Viertes Fach und ein paar Lerntipps


Das Warten aufs vierte Fach hat endlich ein Ende. „M3 Frühjahr 2019: Ihr viertes Fach“, lautete der Betreff der Mail, die bei mir am späten Donnerstagnachmittag – nachdem ich in der Bibliothek eigentlich nur mal kurz ins Wetterradar schauen wollte, um den günstigsten Zeitpunkt für die Heimfahrt abzupassen – Herzrasen auslöste.
Ich hatte sehr auf die Kombi Neuro / Psychiatrie gehofft. Am Ende ist es Neuro / HNO geworden. Ich bin da ehrlich gesagt noch sehr zwiegespalten. Einerseits gibt es einige Überschneidungsgebiete mit der Neuro, anderseits waren die Fächer HNO und Auge auch diejenigen, die mich zu der Frage gebracht haben, ob Neuro das Richtige ist, wenn ich mit den beiden Fächern nicht so richtig zurecht komme.
Also wie immer im Leben: Hätte besser sein können – Hätte aber auch viel, viel schlimmer kommen können. Auge zum Beispiel wäre ja auch denkbar gewesen und vermutlich mein Untergang… 

Entschuldigt die Bildqualität... - bloggen ist immer eher eine Tätigkeit am Abend

Zwar hatte ich am Donnerstag unmittelbar vor dieser Nachricht Therapie, aber nachdem ich erzählt habe, dass die Mail über das vierte Fach, die Bekanntgabe der Prüfer (die haben wir noch nicht) und des Termins (den haben wir auch noch nicht), mich maximal stressen werden, haben wir überlegt, wie ich die Vorbereitung optimieren kann.
Solange wie es kein Datum gibt, wird es chaotisch bleiben. Denn sich jetzt nur noch ganz engstirnig auf die Lernzettel zu beschränken und keine neuen Aspekte mehr raus zu schreiben, ist ein bisschen zu wenig, wenn man dann doch erst im Juni Prüfung hat. Umgekehrt werde ich im April hoffentlich keine Ausarbeitungen mehr machen, sondern habe dann alle Lernzettel beisammen. Wenn ich Anfang Mai Prüfung habe, wird das dann aber stressig. Ist einfach so.

Ich weiß nicht, ob hier viele Medizinstudenten mitlesen, aber hier mal eine kleine Zusammenstellung der Ideen und Tipps, die wir für die Vorbereitung zusammen gestellt haben:
1.
Da der Patient, den man bekommt aus dem Wahlfach kommen sollte (in meinem Fall also Neuro), werde ich den Fokus ein kleines bisschen zu Gunsten der Neuro verschieben. Das macht mir nicht nur mehr Spaß beim Lernen, sondern macht auch insofern Sinn, als dass ich vielleicht zumindest in der Neuro schon mal gut punkten kann. Der Prüfer aus dem Wahlfach ist meist auch der Prüfungsvorsitzende – hat also, sollte es am Ende mit dem Bestehen kippeln – das letzte Wort.

2.
Für den ersten Tag auf jeden Fall alle möglichen Untersuchungstechniken drauf haben – ganz wichtig natürlich bei mir die neurologische Untersuchung, wenn ich einen neurologischen Patienten bekomme. Vielleicht auch überlegen, was man bei den „großen“ Krankheitsbildern nicht vergessen darf: zum Beispiel bei Parkinson eine Prüfung der posturalen Instabilität oder ein Decrement im Fingertapping. Und bei Verdacht auf ein dementielles Syndrom vielleicht mal die Luria – Sequenz.

3.
Auch für den ersten Tag: Man muss einen Brief schreiben. Den kann man ja zu Hause super vorformulieren. Natürlich muss man das auf den Patienten und das Krankheitsbild anpassen; aber gerade internistische, neurologische oder psychiatrische Untersuchungsbefunde kann man ja schon mal so grob im Kopf haben. Das hilft auch, bei der Untersuchung nichts zu vergessen.

4.
Überlegen, wo es Überschneidungen geben kann. In meinem Fall mit Neuro / HNO zum Beispiel auf jeden Fall Nystagmus und Schwindel. Aber auch an Kleinigkeiten muss gedacht werden. So sollte man zum Beispiel auch nicht vergessen zu erwähnen, dass bei der idiopathischen Fazialisparese eigentlich eine Otoskopie erfolgen sollte, um einen Herpes zoster auszuschließen. (Ich weiß zwar nicht, wie viele Neurologen wirklich otoskopieren können, aber das ist ja ein anderes Thema).

5.
Auf jeden Fall alles zum Thema Notfälle drauf haben. Ich werde mir für das Notfall – Script nochmal ein paar Tage Zeit geben. Ich denke eine Kleinigkeit mal nicht wissen, können die einem verzeihen, aber wenn man in einer Notfallsituation nicht weiß, was zu tun ist, fällt man durch.

6.
Und sobald die Prüfer bekannt sind: Prüfungsprotokolle durcharbeiten.
 


Und dennoch: Wie das alles gehen soll, weiß ich noch nicht. Es ist nur so ein unspezifisches Gefühl, aber irgendwie fühle ich mich der ganzen Sache aktuell nicht gewachsen. Was ich heute lerne, ist meinem Gehirn doch spätestens in zwei Wochen wieder entfleucht, wenn ich täglich versuche den Berg, der aus hunderten von Lernzetteln besteht, etwas kleiner werden zu lassen. (Und irgendwie wäre das ja so typisch Mondkind, es auf den letzten Metern noch irgendwie brenzlig werden zu lassen, oder es zu versemmeln).

Ansonsten… - noch vier Tage PJ; länger würde ich das auch nicht mehr schaffen.
Gestern war wieder ein Highlight. Von der Stationsärztin wurden die Famulantin und ich aus dem Arztzimmer delegiert. Ein „Bitte“ fehlt in ihren Sätzen grundsätzlich, „Danke“ kennt ihr Wortschatz auch nicht. Und wenn sie sich an einem Tag drei Mal überlegt, dass sie den Patienten doch anders verbunden haben möchte oder irgendwelche Kabel gezogen haben möchte, dann machen wir es eben drei Mal. Wir haben ja sonst nichts zu tun, gell? Ich möchte das jetzt auch alles gar nicht mehr weiter ausführen - dazu habe ich ja schon genug geschrieben. "Ich würde mich beim Dekanat beschweren", erklärte letztens der Stationsarzt der anderen Seite. Offensichtlich sind sie sich ja der Missstände bewusst, aber warum dafür jetzt das Dekanat und nicht die Station verantwortlich sein soll, verstehe ich nicht.
Der Patient mit den Doppelbildern aus dem letzten Blogpost ist übrigens schon entlassen – ich hatte absolut keine Chance an den MRT – Befund zu kommen und heraus zu finden, ob etwas objektivierbar Neurologisches dahinter steckte oder nicht.

Unterdessen überlege mir immer, was ich mit der Famulantin machen kann und versuche nicht durchblicken lassen, wie sehr mich das alles nervt auf dieser Station, um sie nicht vollkommen zu desillusionieren.
Gestern haben wir Blutabnehmen geübt. Letztens behauptete sie, dass sie das schon könne – also habe ich eine Patientin mit guten Venen ausgesucht, es mit ihr vorher nochmal genau besprochen und sie es dann machen lassen. Wahrscheinlich war es mein Fehler, mich nicht vorher davon überzeugt zu haben, dass sie es wirklich kann – es hat überhaupt nicht geklappt und seitdem ist die Patientin auch mir gegenüber sehr anstrengend geworden. (Auch selbst Lehre machen, will wohl gelernt sein…) Die Ärztin kann ich auch nicht rein schicken – sie delegiert grundsätzlich alles, was sie kann – auch wenn ich teilweise die Dinge noch nie gemacht habe. Mündliche Erklärung reicht ja, nicht wahr?
Ich möchte, dass die Famulantin etwas lernt – allerdings möchte ich mir dabei das Leben nach Möglichkeit nicht noch schwieriger machen. Also blieb nur, meinen eigenen Arm zur Verfügung zu stellen, damit sie daran lernen kann, Blut abzunehmen. Diesmal haben wir wirklich die blauen Butterflys genommen und im Arztzimmer eine Runde geübt. Irgendwie muss man es schließlich lernen und ich wäre damals auch froh gewesen, hätte man mich nicht sofort mit Patienten konfrontiert.

So allmählich werde ich die Bücher für heute zuklappen. Draußen blühen übrigens die Kirschbäume wieder. Und so wie letztes Jahr und vorletztes Jahr und überhaut die letzten mindestens 10 Jahre verbringe ich die Zeit nicht damit die Pfade, die von diesen Bäumen gesäumt sind entlang zu laufen, weil ich das wirklich schön finde, sondern versitze die Zeit vor den Büchern.
Und so hin und wieder frage ich mich, ob das hier alles Sinn macht. Ob dieses Leben, das die letzten Jahre von viel Lernerei und das die nächsten Jahre, die die ersten Jahre im Job sind, viel von Insuffizienzgefühlen, Angst und Unsicherheit geprägt sein werden, wirklich etwas für mich ist. Auch wenn die Neuro spannend ist - aber es ist eine Menge Verantwortung, die da in wenigen Monaten schon auf meinen Schultern lastet, die ich auch tragen können und der ich mich jeden Morgen stellen muss. Und die auch die Verpflichtung mit sich bringt, sich ständig fortzubilden, Dinge zu hinterfragen, zu recherchieren, über den eigenen Schatten zu springen, um das Beste für die Patienten zu erreichen. Ich frage mich, ob mir nicht andere Lebenswege mehr innere Freiheit gebracht hätten. Und nach dem Examen ist ja schließlich vor dem Facharzt, wie jemand mal zynisch anmerkte.
Aber ohne diese besonderen Menschen, die ich in der Ferne gefunden habe und ohne die psychiatrische Betreuung der letzten Jahre, an die ich ohne das Studium mit Sicherheit nicht so niedrigschwellig gekommen wäre, wäre ich vielleicht gar nicht mehr hier.
Also ist es im Prinzip müßig darüber nachzudenken. Ich frage es mich nur gelegentlich.

Versuchen wir heute mal mit nicht so vielen Gedankenschleifen ins Bett zu gehen. Mal wieder eine Nacht durchschlafen… - wäre schon Luxus irgendwie. 

Mondkind

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