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Über Bindungsverhalten

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Die Woche war hart. Sehr hart. Immer noch Unterbesetzung auf der Station, zwei Dienste und damit auch zwei Nächte, in denen ich glücklicherweise sogar je eine Stunde schlafen konnte. Ich habe mich sogar für die Sonntagnacht angeboten, die noch zu verteilen war, aber offensichtlich brauchte man mich nicht. Wäre sonst auch meine Dritte in Folge gewesen, vielleicht wollte der Oberarzt andere Lösungen. Tagesüber arbeiten, abends versuchen den Kardiochirurgen ins Gespräch zu bringen, nachts reflektieren. Wenn wir es nicht ausdiskutieren, dann werden wir wahrscheinlich irgendwann einfach wieder aufhören darüber zu reden, bis es das nächste Mal eskaliert. Und da wir heraus gearbeitet haben, dass ich das absolut nicht abkann, wenn Dinge passieren, von denen ich nichts weiß – wie zu Beispiel ein Dienst, der zwar im Dienstplan stand, aber von dem ich nichts wusste, weil er seine Dienstopläne nicht teilt oder selbst nicht rein schaut – wird das wohl nicht lange dauern. Einen Dienstplan für Februa...

Von einer Begegnung nachts um drei

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Er schaut starr auf die Kaffeemaschine auf der Theke neben uns. Seine Kiefermuskeln sind angespannt. Trotz des Pullovers und der Jacke, die er übereinander trägt, friert er. Mir fällt auf, wie viel Müdigkeit und Erschöpfung in seinen Augen und in seinen Gesichtszügen liegt. Wie weit weg das ist von dem Mann, den ich irgendwann mal kennen gelernt habe. Am liebsten würde ich aufstehen und ihn umarmen. Aber deswegen sind wir nicht dort.   Ich sitze ihm gegenüber. Auch in meine Fleece – Jacke eingewickelt. Die Arme verschränkt. Ich brauche Erklärungen, aber ich weiß, dass ich die nicht bekomme.   Telefon. „Mondkind, was ist denn mit dem Patienten hier in der ZNA?“ „Ich komme gleich. Du kannst sie in der Zwischenzeit zum Röntgen bringen, okay?“   „Ich habe auch viel über Trennung nachgedacht in den letzten Tagen“, sagt er. Schon komisch, dieses alte Muster. Immer wenn ich gerade mal das Gefühl habe, es läuft gerade irgendwie besser kracht es wenige Tage später so sehr, dass wi...

55 Monate

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Mein lieber Freund, wie geht es Dir?   Gestern habe ich die Nase ein bisschen in den Frühling gesteckt. Zwar war es ziemlich kalt, aber die Sonne hat geschienen und viele Menschen waren unterwegs. Irgendwie hat es dem Gemüt ziemlich gut getan, obwohl ansonsten alles ziemlich schwierig und anstrengend ist.   Deine Lieblingsärztin versucht, für den Facharzt zugelassen zu werden. Aber das ist gar nicht so einfach. Das erste Zeugnis, das ich bekommen habe, kannst Du „zerreißen“, um es mit den Worten einer meiner Oberärzte zu wiederholen. Ich weiß nicht, wie lange dieser Weg zu einem richtigen Zeugnis noch wird, wie lange es noch dauert bis zur Prüfung und wie viele Ressourcen das noch fressen wird. Aber langsam formieren wir eine kleine „Facharzttruppe“ und das ist etwas Schönes. Ich habe sogar wieder ein bisschen Motivation zum Lernen gefunden, wenn ich nicht gerade dauermüde bin und lese sogar Fachzeitschriften, was ich nie getan habe.   Weiß Du, was ich Dir mal erzählen wo...

Von Zeugnis und Beziehung

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Die gute Nachricht ist: Ich habe ein Zeugnis. Die schlechte Nachricht ist: Darauf haben weniger als die Hälfte derer unterschrieben, die unterschreiben müssen. Donnerstagmittag habe ich tatsächlich diesen sehnsüchtig erwarteten Zettel in meinem Fach gefunden und natürlich wanderte mein Blick sofort auf die letzte Seite dieses Zeugnisses. Unterschrieben haben der Chef, der ehemalige Chef (die haben das Zeugnis also tatsächlich durch die Gegend geschickt…) und der Intensiv – Oberarzt. Abgesehen davon, dass es schon mit einem Fehler im Geburtsdatum los geht, fehlen aber die Unterschriften eines zweiten ehemaligen Chefs, der mittlerweile im Vorstand ist (oder auch schon nicht mehr, ich weiß es nicht) und vor allen Dingen die Unterschriften der beiden Reha – Chefs und damit der beiden Leute, um die es hier die ganze Zeit geht. Ich habe Donnerstag und Freitag mehrere Male mit der Ärztekammer telefoniert, weil der aktuelle Chef ja immer postuliert, dass er auch alleine unterschreiben kann. Ka...

Momente und Gedanken der letzten Tage

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Der Chef versucht es irgendwie zu beschönigen, aber es gibt nichts zu beschönigen. Die Abteilung dekompensiert. Aber gewaltig. Mehr als die Hälfte der Kollegen fehlen, wahrscheinlich sogar fast Dreiviertel. „Wer ist heute auf der Intermediate care station?“, fragt er am Morgen „Ich“, sage ich und hebe den Finger. „Und wer ist auf der Kurzliegerstation?“, fragt er. „Last man standing“, antwortet ein Kollege. *** Sonntag. Nachtdienst. In diesen Nachtdiensten, nach denen man noch den ganzen folgenden Tag arbeiten muss, hofft man immer, dass man doch ein paar Stunden Schlaf erhaschen kann. Aber mit fünf Patienten in der Nacht über die Notaufnahme und einigen instabilen Patienten auf Station, wegen derer die Pflege ständig anruft, ist das ein hoffnungsloses Unterfangen. Montag. Morgens um acht Uhr. Ich bin streng genommen seit 24 Stunden wach, als ich in der Frühbesprechung sitze und mir fast die Augen zufallen. Auf der Station sind wir an dem Tag immerhin noch anderthalb Mitarbeiter. Pünkt...

Bewegung

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Irgendwie verschiebt sich diese Beziehung. In einer Art, die ich selbst noch nicht richtig einordnen kann. Die Dinge verlieren ihre Bedeutung. Es ist alles nicht mehr so wichtig. Ich merke, wie ich anfange, mich in meiner Wohnung wieder wohler zu fühlen, Zeit alleine wieder mehr zu genießen. Ich spüre, wie ich aufhöre jede freie Minute mit dem Kardiochirurgen verbringen zu wollen, wenn das ohnehin nicht funktioniert. Und auf irgendetwas zu warten, das die letzten anderthalb Jahre nicht passiert ist. Wir werden unsere Leben nicht so teilen können, wie ich mir das wünsche und wie ich das auch für diese Beziehung bräuchte. Wir werden keinen Alltag etablieren können und wahrscheinlich an normalen Tagen nie gemeinsam den Tag beginnen oder beenden. Und ich glaube, langsam kommt das auch mal bei mir an. Also so wirklich, nicht nur rational. Ich erwarte einfach nichts mehr, ich beeile mich nicht mehr besonders, ich nehme die Dinge, wie sie eben kommen - oder auch nicht kommen. Und das schafft ...

Schnipsel

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Irgendwo. Zwischen zu vielen Überstunden auf der Arbeit Zwischen dem Versuch, noch irgendwie die Facharztlernerei dazwischen zu quetschen, was ungefähr täglich scheitert. Zwischen einem erschöpft ins Bett fallen, dem Versuch zu Reflektieren, zwischen zu viel und zu wenig fühlen gleichzeitig.   Letztes Wochenende. Das erste freie, gemeinsame Wochenende seit ewigen Zeiten. Und irgendwie konnte ich mich sogar einigermaßen entspannen. Eigentlich hätten wir weg fahren wollen an diesem Wochenende, sodass es aus dem Lernen quasi ausgeplant war. Am Ende haben wir nur wieder nicht geplant, es lag zu wenig Schnee in der näheren Umgebung, um in den Schnee zu fahren und ich war darüber hinaus Freitag und Samstag so erschöpft und müde, dass mir eigentlich alles egal war. Sonntag. Heute sind wir mal wieder ins Umland gefahren, wandern auf einen Berg in den Resten des Schnees, der dort noch liegt. Sitzen da oben auf den Felsen und genießen die Aussicht. Schauen uns den Nebel an, der noch im Tal h...