Wirbel

Erwartet keinen super kreativen Beitrag. Ich muss nur für mich selbst ein bisschen was reflektieren.
 
Es gibt an jeder Ecke eine Baustelle. Job, Facharzt, Beziehung.
Wann habe ich das das erste Mal gesagt? Im Januar?
Seitdem sind eher Baustellen dazu gekommen, als dass sie abgebaut wurden. Im Hintergrund läuft noch zusätzlich die Umstellung aller meiner Versicherungen, was recht viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Klärung hinsichtlich des Facharztes hat mehr Unklarheiten als Klarheiten in die Situation gebracht. Die Arbeit hat mich noch mit einem Wechsel des Chefarztbereiches überrascht. Und die Beziehung ist ein stetiges Auf und Ab.
 
Ich merke das seit Wochen.
Das, was so oft passiert, wenn keine Ruhe mehr rein kommt, die Dinge sich nicht lösen lassen, die Energie irgendwie verpufft.
Die Tage werden lang und die Nächte sehr kurz. Die Morgen werden die Katastrophe schlechthin, die Stimmung wird so gegen Ende des Tages mal besser, wenn es schon absehbar ist, dass sich die schützende Dunkelheit demnächst über die Hausdächer legen wird. Die Tage werden ein unendlich langer Kampf mit der Energielosigkeit, was jetzt gerade – wo ja noch der Facharzt vorbereitet werden möchte – nicht einfach ist.
 
Die Gedanken springen so viel im Kopf hin und her, dass es schwierig ist, einen für das Außen normalen Alltag aufrecht zu erhalten. An alles denken, nichts vergessen.
Obwohl einige whatsApps seit Wochen unbeantwortet sind. Obwohl ich auf der Arbeit alles, was wirklich wichtig ist, drei Mal mit Textmarker markiere. Um es dann trotzdem zu vergessen.
Es ist ein Fallen durch Raum und Zeit, eigentlich denke ich nur bis morgen; wenn überhaupt.
Der Körper rebelliert auch, wahlweise gibt es Kopf- oder Magenschmerzen zur Auswahl. Wobei für das öffentliche Leben die Kopfschmerzen immer zu bevorzugen sind – dass man nicht mehr gerade stehen kann, kann man ab einem gewissen Punkt nämlich nicht mehr verbergen.
 
Dauergestresst. Nicht mehr zur Ruhe kommen. Selbst, wenn Zeit und Gelegenheit wäre. Das Außen nicht mehr spüren, das Innen schon mal gar nicht, irgendwie immer auf dem Sprung. Die guten Momente und Gefühle verpuffen in irgendeiner Monotonie und so sehr wie ich sie auch versuche innerlich festzuhalten, gleiten sie durch die Finger. Stattdessen fühlt es sich an, als habe man mit dem Mixer ein  Mal durch die Seele gerührt.
Ich habe es schon auch beim Konzert bemerkt. Es war nicht dieses Konzert - Feeling, das ich gewohnt bin. So richtig konnte ich da nicht ankommen. Auch, wenn es trotzdem schön war. Aber nicht, wie es hätte sein können.

Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich „vergessen“ habe, den Monatsbrief zu schreiben. Wobei ich es nicht wirklich vergessen habe im Sinn von „ich habe nicht an den verstorbenen Freund gedacht“, sondern mir war einfach nicht bewusst welches Datum ist und wo in der Zeit wir uns eigentlich bewegen.
Ich habe doch am dritten des Monats gerade eine Nachricht von seinem ehemaligen Psychiater bekommen. Ich habe ihn nicht vergessen, aber irgendwie aus dem Blick verloren, dass Monatstag ist. Und irgendwie erzeugt das viele Schuldgefühle. Das erste Mal in fast vier Jahren habe ich ihm keinen Brief geschrieben. Weil es einfach unter gegangen ist, im Tumult drum herum.
Ich vermute, ich weiß schon, was da los ist. Nach monatelanger Überbelastung kippt das schon wieder etwas in die depressive Richtung. Und wahrscheinlich muss ich irgendwann mal einsehen, dass ich nicht monatelang ein Leben voller Baustellen haben kann. Das hat die Therapeutin schon vor Jahren gesagt, dass dieses Überholspur - Ding nicht so meins ist. Ich hab die Kraft einfach nicht. Ich muss langsamer machen.

Morgen habe ich Geburtstag und schlau, wie der Kardiochirurg war, hat er auf die Nacht davor einen Rufdienst gelegt. Ich wollte zusammen aufwachen mit ihm morgen früh. Ich habe ihm jetzt geschrieben, er soll sich melden und mich anrufen, wenn er fertig ist, ich komme auch frühs um vier zu ihm. Ich kann nichts dafür, dass er es so geplant hat, aber ich wünsche mir den Moment mit ihm morgens gemeinsam an meinem Geburtstag aufzuwachen so sehr, dass ich dafür selbst noch in den frühsten Morgenstunden auf die andere Seite des Dorfes fahren würde. (Ich bin mir sicher, er versteht das nicht. Aber man muss solche Momente im Herzen speichern und manchmal müssen die an ganz bestimmten Zeitpunkten sein. Wer hätte schon vor einem Jahr gedacht, was in einem Jahr möglich sein könnte? (Und wer weiß, was in einem Jahr ist... - vielleicht bin ich wieder alleine, wenn das hier so weiter geht...)). Wütend bin ich schon. Bringen tut es ja nichts. Eigentlich wollte ich heute Abend auch noch einiges mit ihm besprechen. Kann man vergessen, vermute ich. Ich hoffe wenigstens, er weckt mich nachher, sollte ich einschlafen. Das habe ich jetzt drei Mal gesagt, ich hoffe das kommt an.
Und Sonntagfrüh sehe ich vielleicht den Intensiv - Oberarzt. Er hat Dienst und der Kardiochirurg auch. Das passt doch. Dann kann ich mal da hoch düsen. Und wir können mal sprechen. Mehr als überfällig, glaube ich. 

Mondkind


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