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Es werden Posts vom Juni, 2022 angezeigt.

Zurück im Intensiv - Drama

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14:02 Uhr. Der Asystolie – Alarm auf der Station bimmelt. Es gibt kein hektisches Rennen über den Flur. Der Patient stirbt. Ich kann mich gut an ihn erinnern. An diesen jungen Mann. Es ist schon Monate her, dass er einst auf unsere Station kam. Er war einer der ersten Patienten, die ich betreut habe. Wenige Tage zuvor waren ihm Herzbeschwerden aufgefallen, weshalb er sich in der Kardiologie vorstellte. Die Herzkranzarterien waren schon fast zu – es wurde die Indikation zur notfallmäßigen Bypass – OP gestellt. Nach der OP ist er nicht richtig wach geworden, hatte eine Halbseitensymptomatik und hat sich respiratorisch erschöpft, weshalb er wieder intubiert werden musste. Ein CT vom Kopf zeigte die Ursache: Multiple Schlaganfälle, die unter anderen den Hirnstamm getroffen hatten – deshalb fehlte ihm der Atemantrieb. Und dann kam er zu uns. Ein typischer Fall. Wenn auch nicht unbedingt in dem Alter. Was mich bewegt hat war – es gab keine Angehörigen. Tage später haben wir herausgefunde

Zerissenheit

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Manchmal sehe ich ihm still eine Weile zu. So, dass er es gar nicht richtig merkt. Und dann denke ich an die Zeit, in der wir uns die ersten Male gegenübergesessen haben. Und ich gehofft habe, dass er mir ein bisschen helfen kann, besser mit dieser scheinbar nie endenden Traurigkeit und dem tiefen Schmerz umzugehen. Dass er mich unterstützen kann bei den ersten wackeligen Schritten zurück ins Leben, die ich so gern gehen wollte, aber von denen ich nicht wusste, wie ich sie setzen soll. Wo mir doch allein das Wort „Suizid“ so viel Angst gemacht hat, so viel Erschütterung ausgelöst hat, dass ich es bis heute kaum aussprechen kann. Er hat mir zurück ins Leben geholfen. Nur irgendwie anders. Ich sehe die Farben wieder. Und wenn ich ihn so durch meine Wohnung strolchen sehe, dann fühle das Wunder, das dieses Leben sein kann. Genau dann, wenn ich überlege, wie viel unsichtbare Distanz zwischen uns war. Als zwischen uns immer ein kleiner Holztisch gehörte. Ich Termine in einer vertikalen Be

Von einem Wochenende und einem Dienst

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Montag früh kurz nach 8. Ich starte das Auto und fahre aus der Nachbarstadt zurück nach Hause, um von da aus aufzubrechen in Richtung Dienst. Um 10 Uhr muss ich da sein. In meinem Kopf tobt ein Feuerwerk. Eigentlich bräuchte ich jetzt erstmal Zeit für Reflexion. Aber die habe ich nicht mehr vor dem 24 – Stunden – Dienst. Ich bete, dass es ein ruhiger Dienst wird. Aber manchmal hat man so ein ganz komisches Magengrummeln vorher. Und manchmal bestätigt sich das. Rückblick.  Park in der Nachbarstadt   *** Samstag. Ich brauche noch den Vormittag, um die Wohnung zu Ende auf Vordermann zu bringen – soweit das eben geht, mit einer halb eingerichteten Wohnung. Der Wocheneinkauf muss noch erledigt werden und die Wäsche den Weg in die Waschmaschine finden. Irgendwann am frühen Nachmittag meldet sich mein Freund. Er ist immer noch im Ausland, hat aber einen Plan. Hinter der Grenze möchte er die letzte Verbindung in den Ort in der Ferne nehmen, die es gibt. Na, ich sehe das kritisch, dass dieser

Von Ambivalenz, Sehnsucht und Reiseplanung

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Die Vorbesitzer waren keine Könner Manche sogar das Gegenteil von talentiert Man sieht es an den Rissen und den Schrammen Es wurde mehr als nur ein paar mal repariert Ich habe oft das in der vorletzten Sekunde Die Leih-Verträge wieder annulliert (Alexa Feser – Herz aus zweiter Hand) „Manche Dinge muss man vor den Baum fahren.“ Das Resultat nach knapp vier Stunden Telefonat, nachdem wir die letzte Stunde fast nur geschwiegen haben. Die Antennen auf Hochleistungsempfang und jedes Mal wenn er zum Reden ansetzt, habe ich Angst, was jetzt kommt. Ich spüre mein Herz gegen die Brust hämmern; spüre diesen Schmerz, den ich zu gut kenne. Bitte nicht schon wieder. Bitte. „Ich glaube die Kapazitäten für „vor den Baum fahren“ sind langsam erschöpft“, sage ich irgendwann. Dafür kann er auch nichts, er hat den Großteil meiner Geschichte nicht geschrieben und nicht miterlebt und hat erst meinen Lebensweg gekreuzt, nachdem das Herz so oft repariert wurde, ich es immer wieder in den Takt gezwungen

Der erste Sommer

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2017. Irgendwie war es dann doch eskaliert. Ich hatte mich zu sehr verzettelt. Mit mir und meinem Leben. Und ich wusste nicht mal, ob ich überhaupt noch leben wollte. Vollbremsung. Von heute auf morgen. In der Psychiatrie. So viele Dinge, die neu waren. Einfach mal am Wochenende um acht Aufstehen, Haare waschen, in Ruhe frühstücken. Hatte ich seit Jahren nicht gemacht. Weil ich ja immer spätestens um sechs am Schreibtisch sitzen und lernen musste. Ein „zu – Hause – auf – Zeit.“ Es gab sonst nichts, das ich damals als sicheren Ort bezeichnet hätte. „Ihre Wohnsituation ist eine Vollkatastrophe“, pflegte der sehr geschätzte Herr Psychiater zu sagen. Und irgendwann wurde es Normalität, dass der verstorbene Freund ständig vorbei kam. Ich kannte wahrscheinlich jeden Strauch und jedes Blatt auswendig auf dem Weg um die nahe gelegene Rennbahn, um die wir fast täglich spaziert sind. Um dann im nahe angrenzenden Wald unter dem Schatten der Bäume zu sitzen. Rücken an Rücken und den anderen be