Umgang mit dem Bloggen

Wenn man mit anderen Menschen ganz allgemein über das Thema Bloggen redet, kommt immer wieder dieselbe Reaktion: Wie kann man nur das eigene Leben im Internet teilen? Auf der einen Seite machen sich alle Menschen Gedanken um Datenschutz und jede Lücke im System führt zu großem Aufruhr und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die ihre Gedanken in die Welt hinaus schreien.

„Mondkind, Du kannst so gut schreiben. Mach etwas aus diesem Talent.“ So oft wurde das an mich heran getragen. Dass die Texte die Menschen ansprechen, habe ich immer wieder erfahren – auch wenn es für mich selbst jedes Mal aufs Neue erstaunlich war und ich bis heute noch nicht weiß, warum das so ist. In der Schule war immer ich es, die schreiben musste oder durfte – je nach Situation – wenn die Stufe für irgendeinen Anlass einen guten Text brauchte. In der Uni sollten wir unsere Gedanken zum Präparierkurs verschriftlichen und dem Dozenten schicken. Ich habe nicht geahnt, dass ausgerechnet mein Text vor 400 Studenten an die Wand geworfen wird.

Während meine Eltern immer der Auffassung waren, dass ich doch auch Fachbücher schreiben könne mit meiner Fähigkeit in Windeseile passable Texte zusammen zu zimmern, habe ich das immer anders gesehen. Fachbücher sind eher weniger kreativ.
Wahrscheinlich meinten die wenigsten Leute, die mir zum Schreiben rieten damit, dass ich einen Blog schreiben sollte.

Was ich versuche ist, die Stimmung einzufangen und die Leser in die Situation hinein zu schmeißen, in der ich war. Scheinbar gelingt es hin und wieder.


Ich weiß nicht, ob ich in der Position bin, mich für mein Handeln rechtfertigen zu müssen. Früher war die Bloggerszene noch aktiver, ich habe selbst viele Blogs gelesen, die heute leider eingeschlafen sind. Von Menschen im Studium, als ich selbst noch nicht studiert habe, von einer jungen Frau, die ihren Alltag im Rollstuhl festgehalten hat, oder von einem Mädel, die nach dem Abitur eine Weltreise gemacht hat und am Ende acht Monate irgendwo im Kloster geblieben ist und so viele wertvolle Erkenntnisse geteilt hat (und gemessen daran habe ich mich damals gefragt, ob ich ein solches Projekt nicht auch in Angriff nehmen sollte - aber das ist ein anderes Thema).
Heute hat sich die ganze Sache passend zur Schnelllebigkeit der Gesellschaft auf Instagram und Co verlagert. Schnell einen Schnappschuss, ein paar Worte dazu, möglichst viele Follower. Einen Instagram – Account zu haben, wird übrigens weniger kritisiert, als einen Blog zu haben. Für mich fehlt hier aber häufig die Tiefe.

Ich verschriftliche nicht alles, was ich denke und ich veröffentliche nicht alles, was ich schreibe. Ich selektiere da schon. Aber letzten Endes ist jede Form von Kunst – sei es nun in Form von Schreiben, Singen, Malen, Dichten, Musizieren oder irgendeine Kombination davon, auch eine Form von Selbstoffenbarung. Zumindest, wenn es gut ist. Wenn es tiefer geht, als der Mainstream.

Ich habe überlegt, den Blog zu einem reinen PJ – Blog zu machen. Aber wie soll ich das PJ beschreiben, ohne das vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen und den daraus resultierenden persönlichen Bewertungen zu tun? Dann bleibt es auf der Sachebene. Und das macht mir keinen Spaß beim Schreiben und dem Leser wahrscheinlich ebenso wenig beim Lesen.
Ich könnte den Blog auch mit einem Passwort schützen und die Adresse nur heraus geben, wenn man mir vorher eine Mail schickt. Aber wer nimmt da seine richtige Mailadresse? Das verschafft mir auch keinen Überblick über die Leserschaft.

Im Prinzip ist der Blog ja anonym. Wenn man sich allerdings die Mühe macht auf die Suche zu gehen, woher die Fotos kommen, oder wo man das PJ so machen kann, wie ich es mache – sicher würde man irgendwann fündig werden. Aber ich persönlich hatte in meiner Zeit in der ich die Blogs gelesen habe, nie das Bedürfnis.
Ich denke, so wird es den meisten gehen. Ein bisschen bleibt die Sache immer im Nebel. Auf der einen Seite anonym, man kennt den Schreiber nicht, weiß nicht mal, wie er aussieht. Und doch bekommt man einen tiefen Einblick. Aber es könnte jeder sein, dem ich morgen auf der Straße begegne. Wir könnten ein Gespräch führen und mein Gegenüber würde es nicht wissen.
Und so ist es gedacht: Dass beide Seiten etwas daraus ziehen. Ich habe einen Raum für mich, in dem ich meine Erfahrungen teilen kann, in dem ich Momente, die mich bewegt haben, die etwas Besonderes für mich waren, kreativ festhalten kann. Und andere können aus diesem Topf Inspirationen erhalten oder einfach etwas daraus mitnehmen. Für jeden mag es etwas anderes sein. Für manche „nur“ die Art der Texte, für Medizinstudenten zum Beispiel kann es ein authentischer Erfahrungsbericht sein.

Ich habe mir auch oft überlegt, ob ich das Bloggen sein lassen soll, bis da wieder eine klare Linie drin ist. Bis nicht auf jeden positiven Blogeintrag ein negativer folgt und umgekehrt, weil ich im Moment zu stark bin, dass es kippt und zu schwach, dass es stabil hält.
Aber warum? Es ist halt das Leben.

Ein Problem das übrig bleibt ist, wenn Vorgesetzte den Blog finden sollten. So viel tausend Besucher hat er jetzt nicht, als dass ich das in erster Linie fürchten müsste, aber Gedanken mache ich mir trotzdem. Die Frage ist: Wäre das schlimm? Ich ziehe niemanden systematisch durch den Kakao. Von den psychiatrischen Hintergründen wissen die Wenigsten und vielleicht wäre das auch wieder der Punkt an dem sie denken würden: Das kann sie nicht sein.
Und wenn doch… - nun ja. Im Prinzip ist ja auch ersichtlich, dass ich mich bisher aus jeder Krise wieder hochgekämpft habe, dass der Job mir unfassbar wichtig ist und ich nebenbei auch noch irgendwie ein Privatleben habe. Es gibt nicht viel, für das ich mich schämen müsste. In unserer Gesellschaft wird ohnehin viel zu wenig auf den Menschen und viel zu viel auf die Leistung geschaut. Wohin das geführt hat, habe ich gesehen. Warum können wir nicht einfach Menschen sein? Jeder mit seinen eigenen Sorgen, mit seiner eigenen kleinen, unkonventionellen Welt? Ich finde das immer so befreiend, wenn mein Gegenüber mal den Vorhang wegnimmt. So geschehen in der Psychiatrie. Wieso können sich Menschen im Alltag nicht auf dieser Ebene begegnen? Da sind mit zwei wundervollen Menschen Freundschaften entstanden, die so tief sind, dass ich diese Menschen gerne bis an das Ende mitnehmen würde. Und warum sollte dieser Blog nicht ein kleines bisschen dazu beitragen zu zeigen, dass Authenzität kein Zeichen von Schwäche ist, sondern die Welt eher etwas bunter macht?

Es ist einfach der Weg vom Erwachsen werden. Den ein Stück weit jeder geht. Die Sorge, die letzten Prüfungen nicht zu bestehen, die Distanzen, die Praktika mit sich bringen, wenn man nicht irgendwo Praktikum machen will, sondern klare Vorstellungen hat. Die unsichere Zukunft, solange man keinen Vertrag in der Hand hat. Freundschaften, die sich dadurch auflösen, wieder andere, die sich finden. Eine Phase von Umbruch, Aufbruch und Hin und wieder Steckenbleiben. Wenn auch nicht in solchen Extremen, aber in gewisser Hinsicht ist das was ich erlebe auch das, was andere erlebt haben. Nur, dass andere es vielleicht nie laut gesagt haben und sich trotzdem damit identifizieren können.

Vielleicht werde ich etwas genauer selektieren, aber sonst wird der Blog wohl vorerst so weiter geführt werden. Vielleicht bekommt er nächstes Jahr auch noch die ersten Fußstapfen ins Berufsleben mit.

Mondkind


Bildquelle: Pixabay

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