Begegnungen aus einem Sonntagsdienst

Sonntag. Dienst. 
Ich fege gerade über die Notaufnahme und werfe – wie so oft – einen Blick ins Wartezimmer, wenn ich daran vorbei laufe, als mir ein sehr bekanntes Gesicht ins Auge springt. 
Einer meiner früheren Oberärzte aus der Psychosomatik, der dann die Klinik gewechselt hat, sitzt dort. Der Clou an der ganzen Geschichte ist, dass ich mir schon quasi seit der Facharztprüfung überlegt habe, ob ich ihm mal schreiben soll. Vielleicht könnte er mir einen Rat geben, wie ich jetzt weiter machen kann – immerhin gibt es mehr Möglichkeiten, als einen zweiten Facharzt. Ich könnte zum Beispiel auch eine Zusatzbezeichnung machen. Nur weiß ich nicht, ob so etwas dann ausreichen würde, oder nicht. Und wenn ich die Klinik wechseln würde, ist ja immer noch die Frage, wohin. Gehe ich hier an den Standort, oder probiere ich mal eine andere Klinik aus? All das sind Fragen die mich umtreiben, aber irgendwie dachte ich mir auch, ich soll an Oberärzte nicht mit einem ganzen Bündel von Fragen ohne Konzept herantreten. 
 
Während ich meinen Patienten in der ZNA versorge, denke ich kurz darüber nach ihn einfach mal anzusprechen und dann zu gucken, was passiert. Aber da ist die Frage: Kennt er mich überhaupt noch? Wir haben nur zwei Monate zusammen gearbeitet… 
 
Als ich auf dem Rückweg aber wieder am Wartezimmer vorbei laufe und unsere Blicke sich treffen meine ich an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen, dass er weiß, wer ich bin. Ich gehe ins Wartezimmer, wir begrüßen uns, er berichtet ganz aufgeregt von den neuesten Ereignissen bei ihm und dann erzähle ich, dass ich in letzter Zeit häufig darüber nachgedacht hatte mich zu melden, es aber bis jetzt nicht gemacht hatte. Er beglückwünscht mich erstmal zum Facharzt und wir beschließen, dass wir das die Tage nochmal in Ruhe besprechen. 

Der Tag besteht heute zum großen Teil aus Konsilen und am Nachmittag treffen sich der Visitendienst und ich wieder in der Notaufnahme.
Die Kollegin schreibt ihre Dopplerbefunde, ich schaue die Konsile aus der ZNA durch. 
„Ich habe übrigens kürzlich nochmal mit der Exfreundin von Deinem Freund telefoniert“, sagt sie irgendwann. Das ist eben doch das Dorfleben an der Stelle. Jeder kennt irgendwie jeden – und das geht selbst weiter, wenn die Menschen irgendwann gar nicht mehr hier leben. Die beiden sind befreundet. 
„Mh“, knurre ich. 
„Sie hat mich gefragt, ob „seine neue Freundin das immer noch mit ihm aushält““, redet sie weiter, ohne dass ich einen Kommentar einschmeißen kann. 
„Und, was hast Du gesagt?“, frage ich. 
„Ich habe dann schnell das Thema gewechselt, ich wollte das jetzt nicht ausbreiten“, erklärt sie. 
„Na bloß gut“, entgegne ich. 
„Ich meine ja nur“, sagt sie. „Einfach war es wohl noch nie mit ihm.“
„Naja, allein die Wortwahl spricht ja Bände“, entgegne ich. „wobei „Aushalten“ halt schon ab und an der richtige Ausdruck ist.“ 

Ich denke daran, dass wir am Wochenende eigentlich nochmal „ausführlich“ über unsere Beziehung reden wollten und ich weiß auch nicht, warum ich da so große Hoffnungen hinein gesetzt habe. Denn am Ende hat das nur wieder mit viel Schulterzucken seinerseits geendet. 

Mondkind


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