Reise - Tagebuch #2



Man hat viel Zeit zum Denken beim Wandern...
Es ist irgendwie der Geist der Kindheit, der in dieser Wohnung hängt. Ein bisschen, als sei die Zeit stehen geblieben und fängt mich nun in einer Welt ein, die sich längst vorüber gedreht hat. Eine Zeit, in der das Idyll der Kindheit hängt.
Erst mit der Zeit erfahre ich die Geschichten, die man uns verwehrt an, um uns eine Kindheit zu gewähren, die vom Glauben an das Gute in der Menschheit geprägt war. Manchmal erschien sie mir zu glatt – unsere Familiengeschichte. Eine Vergangenheit, in der es nie Fehler gegeben hatte. In der es keine Beziehungen gegeben hatte, die in die Brüche gegangen war, keine Toten, keine Fehltritte.

Heute erfahre ich, dass sich auch bei uns – vielleicht mehr als in anderen Familien – Dramen abgespielt haben, die auf beiden Seiten Seelen verletzt haben, Krater gerissen haben, die nie im Stande sein werden sich zu schließen. Wunden, die nie heilen werden, die die Menschen mit herum tragen und zu dem machen, was sie heute sind. Manchmal erscheint mir ihre Reaktionsweise komisch, dabei sind sie vielleicht in einem Schmerz gefangen, von dem ich einfach nichts weiß und weshalb ich ihnen weder verzeihen noch vergeben kann.

Es geht um Geschwister, die immer da waren, aber von dessen Existenz meine Schwester und ich nichts wussten. Die so nah bei unserer Oma gewohnt hatten, dass wir ihnen hätten über den Weg laufen können, ohne es zu wissen. Wir haben an denselben Tischtennisplatten gespielt.
Es geht um Tode, die im Verborgenen gestorben worden waren, weil sie nicht konventionell waren. Menschen, die einfach im Stillen von der Bildfläche verschwanden und vielleicht das zurück ließen, was sie am meisten fürchteten. Nämlich gar nichts – nur Erinnerungen, die nicht geteilt werden dürfen. Weil es kein Krebs oder Herzversagen war, weil es um Tode geht, die nicht hätten gestorben werden dürfen.
Es geht um Verwandte, die im Gefängnis gesessen haben. Nicht aus ehrhaften politischen Gründen, das man vielleicht noch hätte stolz verkünden können – nein, weil sie sich einfach nicht an die sozialen Regeln des Staates gehalten haben.

***
Ich habe grottig geschlafen in der letzten Nacht. Die monatlichen Mädchenprobleme ließen mich die Hälfte der Nacht im Wohnzimmer auf dem Sofa still vor mich hin leidend verbringen. Aber meine Oma ist wenigstens nicht wach geworden.
Irgendwann gegen Morgen war es dann zu schlimm. Obwohl ich keine Ahnung hatte, ob es eine gute Idee ist Ibu und Sertralin zusammen zu nehmen, habe ich es gemacht und hatte dann wenigstens noch ein wenig Ruhe.

Später sind Oma, ihr Lebensgefährte und ich dann in die Märzenbecherwiesen gefahren.
Das Eis in den Bergen schmilzt langsam und deswegen kamen aus allen Ecken Rinnsäle geflossen und umgaben uns mit einem Echo aus plätscherndem Wasser.
Später ließen wir uns auf einer Wiese das erste Picknick des Jahres schmecken. Omas Lebensgefährte hatte sich alle Mühe gegeben und uns am Morgen noch ein paar Brötchen mit Käse, Gurke und Salat zusammen gestellt.

Nur die Märzenbecher – von denen waren nicht so viele zu sehen, wie meine Oma das versprochen hatte. Sie betonte immer und immer wieder, dass sie das schon ganz anders gesehen hätte und wir wohl ein bisschen früh dran seien. Ich glaube sie hatte Angst, es könnte mir nicht gefallen.
Aber das hat es. Es war ein schöner Wanderweg, wenn auch etwas matschig.

Am Abend war ich noch motiviert meine Scripte zusammen zu fassen. Ich habe schon fast zwei Kapitel bei Oma geschafft – nicht schlecht, dafür dass ich im „Urlaub“ bin.

Hier noch ein paar Impressionen von heute.

Oh Gott was war das ein süßes Geschöpf. Man achte auf die Zunge

Märzenbecherwiesen



 Alles Liebe
Mondkind


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