern können, dass es zwischendurch ganz sicher die guten Momente gibt, für die es sich lohnt. Ich brauchte keinen Kalender, ich hatte alles genau im Kopf. Wie viele Tag-/Spät/Wochenend- und 24 – Stunden – Dienste zu absolvieren waren, bis wir uns wieder sehen.   Es hat jetzt lange gedauert – immerhin über zwei Monate – bis ich eingesehen habe, dass ich zurück muss. Zurück in diese Welt, wie sie vorher war. Es tut weh zu sehen, wie aus dem Winter g

Ein Brief an den ehemaligen Freund

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Mein lieber, ehemaliger Freund, ich schreibe so oft Briefe an den verstorbenen Freund und irgendwie habe ich mir überlegt – warum soll ich das mit Dir nicht auch mal machen? Das soll kein Brief werden mit der Intention „wie bekomme ich meinen Ex – Freund zurück?“, ich glaube ich habe es gerafft, nachdem ich zwei Mal gehört habe, dass Du mit mir keine Beziehung mehr führen möchtest. Es soll ein Versuch werden, Kopf und Herz zu synchronisieren. Dem Herzen das mitzuteilen, was der Kopf längst verstanden hat. Ich denk immer noch viel an Dich. Ich hätte mir manchmal gewünscht, Du hättest mich ein bisschen mehr Teil von Deinem Leben sein lassen. Selbst an den Katastrophen durfte ich kaum teilhaben. Kannst Du Dich erinnern, als wir auf dem Weg in den Süden waren, um Deine Ausbildung zu retten? Ich habe mich immer gefragt, wie Du das machst, das alles einfach so hinzunehmen. Du warst angespannt und besorgt, das hat man gemerkt, aber Du hast diese Ängste und Sorgen nicht geteilt. Ich kann mich

Von einer Begegnung in der ZNA

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„Jetzt sag doch mal Deiner zukünftigen Schwägerin Hallo“, höre ich es von draußen. Ich sitze im Schwesternstützpunkt und dokumentiere dort. Der Freund meiner Schwester arbeitet ehrenamtlich im Rettungsdienst und hat heute Spätschicht – das hatte sie mal irgendwann beiläufig erwähnt. Ich habe am Morgen kurz mit der Pflege gesprochen, die mir dann verraten haben auf welchem Rettungswagen er heute fährt und als ich eine Anmeldung von denen im System sehe, trabe ich nach vorne (weil die Neuro am Ende der Notaufnahme liegt und man sich na niemals „zufällig“ über den Weg läuft) und dokumentiere dort weiter. Ich möchte wissen, wie er aussieht. Dieser Mensch, der mir irgendwann im letzten Sommer einen Zettel an mein Auto geheftet hat auf dem stand, dass er mich gesehen hat und mich gern kennen lernen würde. Aufgrund ein paar Verwechslungen in der Folge ist er dann aber bei meiner Zwillingsschwester gelandet und ich war okay damit. Zu dem Zeitpunkt hatte ich ja gerade meinen ehemaligen Freund.

Von Intensiv - Verlegung und einem emotionalen Auffangen

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Freitagmorgen. Der Kollege und ich sitzen zu Zweit auf der Station. Das ist – wenn alles wie geschmiert läuft – machbar, aber wehe, es gibt Probleme. Und der Tag sieht schon in der Früh nach Problemen aus. Eine Patientin liegt auf der interdisziplinären Intensivstation und wurde gestern notfallmäßig intubiert, nachdem sie eine allergische Reaktion auf die Lysetherapie entwickelt hatte – und zwar so heftig, dass man Sorge hatte, dass ihr die Atemwege zuschwellen und man sie deshalb lieber prophylaktisch intubiert hat. Statt zur Frühbesprechung zu gehen, darf ich mich erstmal darum kümmern und mit den Anästhesisten vereinbaren, wie es weiter geht. Der Hals sieht besser aus, man möchte noch eine Laryngoskopie machen und wenn die Schwellung abgeklungen ist, soll sie im Tagesverlauf extubiert und auf die Stroke Unit verlegt werden. Zeitgleich fängt ein anderer Patient an, sich zum Sorgenkind zu entwickeln. Er wurde mit einer atypischen Blutung links okzipital aufgenommen, differentialdiagno

Zwischen die Welten

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Die Kollegen wollen mir weniger Patienten geben. Wogegen ich mich vehement wehre. Ich muss genauso viel tun, wie die anderen. Aber die glasigen Augen verraten mich. In der Frühbesprechung sehe ich den Intensiv – Oberarzt. Ich vermeide es, ihn anzusehen. Das muss mehr Kraft kosten, als ein Mensch haben kann, mich zu halten. Er hat es versucht, aber diese Woche war er still. Ich spüre, wie ich mich in dieser Welt ändere. Wie ich mir selbst zusehe, wie ich über die Flure renne. Und gleichzeitig mit jedem Schritt etwas weiter aus dieser Welt rücke. Die ich schon kaum noch spüre. Da bleibt nichts mehr übrig, als dieser immense Schmerz, wenn die Welten fallen. Ich hab das Handy in der Hand. Seh die Nummer. Drücke fast auf den grünen Hörer. Aber nur fast. Wir sollen das nicht tun. Ich hab Sonntag Dienst. Das hält mich gerade. Ich kann die Kollegen nicht hängen lassen. Ich soll noch ein bisschen hier bleiben. *** Das fühlt sich an, wie eine zweite Trennung. Ich dachte, vielleicht brauchen wir

Turbulente Tage

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Ich wollt' so oft einschlafen und nie wieder aufwachen Zu müde vom Wein'n, zu müde zum Reden, ey, es tut weh Wenn der Mensch, den man eigentlich am meisten liebt Das Vertrauen bricht und nichts mehr geht Wen ruf ich jetzt an? Wärst ja eigentlich du Und der Mensch, der wirklich alles von mir weiß Trotzdem irgendwie drauf scheißt Wer ist jetzt für mich da? Wärst ja eigentlich du Eigentlich du Revelle - Einschlafen   Irgendwann in diesem Dienst habe ich das Bedürfnis mich einfach auf den Boden zu setzen und zu weinen. Allein bis Mitternacht habe ich 15 Aufnahmen und irgendwann weiß ich einfach nicht mehr, wo ich zuerst hinlaufen soll. Ich werfe auf jeden Notfall schnell einen Blick, aber manchmal müssen halt selbst die akuten Notfälle warten. Eine VZV – Meningitis fische ich in dieser Nacht heraus bei einem sehr jungen Patienten, der initial mit Verdacht auf Schlaganfall kam, weil er plötzlich nicht mehr sprechen konnte. Im Nachhinein hört sich das gut an. In der Akutsituation, in