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Geburtsstadt und Omi

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 Wochenende.  Ich habe mal wieder ein dienstfreies Wochenende und habe mir überlegt, meine Oma besuchen zu fahren. Unser Verhältnis war auch mal sehr angespannt über die letzten Jahre und wir konnten uns eine Weile nicht sehen, aber das geht sehr viel besser seit geraumer Zeit.  Ich hatte nach dem Facharzt schon versprochen vorbei zu kommen, aber dann war genau am anvisierten Wochenende unsere Tante zu Besuch – deshalb hat es dann doch etwas länger gedauert.  Die Geburtsstadt.  Wir haben nicht lange dort gelebt. Nur die ersten beiden Jahre.  Und dann waren wir jeden Sommer dort und unsere Oma hat sich wirklich immer Mühe gegeben, uns ein oder zwei schöne Wochen zu ermöglichen.  Vielleicht ist deshalb der Eindruck entstanden, dass diese Stadt alle großen Katastrophen ausgespart hat. Weil es die zwar gab, aber nicht dort.  Ich liebe dieses Gefühl von Wärme in der Nähe des Herzens, wenn ich von der Autobahn abfahre, die Stadt unter mir liegen sehe un...

Von Therapietelefonat und Stationsarbeit

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 Es ist weiterhin viel. Und ich weiß, dass mich das früher viel mehr an meine Grenzen gebracht hätte.  Manchmal frage ich mich  aber, ob ich die mittlerweile einfach nur nicht mehr spüre. Weil es ohnehin wenig Wahl gibt.  Dienstag.  Ich habe Frau Therapeutin in der Leitung. Den Termin hatten wir schon in der Woche davor gemacht und eigentlich war er für etwas ganz anderes gedacht.  Ich rede über die neuesten familiären Entwicklungen. Auf allen Seiten. Auf der einen Seite muss ich mich kümmern. Menschlich und fachlich. Ich bin halt Neurologin, da muss ich zumindest in der eigenen Familie ein Auge auf die Dinge haben. Und auf der anderen Seite gibt es diese Anschuldigungen.  „Das kam ziemlich unerwartet“, höre ich mich sagen.  Es geht um das Warum. „Ich weiß auch nicht, warum man nach all den Jahren diese Dinge wieder hoch holt. Es gab kaum Kontakt in den letzten Jahren, ich kann rein objektiv kaum etwas falsch gemacht haben“, sage ich. Und reflekti...

Reflexion zum Jobwechsel und Familienkommentare

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Die letzte Woche war wild.  Zentrum der Gerüchteküche zu sein, macht nicht unbedingt Spaß.  Und über drei Ecken zu hören, warum die Kollegen aus der Psychosomatik meinen, dass ich noch nicht kommen kann, ist auch nicht schön.  Hinhalten auf allen Seiten. Einer Freundin aus der Psychosomatik habe ich schon vor zwei Wochen gesagt, dass ich mich jetzt kümmere. Die leitende Oberärztin, die mir ja nun schon mehr oder weniger ungefragt ihre Handynummer aufs Auge gedrückt hat, wartet auf Entscheidungen. Die Neuro – Rotationspläne fürs nächste Jahr werden bald festgelegt.  Ich mache es mir hier nicht einfacher mit meiner Unentschlossenheit.  Ich hätte das gern nochmal an meinen üblichen Stellen besprochen, aber das geht nicht und ich kann auch nicht mehr darauf warten.  „Können wir reden?“, schreibe ich einem Menschen, mit dem ich mal sehr verbunden war und der heute noch zu denen zählt, der mich am besten kennt. Am Abend darauf telefonieren wir. „Ich hatte den Ein...

Von Gefühlen und Objektivität

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Es ist ein bisschen still hier.  Nicht, weil es still in mir ist.  Sondern weil ich Texte anfange sie zu schreiben und nicht fertig schreibe. Weil dazwischen etwas anderes wieder aktuell wird. Oder ich nicht dazu komme, sie zu veröffentlichen, bis ich mich wieder mit etwas anderem beschäftigen muss. Oder, weil ich sie nicht veröffentlichen will.    Fakt ist, es ging mit lange nicht so schlecht.  Und bevor die Leute jetzt kommen mit „das war absehbar“ – irgendwie habe ich gehofft, dass der Facharzt ein Reset wird. Ich habe gehofft, der Freund und ich werden danach die Beziehung anders gestalten können. Vielleicht war ich ja wirklich etwas überreizt in den Monaten davor und es würde irgendwie einfacher werden. Vielleicht, so dachte ich, bringt uns die unfreiwillige Pause irgendeiner Form von Zusammenleben am Ende doch wieder näher zusammen.  Und mit dem Job – ich dachte, ich spreche einfach mit den Chefs von der Psychosomatik und dann läuft das schon. Ich wil...

Ein paar Gedanken

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Freitagabend.  Ich weiß gar nicht genau, wie spät es ist. Gerade sind 100 % Fokus nötig. Ich habe den Neuroradiologen in der Leitung, um eine Thrombektomie zu besprechen. „Vielleicht können wir es in Sedierung versuchen – ich habe schon Angst, dass wir einen 87 – jährigen Herrn danach vielleicht nicht extubieren können und er dann zum nächsten traurigen Fall auf unserer Intensivstation wird“, sage ich gerade, als sich die Tür der Notaufnahme öffnet und mir einer der Oberärzte einen Brief aus einem Krankenhaus hunderte Kilometer weit weg bringt über einen Patienten, den ich gerade parallel im Schockraum versuche aus dem Status zu holen und den das andere Haus netterweise her gefaxt hat. Levetiracetam hat nichts gebracht, Lacosamid läuft, aber ich sehe das sehr kritisch. Mit einem halben Auge lese ich, dass er wohl schon häufiger im Status war und auch schon öfter intubiert. „Wir können das versuchen“, höre ich den Neuroradiologen wieder, „aber Sie müssen die Angehörigen halt trotzde...

64 Monate

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Mein lieber Freund,  sag, wie geht es Dir?  Hier ist mittlerweile fast Winter geworden. Irgendwie hat die Uhrenumstellzeit augenblicklich für dieses Winterfeeling gesorgt. Seitdem ist die Sonne quasi nicht mehr sichtbar – selbst wenn die scheinen würde. Man kommt im Dunklen und man geht im Dunklen. Irgendwie hatte es aber neben der Schwere des Winters dieses Jahr auch irgendetwas Erleichterndes. Dieser Sommer, der mich dieses Jahr bis August fast erdrückt hat, hat etwas Neuem Platz gemacht und vielleicht kann ich Gefallen finden an meiner Sofaecke mit einem Kakao und einem Buch im Winter. Sie ist mein liebster Platz geworden in meiner Wohnung.  Mein letzter Monat war ganz gut – zumindest von außen betrachtet. Wir waren im Urlaub. Ich habe ein Buch unter Palmen gelesen, das Meer gefühlt und bin mit der Kamera den Sonnenuntergängen hinterher gerannt, wir haben Schildkröten im Wasser gesehen, ziemlich tolles Eis gegessen und wir hatten uns mal eine Woche so ganz. Nach all de...

Von einem Konzertwochenende

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Und dann stehen wir da. In der dritten Reihe vor der Bühne. Der Freund hinter mir, die Arme um mich herum geschlungen.  Meine Schwester neben mir und ihr Freund auch hinter ihr. Und für den Moment ist alles gut. Mein Kopf und mein Körper sind beschäftigt mit dem Abend, durch den Florian Künstler uns führt. Die Bässe bestimmen den Herzschlag, die gesungenen Songs die Stimmung. Da ist kaum noch Platz für eigene Gedankenschleifen. Einfach mitreißen lassen, singen, tanzen und fühlen.    Es kommt immer mal wieder die eigene Biographie von ihm durch.  Wenn er nachfragt, ob es Pflegeeltern im Publikum gibt. Wenn er „Tausende Mehr“ anmoderiert und die Geschichte erzählt, wie seine Rettungssanitäter – Kollegen ihn mit einer Panikattacke zu Hause im Wohnzimmer aufgesammelt haben und er eigentlich keine Ahnung hatte, was mit ihm passiert. Wenn er davon spricht, dass die Dinge temporär sind, dass ihm das geholfen habe, dieses Vertrauen in die Aussage seiner Behandler, dass es be...