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Es werden Posts vom Dezember, 2022 angezeigt.

Die letzten Worte des Jahres

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Es ist so gut, dass ich es vermeiden konnte heute Abend arbeiten zu gehen. Der letzte Abend des Jahres ist emotional. Immer. Ich weine immer. Und weiß manchmal gar nicht warum. Heute Abend schreibt mir eine ehemalige Mitpatientin aus der Klinik vom letzten Jahr. Wir wollten eigentlich schon vor Weihnachten mal telefonieren, hatten es dann aber nicht mehr geschafft. Ich hatte ihr die Tage eine Sprachnachricht geschickt, mich entschuldigt und erklärt, dass ich einfach keinen Kopf dafür hatte, weil sich mein Freund von mir getrennt hat. Und wer dieser Freund war, das weiß sie auch. „Mondkind, ich habe ein paar Tage gebraucht um zu antworten, weil mich Deine Nachricht so geschockt hat. Ihr hättet Euch noch gut mehr Zeit geben können, aber das lag ja offensichtlich nicht in Deiner Hand. Ich erinnere mich gerade heute Abend so gut an die Zeit vor einem Jahr und wie wir da den Jahresübergang begangen haben. Man hat Euch das angesehen; in jeder Gruppenstunde damals. Ich – und ich glaube auch d

Gedanken am letzten Tag des Jahres

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 Bist du ein Wunderkind oder vor Wunder blind Sag' mir ob du verstehst, dass wir ein Wunder sind Diese Welt wird für Wunder immer blinder Wenn du sie sehen kannst bist du ein Wunderfinder (Alexa Feser feat. Curse - Wunderfinder) Atmen. Und in irgendetwas und irgendwen vertrauen. Am letzten Tag dieses Jahres. Der so anders ist, als es gedacht war. Für mich ist das eigentlich ein wichtiger Tag. Als wäre er ein Abschluss des Alten und ein Versprechen für das, was kommt. Aber ich hoffe, dass dieser Tag keine Vorschau für das neue Jahr wird. Die Wohnung ist geputzt. Die zweite Maschine Wäsche läuft. Ich war einkaufen. Ein ganz normaler Samstag aus früheren Zeiten. Als hätte jemand die Zeit mal um acht Monate zurück gedreht. Ich lasse die letzte Woche Revue passieren. Es ist so viel passiert, dass man meinen könnte, dass es für mindestens einen Monat reicht. Und manchmal glaube ich, ich bin auch irgendwie ein Wunderfinder. Heute Nacht ist mir klar geworden, dass ich die ganze Situation s

Von Abschieden und Gespräch

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„Frau Mondkind, nehmen Sie Ihren Kaffee und kommen Sie mit“, sagt mein Oberarzt. Gerade sind wir fertig mit Pizza essen (ich habe mich hinreißen lassen trotz Magenschmerzen etwas zu essen, immerhin habe ich die Pizza zum Abschied auch spendiert und das mit dem Kaffee ist magentechnisch eher eine semi – tolle Idee, aber ich bin so müde, dass ich im Stehen schlafen könnte). Ich laufe ihm hinterher in einen unserer Besprechungsräume. „Sie sehen langsam aus, als hätten Sie die ganze Woche weder geschlafen noch gegessen“, sagt er. „Kommt ungefähr hin“, sage ich. „Erstmal finde ich das sehr gut, dass Sie sich bei meiner Frau gemeldet und einen Termin vereinbart haben.“ „Danke Ihnen nochmal für das Angebot und dass das jetzt auch schnell geht. Auch, wenn das trotzdem Überwindung war. Ich dachte, das hört irgendwann mal auf, dass ich immer wieder an diesem Punkt sitze. Und das ist schon ein Eingeständnis jetzt. Dass es ohne professionelles Helfersystem gerade nicht geht.“ „Sie brauchen das ger

Perspektiven

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Er hat mir seine Geschichte Mehr als nur einmal erzählt Und nun weiß ich wie es sich anfühlt Wenn einem alles fehlt Und wir sitzen und reden So wie schon oft seit vielen Jahren hier an der Linie 7 und wir warten auf die Bahn (Alexa Feser – Linie 7) „Es gibt natürlich Momente, in denen das Ende dieser Beziehung unglaublich weh tut“, erkläre ich. Und dann rede ich. Über einen Song, der meine Gefühlswelt so oft auf den Kopf stellt. „Ich habe diesen Song erst gehört, nachdem der Freund gestorben ist. Und habe mich sofort darin wiedergefunden. So viele emotionale Momente dieser Beziehung haben sich auf Bahnhöfen abgespielt. Dort haben wir uns so oft begrüßt und verabschiedet, dort ist das Herz so oft gehüpft und hat so viel geweint, dort gab es die besten und schwersten Momente, bis er gestorben ist. Und gleichzeitig - in all diesem Warten dort - hat man so viele Geschichten von anderen Menschen mitbekommen, so viele Menschen immer wieder gesehen, ihren Alltag beobachtet, gesehen, wie ander

Über ein bisschen Hilfe

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 „Pooh, was war das Mutigste, das Du je gesagt hast?“, fragte Piglet. „Ich brauche Hilfe“, antwortete Pooh. „Frau Mondkind, wir sprechen noch“, sagt der Herr Oberarzt, als er mir am Nachmittag auf der Station entgegen gelaufen kommt. Eigentlich hatten wir das schon am Mittag vorgehabt, aber nach Weihnachten ist eben Vieles auf der Station liegen geblieben, sodass wir alle emsig dabei sind zu versuchen, alles abzuarbeiten. Nach der Spätvisite komme ich ihm gerade mit den Kurven der halben Station auf dem Arm entgegen gelaufen, die alle noch für morgen geschrieben werden müssen, als er mich einsammelt. „Waren Sie über Weihnachten bei seiner Familie?“, fragt er. „Ja“, entgegne ich. „Das habe ich mir gedacht. Und deshalb habe ich mir auch schon gedacht, dass wir heute sprechen müssen.“ „Ich glaube, das ist jetzt nicht so geschickt, aber ich glaube, ich muss etwas sagen“, erkläre ich irgendwann. Mein ganzer Körper und meine Stimme zittern, als ich weiter rede. „Wie akut ist das jetzt?“, fra

Über ein endgültiges Ende

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 Irgendwie dachte ich die ganze Zeit, dass das hier irgendein Alptraum ist, aus dem es noch irgendeine Auflösung geben muss. Dass das einfach nicht so sein kann. Und auch, wenn ich sie nicht haben wollte, aber natürlich war sie da. Die Hoffnung. Wer schleppt den bitte seine Exfreundin zu Weihnachten zu Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkeln, wenn er sich hundert prozentig sicher ist, dass das einfach nichts mehr wird? Das kann doch nicht sein, hatte irgendetwas in mir gedacht. Vielleicht braucht er das, vielleicht ist irgendetwas los, von dem ich nichts weiss, vielleicht muss er ein paar Dinge in sich klären und dann bin ich bereit mit dieser Diskrepanz zu leben aus dem, was gelebt wird und dem was kommuniziert wird, auch wenn es unendlich weh tut. War so in meinen Hintergedanken.   Das ist doch viel zu brutal wirklich die Tage die noch bleiben rückwärts zu zählen, die ja nicht nur ein nebeneinander her leben sind, sondern in denen wir gemeinsam aufgewacht sind, gemeinsam schlafen geg

Über das, was fehlen wird

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Wenn du gehst Dann lass 'n bisschen was von dir Hier bei mir, hier bei mir Weil ich eigentlich schon weiß Du fehlst mir (Johannes Oerding – Wenn Du gehst) Dieses Lied lief 2020 im Juli auf der Geschlossenen auf Dauerschleife bei mir. Wer weiß, vielleicht gibt es bald ein Déjà-vu. Oder so. Ungefähr jede Stunde brauche ich Zeit für mich. Um die Tränen mal raus zu lassen, die so viel Druck machen, dass ich kaum noch ruhig am Tisch sitzen kann. Heute Nacht. Der Freund schläft neben mir. Die letzte Nacht. Ich höre ihn ruhig atmen. Er liegt auf dem Rücken und ich traue mich kaum, mich zu bewegen, um ihn nicht zu wecken. Ich denke nach. Über das, was fehlen wird. Wir werden uns nie wieder im Arm halten. Es wird fehlen, dass die Woche zu Ende geht. Dass Freitag wird. Dass ich nach der Arbeit schnell nach Hause fahre. Meine Sachen in die Tasche schmeiße. Es wird fehlen, dass jemand darum bittet Brötchen mitzubringen und – wenn möglich – noch ein Stück Kuchen. Ich kenne seinen Lieblingskuche

Über ein langsames Kippen

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 14. Juni 2022 „[Es ist] so eine unglaubliche Skepsis ob das was da ist, bleiben kann. Ob ich mich nicht nur noch mehr verletze. Denn was ist, wenn ich gespürt habe wie es sein kann und das nicht halten kann? Es ist nicht mal so, dass ich das total kritisch sehe mit uns. Es gibt keinen Grund sehr viel Angst zu haben. Und mittlerweile überlegt der lebende Freund, ob er in meinem nächsten Urlaub nicht auch noch eine Woche Urlaub nehmen kann. Wer viel hat, kann viel verlieren. So ist es einfach. Und so oft wie ich mir auch versuche zu sagen, dass ich dankbar für jede gute Erinnerung bin und keine Angst vor dem Verlieren haben sollte, ist sie doch da. Weil das so oft passiert ist. Weil das jedes Mal so eine Katastrophe war. Weil die Erinnerungen so sehr weh tun. Weil sie nicht mehr den Frieden in sich tragen, der es mal war.“ Meine eigenen Worte. Und doch hab ich es überhört. Gehofft, geglaubt – was auch immer – dass das Mondkindsches Katastrophendenken ist. Dass ich es jetzt endlich mal n

Über die Weihnachtstage

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Ich habe ja schon mehrere verrückte Sachen in meinem Leben getan. Aber das hier ist eindeutig eines der verrückteren Dinge in meinem Leben. Wenn das hier alles so okay wäre, wenn wir nicht nur noch bis morgen Abend Zeit hätten, dann könnte das eines der schönsten Weihnachtsfeste meines Lebens sein. Und irgendwie tut hier jeder so, als sei das alles nicht endlich. Der Freund und ich haben bisher noch nicht darüber geredet, dass wir uns ab morgen einfach nicht mehr sehen werden – oder wenn dann nur noch, um irgendetwas zurück zu tauschen, wobei mir gerade nicht einfiele, was wir noch vergessen haben sollen. Auch seine Familie bezieht mich voll mit ein, als sei das nicht klar, dass ich hier nie wieder auftauchen werde. Als sei das hier alles ein Deckmäntelchen des Friedens, bevor dann meine Welt explodiert. Wenn ich diese Familie hier und mich beobachte und miteinander vergleiche, dann wird mir so einiges klar. Auch so einiges an Reibereien, die der Freund und ich hatten. Pünktlichkeit sc