Stille...

Nur falls sich Jemand fragt, warum es hier so still geworden ist.
Obwohl es so viel zu erzählen gäbe. Von Patientenfällen im Dienst. Von Wellen von Erkenntnissen. Von zwischenmenschlichen Erleben. Vom Sommer.
Vom Dienstplan des nächsten Monats – wenn ich das schaffe, kann mich glaube ich nichts mehr schocken.

Ich habe so viel erzählen. Und gleichzeitig so wenig. Ich kann es nicht mehr filtern, mich nicht mehr konzentrieren, als es sein muss. Mich nicht mehr ausdrücken. Die Tage sind lang geworden. Die Nächte auch. So viel Kaffee, wie ich zum Wachwerden bräuchte kann ich gar nicht trinken und der Kopf kommt gar nicht mal dazu aufzuhören weh zu tun, bevor ich am nächsten Abend wieder stundenlang weine.

Vielleicht drei Statements, die so Vieles zusammen fassen.
„Es sind nie die schwierigen Augenblicke, in denen Trauer groß wird. Sondern die kleinen wundervollen Momente - der Frühling, die Wärme im Herzen, die Erfolge – in denen es unerträglich wird. Weil ich mir so sehr wünschen würde, dass Du das noch erleben könntest.“
„Und am Ende schwingt in jedem guten Moment ein leises „Warum?“ mit. Also vielleicht war die Frage nie, ob ich es mir vorstellen kann, nochmal glücklich zu werden. Sondern immer eher die Frage, ob ich es mir vorstellen kann, so viel Licht und Schatten nebeneinander zu erleben, ohne temporär  daran zu zerbrechen.“
„Mondkind Du bist wie ein Frosch, der jetzt mal auf die erste Sprosse einer Leiter gehüpft ist…“ „Allerdings ist mir das da auf der Sprosse gerade zu unbequem und deswegen hüpfe ich die ganze Zeit zwischen Erde und Sprosse hin und her. Und deswegen bin auch so müde. Das ist anstrengend. Und wenn ich auf dem Boden sitze, bin ich auch eher ein Igel. So zusammen rollen und stacheln raus und nee so nicht.“

Wo verdammt nochmal bist Du... - es sind diese Momente, die mir das Herz brechen.

Die Menschen sind glaube ich alle ein bisschen beruhigt, weil ich ja jetzt endlich eine neue Therapeutin habe und damit ja alles im Lot ist.  Aber ich habe selten so etwas Unkonstruktives erlebt. Da kommt immer noch keine Resonanz. Ich rede einfach gegen die Wand. Und es ist so unglaublich frustrierend. Es bringt einfach nichts. Ob ich nun eine Therapeutin habe oder nicht, macht einfach keinen Unterschied. Ich wusste gute Therapeuten immer zu schätzen. Letztes Jahr hatte ich die Chance wegen einem guten Therapeuten den Wohnort zu wechseln. Heute würde ich das glaube ich sogar ernsthaft in Erwägung ziehen. Das ist einfach Gold wert, wenn man so jemanden findet.

Ich spüre mich selbst nicht mehr. Ich habe mich in den letzten Wochen so sehr angestrengt. Den Frühling wahrzunehmen, mich auf die guten Momente einzulassen, die zu spüren, aufzunehmen, mir zu sagen, dass trotzdem etwas geblieben ist. Dass ich nach vorne schauen muss, dass ich die Vergangenheit nicht mehr ändern kann, aber meine Zukunft immerhin noch gestalten kann.
Aber tief im Inneren glaube ich nicht an ein Leben nach der Katastrophe. Es kann nicht richtig sein, was hier gerade läuft. Wir hätten beide daran sterben sollen. Oder keiner von uns. Aber nicht so. So ist es unerträglich.

In den alten Zeiten hätte ich längst versucht, das Helfersystem anzuschmeißen. Um ein Gespräch gebeten. Aber die Zeiten sind vorbei. Die potentielle Bezugsperson mag ich damit nicht behelligen, er reagiert extrem allergisch auf so etwas. Und den Rest gibt es nicht mehr.

Ich melde mich. Wenn die Kraft wieder reicht. Spätestens Anfang Juli. Dann wird es ein Jahr.
Haltet die Ohren steif.

Mondkind

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