Ein kleines Review des PJs und Prüfungskomission fürs m3
Donnerstagnachmittag.
Ich schnappe meinen Beutel und laufe ein letztes Mal über die Station.
Ein letztes Mal fällt die weiße Glastür hinter mir zurück ins Schloss, ehe ich
ins Treppenhaus abbiege, auf der ersten Etage den Glasgang nehme und in den
Keller des Nebengebäudes gehe, um zu meinem Spint zu gelangen. Einige
Spinttüren stehen schon offen; die Schlösser haben ihre Besitzer mitgenommen.
Und während ich meinen blauen Kasack und die weiße Hose ausziehe und
in meinen Alltagsklamotten in wenigen Minuten wieder ein „Normalo“ auf dem
Gelände sein werde, wird mir klar: Es ist vorbei.
Irgendwie ist die Chirurgie überstanden. Und während das Ende des
letzten Tertials sehr traurig war, bin ich heute einfach nur erleichtert. „Die
Wiedererlangung der Menschenrechte“ – so hatten andere PJler das Ende des praktischen
Jahrs definiert. Ich bin also nicht die Einzige, die die letzten Monate emotional
sehr anstrengend erlebt hat.
Das nächste Mal, wenn ich in einem weißen Kittel über die Station
fege, werde ich – wenn man vom Examen absieht und alles klappt, wie geplant –
Assistenzärztin in der Neurologie sein.
Und ein bisschen frage ich mich, ob ich bereit dafür bin. Ob ich genug
gelernt habe und die Verantwortung für meine Patienten tragen kann. Schließlich
kann ich dann nicht mehr sagen: „Ich sage mal dem Stationsarzt Bescheid…“ Dann
bin ich dieser Weißkittelträger, auf den die Menschen ihre Hoffnungen und
Ängste projizieren und deren Worte einige Patienten für bare Münze nehmen.
Als ich ins Freie trete, scheint die Sonne und es ist so warm, dass
selbst die Übergangsjacke etwas zu viel erscheint. Schnell haste ich noch in
der Bibliothek vorbei, um ein paar Zettel zu kopieren, die ich nächste Woche
abgeben muss und dann schwinge ich mich auf mein Fahrrad und fahre heim.
Ein bisschen frage ich mich: Wo ist die Zeit? Unglaublich, dass bald
schon wieder April ist. Dass ein Viertel des Jahres vorbei ist und es kaum Tage
gab, von denen man der Meinung war, dass es sich dafür gelohnt hat und dass sie
gut waren. Ein bisschen schmerzt das. Wenn ich mir vorstelle, wie gut einige
Tage im letzten Sommer waren – trotz hoher Arbeitsbelastung im PJ – dann ist
vieles von dem was ich tue, immer noch Verschwendung von Lebenszeit.
Das Chirurgie – Tertial hat mich einiges gelehrt. Nur Chirurgie eben
nicht.
Ich habe gelernt, dass irgendwann der Punkt kommt, ab dem ich mich wie
automatisiert auf die Hinterfüße stelle, um mich selbst zu schützen. Sei das
nun, dass ich mit bestimmten Leuten nicht mehr in den OP gegangen bin, oder
dafür gesorgt habe, dass ich die Therapietermine einhalten konnte. Ich habe mir
nicht mehr heraus genommen, als die anderen, die halt aufgrund wöchentlicher „Erkältung“
oder Alkoholexzessen gefehlt haben. Aber
ich habe auch meine Prioritäten gesetzt und nicht alles mit mir machen lassen –
wenn auch wahrscheinlich immer noch viel zu viel.
Oft habe ich gehört: „Mondkind – Du kannst überall einen Job haben.
Warum gehst Du so weit weg?“ Ich habe nochmal eindrücklich gelernt, wie wichtig
eine Atmosphäre von Kollegialität und gegenseitiger Wertschätzung ist. Und auch
wenn viele das an der Uni wahrscheinlich nicht glauben: Krankenhaus muss nicht
wie das Militär funktionieren. Natürlich ist das zu tun, was der Vorgesetzte
sagt, aber den Respekt kann man sich auch über einen menschlichen Umgang mit
den Assistenten und Fachkompetenz erwerben.
Und so generell ist es ein Kapitel, das sich hier dem Ende neigt.
Heute vor einem Jahr saß ich hier und habe vieles in Frage gestellt.
Ob es richtig ist, so lange weg zu gehen. Ob ich viel und genug lernen werde? Ob
ich das PJ überhaupt schaffe? Ob ich heute in einem Jahr da sitzen werde und
weiß, wie meine Zukunft aussieht? Ob es sich gelohnt hat, über den eigenen
Schatten zu springen? Ob es richtig war, acht Monate am Stück nicht da zu sein?
Ich muss es nicht wiederholen – Innere und Neuro haben mich eine Menge
gelehrt. Und weit weg von der Studienstadt zu sein war das Beste, das ich tun
konnte. Fachlich und für mich selbst.
Wenn ich ein Jahr lang Blut auf verschiedensten Stationen abgenommen
hätte – wie hätte ich wissen können, ob ich diesen Job schaffen kann? Ob
es das Richtige ist? Ob ich das Fach wirklich gern mag, von dem ich das bis
dato hoffe?
Für mein Selbstvertrauen war es glaube ich – auch wenn ich abends
immer heilfroh war, es geschafft zu haben – ein riesiger Sprung, dass man mich
in die Notaufnahme gestellt hat. Vielleicht ist eine internistische Notaufnahme
für mich nicht der „place to be“ und vielleicht war es manchmal etwas mehr, als
man einem PJler zutrauen sollte, aber es hat mir gezeigt, was ich alles
schaffen kann. Und nebenbei habe ich auch gelernt nicht gleich selbst einen
Herzinfarkt zu bekommen, wenn es einem Patienten schlecht geht. Erstmal die
Vitalparameter ermitteln und sichern und dann besonnen weiter überlegen.
Spätestens in der Neuro habe ich auf der Stroke Unit gelernt, wie man
Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung betreut. Ich habe mich mit der Diagnostik,
deren Auswertung, Zusammenführung der
Ergebnisse und der daraus folgenden Therapie beschäftigt. Ich habe
Angehörigengespräche geführt, mit anderen Krankenhäusern, niedergelassenen
Ärzten telefoniert, Patienten verlegt, Reha – Anträge und Entlassbriefe
geschrieben. Und ich habe praktische Dinge gelernt – die neurologische
Untersuchung im Allgemeinen und zugeschnitten auf spezielle, häufig vorkommende
Krankheitsbilder und auch endlich die Lumbalpunktion."Mini - Assistenzärztin" haben mich dort manche genannt und das ist meiner Meinung nach auch das, was ein PJ sein sollte.
Und ehrlich gesagt – wenn ich das rückblickend betrachte, kann ich
vielleicht ein bisschen stolz auf mich sein.
Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen immer noch meilenweit
auseinander. Ich sollte bei Staatsexamen wenigstens so tun, als sei ich
selbstbewusst. (Obwohl mir mein Doktorvater ja letztens bescheinigt hat, dass
mein Auftreten sich verändert hat). Ich zweifle immer noch täglich an meinem
Können. Allerdings halten die Neurologen ja offensichtlich so einiges von mir
und auch einige Patienten von der herzchirurgischen Station, die teilweise
schon länger da waren als ich, sagten mir gestern, dass sie mich vermissen
werden und sie selten so eine fürsorgliche Studentin erlebt haben. „Die ist so
ein Sonnenschein und stechen kann Sie auch“, erklärte gestern einem Patient
seiner Schwester und es hat mir schon fast leid getan nicht mehr zu kommen,
weil er wirklich Tränen in den Augen hatte.
Und so ungern wie ich auch da war – aber ich habe mir immer Zeit für
ein Gespräch genommen, wenn es der Patient gerade gebraucht hat. Auch, wenn ich
dadurch noch ein bisschen später nach Hause kam.
Heute ist zudem zumindest mal die Prüfungskommission bekannt gegeben
worden – wenngleich wir immer noch kein Datum haben.
In Innere habe ich es nicht so gut erwischt – da habe ich einen
Hämatoonkologen /Immunologen. Und wenn ich etwas in der Inneren abgrundtief
hasse, dann ist es Hämtoonkologie. Nicht, weil es uninteressant ist – im Gegenteil
– sondern, weil ich es einfach nicht kann. Aber es hilft nichts – das ist die
Spezialaufgabe für die nächsten Wochen. Wobei sein Forschungsgebiet zu den wirklich
interessanten Seiten der Hämtoonkologie gehört und ich mir das ohnehin noch
genauer anschauen wollte, weil man daraus nämlich einen Neuro – Fall basteln
kann. (CIDP und MGUS, falls das wem etwas sagt… - da hatte ich tatäschlich mal einen Fall in der Neuro - mega interessant.)
Die Allgemeinchirurgie hat sich zumindest insofern gelohnt, als dass
ich einen Allgemeinchirurgen zugeteilt bekommen habe. Chirurgie habe ich bis
jetzt viel zu wenig gemacht – da werde ich mich in den nächsten Tagen mal auf
Kurzlehrbücher und Frage – Antwort – Bücher mit dem Schwerpunkt
Allgemeinchirurgie stürzen. Und zumindest ist es keiner der Allgemeinchirurgen,
mit denen ich da so meine einschlägigen Erlebnisse im OP hatte.
In Neurologie habe ich einen Neurologen zugeteilt bekommen, den ich
schon aus Vorlesungen kenne – ich hatte ja geglaubt, dass es vielleicht nicht
gut ist, wenn ich so gar nicht einschätzen kann, wer da vor mir sitzt, was nun
mal der Nachteil davon war, das PJ nicht an der Uni zu machen. (Meine Mutter
war bei dem glaube ich schon in Behandlung... Ob das jetzt positiv oder negativ
ist, wird sich zeigen). Jedenfalls ist sein Forschungsschwerpunkt Parkinson und
ich bin meinem Neuro – Oberdoc gerade so unendlich dankbar, dass er mich zu
dieser mündlichen Prüfung zum Thema Parkinson gezwungen hat. Das war nämlich
auch immer so ein Thema, mit dem ich auf Kriegsfuß stand, aber nachdem ich mit
dem Oberarzt der Parkinson – Station nochmal alles durchgesprochen hatte, das
Kapitel in der „Neurologie – Bibel“ gelesen und die Leitlinien durchgearbeitet
hatte, fing es echt an Spaß zu machen. (Ich glaube, ich werde das dem Neuro –
Oberdoc mal irgendwann schreiben bei Gelegenheit… ;)
Der HNO – Prüfer kommt aus einem externen Krankenhaus – den kenne ich
nicht. Mal schauen, was sich da so ermitteln lässt.
Ansonsten wird der nächste Blogpost nicht lange auf sich warten
lassen. Mir schwirrt eine Menge im Kopf herum, was sich noch irgendwie zu
Worten formatieren muss. Ich hatte gestern ein langes Telefonat mit dem
Seelsorger aus dem Ort in der Ferne. Mir sind nochmal ein paar Dinge klar
geworden in den letzten Tagen und irgendwie machen mich viele Dinge sehr
traurig. Lösen kann man das erstmal nicht – nur akzeptieren, dass es da ist.
Heute Abend – spätestens morgen Früh – werde ich einen Lernplan
erstellen. Und versuchen, mich Tag für Tag zu motivieren. Dass man seit 10
Monaten nicht mehr als ein paar Tage frei über Weihnachten hatte (und das war
ja auch nicht sehr entspannend), macht sich langsam bemerkbar. Ich bin sehr,
sehr müde und die Aufmerksamkeitsspanne liegt derzeit bei maximal zwei Stunden.
Einen guten Start ins Wochenende wünsche ich allen Lesern!
Mondkind
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