Von Gefühlen und Objektivität
Es ist ein bisschen still hier.
Nicht, weil es still in mir ist.
Sondern weil ich Texte anfange sie zu schreiben und nicht fertig schreibe. Weil dazwischen etwas anderes wieder aktuell wird. Oder ich nicht dazu komme, sie zu veröffentlichen, bis ich mich wieder mit etwas anderem beschäftigen muss. Oder, weil ich sie nicht veröffentlichen will.
Fakt ist, es ging mit lange nicht so schlecht.
Und bevor die Leute jetzt kommen mit „das war absehbar“ – irgendwie habe ich gehofft, dass der Facharzt ein Reset wird.
Ich habe gehofft, der Freund und ich werden danach die Beziehung anders gestalten können. Vielleicht war ich ja wirklich etwas überreizt in den Monaten davor und es würde irgendwie einfacher werden. Vielleicht, so dachte ich, bringt uns die unfreiwillige Pause irgendeiner Form von Zusammenleben am Ende doch wieder näher zusammen.
Und mit dem Job – ich dachte, ich spreche einfach mit den Chefs von der Psychosomatik und dann läuft das schon. Ich will denen nicht die Schuld geben, dass es hier nicht vorwärts geht, aber geschickt war es jetzt auch nicht, den schwarzen Peter hinsichtlich der Frage nach einer verfügbaren Stelle der Personalabteilung in die Schuhe zu schieben, was bei mir erstmal das Gefühl ausgelöst hat, dort eher doch nicht hin zu wollen, weil man mch vielleicht nicht möchte oder keine Stelle hat und das aber nicht sagt. Und neben der Suche nach Alternativen ist mir dann natürlich aufgefallen, dass das mein soziales Umfeld ziemlich durcheinander wirbeln wird.
Und klar würde ich mir wünschen einen Freund zu haben, der sagt: „Hey Mondkind, geh Du mal in die Psychosomatik und ich versuche auch mal ein paar Dienste umzuschieben, mich mit meinem Urlaub dann eben auch mal an Deinen Urlaub anzupassen und Dich bei diesem Wechsel des sozialen Umfelds zu unterstützen.“
Aber das passiert ja nicht. Stattdessen höre ich, dass er ja schon Urlaub in der Kardiochirurgie planen könnte und es immerhin Urlaubspläne gäbe, wenn er denn wollte – aber er will halt einfach nicht. Urlaub sei ja nicht wichtig und kein zu bedenkender Punkt, wenn es um Stellenwechsel genau zum Halbjahr geht. Ich sehe das halt anders. Ich finde, wenn eine Beziehung quasi beinahe nur im Urlaub atmen kann, weil eben sonst nichts zusammen passt, insbesondere er immer spät von der Arbeit kommt und es so gut wie keine freien Wochenenden gibt, dann spielt das sehr wohl eine große Rolle.
Im Prinzip muss ich mich also darauf einstellen, dass ich viel verlieren kann durch diesen Wechsel. Klar – ich bleibe hier am Standort, enge Freunde, mit denen ich mich auch privat treffe, kann ich behalten. Aber ob die Beziehung das überlebt, weiß ich nicht. Ob ich weiterhin Menschen sehen werde, die ich eben vom Beruf her kenne und auch sehr mag, weiß ich nicht. Ich werde bestimmt auch nicht mehr bei meinem Neuro – Intensiv – Oberarzt sitzen können, der für mich halt schon ein bisschen Elternersatz ist, wenn ich gehe.
Und während ich so an den sozialen Strukturen hänge, die ich jetzt habe und verzweifelt versuche, diese Beziehung aufrecht zu erhalten, merke ich, dass ich doch immer weiter kaputt gehe. Die Neuro war eine Lösung – aber nie eine Gute. Jeder Tag hier fühlt sich gerade an, wie einer zu viel.
Ich habe in den letzten Wochen viel versucht das alles mit Menschen zu besprechen. Versucht ein paar Sicherheiten im engen sozialen Umfeld zu generieren, ich habe versucht Menschen zu finden, die mit mir nochmal hinschauen, meine Argumente hinterfragen, mir vielleicht ein bisschen helfen, das einzuschätzen.
Es war unglücklich, dass der Neuro – Intensiv – Oberarzt gerade sein Haus umbaut und die Psychosomatik – Oberärztin aufgrund familiärer Probleme auch keine Zeit hatte. Der Freund ist eben auch keine große Hilfe, eine gute Freundin knabbert gerade am Tod ihres Opas und davor gab es einige Schwierigkeiten mit dem Studium, sodass ich da gerade auch nicht rein preschen möchte.
Man merkt schon immer, wenn man da in so eine Abwärtsspirale rein gerät und das habe ich schon seit vor dem Urlaub gemerkt. Das ist jetzt bald sechs Wochen her. In der Zwischenzeit habe ich zumindest mal kurz mit der Therapeutin aus der Studienstadt telefoniert und sie war auch so nett und hat mir noch einen Telefontermin für nächste Woche gegeben und Anfang Dezember komme ich sowieso vorbei. In Anbetracht der vielen Schwierigkeiten, die sich hier aufgestapelt haben, wird man das auch nicht alles in Gänze besprechen können, aber es gibt mir gerade zumindest ein bisschen Halt. So viele Termine mit ihr habe ich allerdings nicht mal vor dem Facharzt gebraucht.
Krisen laufen jetzt auch irgendwie anders, als früher. Seitdem ich in der Psychsomatik war. Ich kann schon differenzieren zwischen dem was objektiv los ist und dem, wie es sich anfühlt. Anfühlen tut es sich manchmal wie Sterben. Manchmal zieht sich alles in mir zusammen, ich fühle wie das Herz weh tut und alles in mir möchte einfach nur diesen Zustand beenden und dann kommen immer noch die Gedanken, ob es nicht besser wäre, nicht mehr hier zu sein, weil ich seit so vielen Jahren versuche alles zu lösen und irgendwie aber doch von einer in die nächste zwischenmenschliche Katastrophe renne. Aber ich weiß auch, dass das nur Gedanken sind, die ich auch nicht irgendwo größer thematisieren sollte, weil es niemandem etwas bringt. Seit dem Facharzt kann ich auch ohne medikamentöse Unterstützung überhaupt nicht mehr schlafen – das macht mir auch langsam Sorgen.
Und dennoch habe ich den Eindruck, dass ich in der Psychsomatik ja gelernt haben sollte wie das läuft und doch selbst zurecht kommen sollte. Das ist mittlerweile mit viel Scham verbunden in therapeutischen Einrichtungen um ein Ohr bitten zu müssen.
Wenn ich meine eigene Therapeutin wäre, dann würde ich jetzt langsam auf Entscheidungen pochen. Darauf, dieses in der Luft hängen zu beenden. Und ich weiß, dass die gesündeste Entscheidung jetzt wäre, in die Psychosomatik zu gehen und mich vom Freund zu trennen.
Fachlich mache ich die Psychosomatik so viel lieber und wenn ich nochmal glücklich werden möchte im Job, dann werde ich nicht umhin kommen, da nochmal neu anzufangen – dann aber mit der langfristigen Perspektive, dass das mal etwas ist, das ich mir selbst ausgesucht habe, für das ich Motivation habe und das mir liegt. Und damit kann ich dann auch mal irgendwann Oberärztin werden oder selbständig werden, was in der Neuro einfach keine Option ist. Ich denke da einfach nicht weit genug, weil es mich auch einfach nicht interessiert und das ist als Oberärztin einfach ein Problem.
Und es würde mir auch besser tun, wenn wir nicht jeden Abend dieselben Diskussionen mit dem Freund führen würden. Wenn ich nicht jeden Abend auf jemanden warten würde, der spät kommt, oder auch gar nicht, oder wenn er kommt, schlechte Laune hat. Mit dem Urlaubspläne selbst, wenn man mühevoll doch die Urlaube übereinander gelegt hat, nicht funktionieren. Mit dem man nichts besprechen kann, der mich in immer wieder kehrende emotionale Notlagen bringt mit so viel Wut, Enttäuschung und Traurigkeit, dass ich dann doch wieder ständig jemanden nerven muss, um mich dort zu entlasten. Ich denke im Moment oft nach über unsere Anfänge und manchmal denke ich, wir haben da beide etwas gebraucht. Wir waren glaube ich beide schon eine zeitlang alleine und vielleicht hat einfach alles in uns danach geschrien, mal wieder einen anderen Menschen zu fühlen, einen Körper, Arme um uns herum, mal wieder leidenschaftlich zu küssen, das Herz wie verrückt schlagen fühlen. Das war ja alles sehr schnell vorbei und mittlerweile gibt es – wenn überhaupt – einen flüchtigen Kuss auf der Türschwelle. Wann wir das letzte Mal Arm und Arm eingeschlafen sind weiß ich nicht und wenn er am Wochenende neben mir aufwacht liegt er mit seinem Handy da und macht überhaupt keine Anstalten, sich mal an mich dran zu kuscheln. Letzten Endes funktioniert es weder auf einer zwischenmenschlichen noch auf einer körperlichen Ebene und damit ist diese Beziehung eigentlich nur noch Illusion und bringt aktuell wirklich gar nichts, außer Stress. Und jeglicher Versuch darüber zu reden oder das zu ändern, ist halt komplett sinnlos, weil er sich nicht damit auseinander setzt. Es ist hart, wenn der Kopf weiß, dass es keine andere Alternative als eine Trennung geben wird, aber das Gefühl da noch nicht hinterherkommt, die Sehnsucht noch besteht, dass es nochmal wird, wie es mal war, dass diese ersten Nächte in unserem ersten Sommer doch nicht alles gewesen sein können.
Und ich glaube, manchmal muss man einsehen, dass Gefühle oft, aber nicht immer die besten Ratgeber sind. Manchmal muss man vielleicht einfach streng mit sich selbst sein. Sich Verständnis dafür zugestehen, dass es schwer ist, dass es weh tut, dass man sich das so sehr anders gewünscht hätte, aber dass es jetzt einfach gerade nicht anders geht und „auf das Gefühl hören“ im Moment halt auch eher immer weiter kaputt macht. Die guten Momente, auf die man da hofft, die gibt es eben einfach nicht mehr.
„Der erste Schritt tut halt am Anfang machmal weh“, singt Florian Künstler in einem noch unveröffentlichen Song. „Und wenn ich irgendwann da oben steh, wer weiß vor wem zwischen all dem Glück und und den Tränen werde ich mit einem Lächeln erzählen: Ich habe gelebt.“
Das geht aber nur, wenn man mutig ist.
Mondkind

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