Von Zeugnis und Beziehung
Die gute Nachricht ist: Ich habe ein Zeugnis.
Die schlechte Nachricht ist: Darauf haben weniger als die Hälfte derer unterschrieben, die unterschreiben müssen.
Donnerstagmittag habe ich tatsächlich diesen sehnsüchtig erwarteten Zettel in meinem Fach gefunden und natürlich wanderte mein Blick sofort auf die letzte Seite dieses Zeugnisses. Unterschrieben haben der Chef, der ehemalige Chef (die haben das Zeugnis also tatsächlich durch die Gegend geschickt…) und der Intensiv – Oberarzt.
Abgesehen davon, dass es schon mit einem Fehler im Geburtsdatum los geht, fehlen aber die Unterschriften eines zweiten ehemaligen Chefs, der mittlerweile im Vorstand ist (oder auch schon nicht mehr, ich weiß es nicht) und vor allen Dingen die Unterschriften der beiden Reha – Chefs und damit der beiden Leute, um die es hier die ganze Zeit geht.
Ich habe Donnerstag und Freitag mehrere Male mit der Ärztekammer telefoniert, weil der aktuelle Chef ja immer postuliert, dass er auch alleine unterschreiben kann. Kann er auch in der Zukunft wahrscheinlich. Aber all diejenigen, die noch unter dem alten Modell angefangen haben, brauchen diese Unterschriften. Ein kleines Schlupfloch könnte es geben und wenn es gar nicht funktioniert, dann wäre es vielleicht einen Versuch wert, es so los zu schicken, aber das wird mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht funktionieren. Und das weiß man dann ja auch erst zwei Monate später und in dieser Zeit muss man halt lernen wie eine Verrückte, um im Fall dass es doch geht, gut vorbereitet zu sein.
Aber sowohl mein Stroke – Unit – Oberarzt, als auch der Notaufnahme – Oberarzt und diverse Kollegen haben mir gesagt, dass ich um diese Unterschriften nicht herum kommen werde. Und die Kollegin, mit der ich kürzlich telefoniert habe, hätte wahrscheinlich keine Anwälte eingeschaltet, wenn es ein Schlupfloch gäbe. Das hätten die sicher vorher versucht.
Aus einer rein menschlichen Sicht scheint es zwar nachvollziehbar, dass die Reha – Chefs keine große Lust haben für Menschen zu unterschreiben, die nie in deren Abteilung gearbeitet haben, aber de facto gibt es in der Weiterbildungsordnung keine Vorschrift in der Reha arbeiten zu müssen und nach der abgeleisteten Zeit müssen alle Weiterbildungsermächtigten unterschreiben. Es ist halt einfach so.
Damit hätte der Chef das nur sehr geschickt eingefädelt. Denn er selbst hat mir die Unterschrift und das Zeugnis ja nicht verweigert. Es hängt dann ja an anderen Stellen. Aber das war halt vorher zu sehen.
Mein Stroke – Unit Oberarzt hat mir empfohlen nächste Woche zum Chef zu gehen und mit ihm darüber zu sprechen. Wahrscheinlich werde ich das tun müssen.
***
Samstagmorgen.
Die Sonne scheint.
Das Timing heute ist ziemlich perfekt. Ich bin gerade fertig mit Wohnung putzen, als das Telefon läutet.
„Frau Mondkind, haben Sie ausgeschlafen?“
„Ja“
„Dann dürfen Sie jetzt mal einen Spaziergang durch die Sonne zu mir machen.“
20 Minuten später sitze ich im Büro des Intensivoberarztes.
„Was macht der Facharzt? Haben Sie sich jetzt mal angemeldet?“, fragt er.
„Nein“, entgegne ich. Dieses Gespräch jetzt wird nicht ganz einfach, da er sich ja – dadurch, dass er dieses Zeugnis auch unterschrieben hat (was er gar nicht gemusst hätte, weil er nicht weiterbildungsermächtigt ist, aber nun denn…) und schließlich bemerken musste, dass die anderen Unterschriften fehlen, ein bisschen zum Mittäter gemacht hat.
„Also das Zeugnis habe ich jetzt“, erkläre ich. „Es geht aber schon mal damit los, dass das Geburtsdatum falsch drin steht.“
„Also das habe ich jetzt nicht überprüft. Ich habe die Sekretärin gefragt, ob sie das Geburtsdatum und die Adresse geprüft hat“, entgegnet er.
„Und ein weiteres Problem ist, dass darauf mindestens drei Unterschriften fehlen“, fahre ich fort.
Auch er ist der Meinung, dass die Reha – Chefs unterschreiben sollten und dass man auch nicht das von der Ärztekammer mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit vorhandene Schlupfloch primär nutzen sollte. Denn wenn das nicht funktioniert, sind wieder zwei Monate Zeit verloren, zumal es nicht funktionieren wird, weil die Weiterbildungsermächtigung vor dem neuen Chef definitiv geteilt war und da auch die Reha – Chefs mit drin hingen und ich habe eben auch unter dem alten Chef gearbeitet. Für die zukünftige Generation von Facharztanwärtern sieht das dann vielleicht mal anders aus, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es so.
Er rät mir, am Montag einen Termin beim Chef auszumachen. „Machen Sie das nicht zwischen Tür und Angeln, nach der Visite oder so. Da ist seine Aufmerksamkeit nicht so hoch. Ich mache das auch so: Wenn ich etwas wirklich Wichtiges besprechen möchte, dann lasse ich mir einen Termin geben. Da hat der Chef eine ganz andere Aufmerksamkeit.“
Er schiebt das übrigens alles ein bisschen auf die Sekretärin, dass das nicht geklappt hat mit den Unterschriften. Damit macht er es sich definitiv zu leicht, aber ich protestiere mal nicht, obwohl ich nicht umhin komme anzumerken, dass es ziemlich frech finde, mir so ein Zeugnis auszuhändigen. Aber vielleicht kann er für mich noch ein paar Steine ins Feuer schmeißen, wenn ich ihm in einem unserer nächsten Gespräche erzählen werde, dass es so einfach nicht ist mit den Unterschriften... da wäre es gut, wenn er nicht sehr verärgert ist.
Danach sinnieren wir darüber, ob Facharzt im Juni diesen Jahres noch etwas wird. „Naja Frau Mondkind, dann haben sie in zwei Wochen die fehlenden Unterschriften, dann schicken die Anmeldung bis Ende des Monats los und dann klappt das noch.“
Er ist schon ein grenzenloser Optimist… Der ZNA – Oberarzt hat mich schon darauf vorbereitet, dass es bis September / Oktober eher nichts wird; selbst wenn das jetzt recht reibungslos ginge mit den Unterschriften.
Da der Kardiochirurg letztens vom Stapel gelassen hat, sich „im nächsten Winter“ für die Prüfung anmelden zu wollen, wäre es ja fast zu überlegen, ob ich das nicht noch ein bisschen schiebe und zumindest meinen Frühling genieße. Denn zwei Facharztprüfungen nahtlos hintereinander, im Rahmen derer sich erst der Eine und dann der Andere nicht bewegen kann und wir zusammen uns die nächsten anderthalb Jahre nicht bewegen können – ich glaube nicht, dass die Beziehung das überlebt.
Das hält aber irgendwie Keiner, dem ich das bisher gesagt habe, für eine gute Idee. Und ich wollte mich eigentlich auch nicht mehr abhängig von den Jungs machen, aber ich sehe das eben sehr kritisch. Und ich wollte keine Beziehung mehr an den Job verlieren. (Obwohl es natürlich immer mehr als eine Sache ist, an der so eine Beziehung kaputt geht).
Aber diese Thematik dient uns als Überleitung zur aktuellen Beziehungssituation.
„Naja, es hat schon wieder gekracht zwischen uns. Aber hey: Zwischen Silvester und jetzt haben wir uns mal nicht gestritten; das ist immerhin ein Monat. Ich glaube, das gab es im kompletten Jahr davor nicht…“
Er seufzt. Ich sitze ihm immer noch relativ fidel gegenüber, aber eigentlich ist es gar nicht witzig.
„Naja, er hat letztens irgendwann ziemlich deutlich gesagt, dass ihm die Beziehung nie wichtiger sein wird, als sein Job. Und das ist ja nun ein ziemlich eindeutiges Statement, das eben auch sehr gut in sein Verhalten passt.“
Ich mache eine kurze Pause.
„Irgendwie hatte ich schon das Gefühl, dass er sich im Januar mal echt bemüht hat und mal angefangen hat, Dinge abzusprechen. Andererseits habe ich mich glaube ich auch an viel gewöhnt. Im Dezember und Januar habe ich von ihm einfach mal überhaupt keinen Dienstplan gesehen. Wir können halt immer nur von heute auf morgen denken in dieser Beziehung. Und manche Wochenenden – so wie dieses – zerfallen uns unter den Händen. Ursprünglich hieß es, er hat Freitag Dienst. Ja okay, deshalb bin ich jetzt bei Ihnen. Dann kam aber der Sonntagdienst noch dazu, den er angeblich übernommen hat, was ich ihm aber nicht glaube. Und wenn, dann wäre das abzusprechen gewesen. Und damit hätte man natürlich das ganze Wochenende anders planen können. Ich kann auch ständig so viel nicht machen, weil er seinen Scheiß nicht auf die Reihe bringt. Und ja ich weiß, ich muss mich nicht von ihm abhängig machen. Aber ich versuche eben doch die Lücken zu füllen, wenn ich es mir aussuchen kann, um für uns beide gemeinsame Zeit zu generieren. Ist ihm aber alles ziemlich egal.“
Ich denke eine Weile nach. „Ich glaube, ich muss mir eben irgendwann auch mal Gedanken machen, was ich von Beziehung will.“
„Aber das wissen Sie doch, Frau Mondkind…“
„Naja, ich weiß es nicht. Ich denke manchmal über den verstorbenen Freund nach. Dieses Kennenlernen war etwas, das ich davor und danach nie wieder hatte. Ich weiß noch, er hat mich angesprochen damals und ich hatte wohl irgendwie Zeit. Und dann waren wir fünf Stunden in diesem Stadtteil spazieren und ich kann mich wirklich daran erinnern, dass ich hinterher gedacht habe: „Es kommt mir vor, als würden wir uns schon zehn Jahre kennen.“ Das war eine Beziehung, die eigentlich mit einer ganz tiefen emotionalen Bindung begonnen hat. Dafür gab es so gut wie überhaupt keine Sexualität in dieser Beziehung. Ich glaube nicht, dass ich damit heutzutage noch zufrieden wäre.“
„Sie haben sich auch weiter entwickelt“, wirft mein Gegenüber ein.
„Dann kam es Exfreund und das lief eigentlich mit dem Kennenlernen wie beim Kardiochirurgen. Wir haben uns gesehen und in dem Moment ist irgendetwas passiert. Da war eine Anziehung, bevor wir uns kannten, irgendeine Bindung, die ganz anders war. Die eigentlich nichts mit Gemeinsamkeit zu tun hatte. Für den Exfreund war Sexualität dann die Grundlage einer Beziehung und daran sind wir beide eben gescheitert. Es ist ein Teil. Aber nicht der Wichtigste und auch nicht das Fundament für mich. Naja und der Kardiochirurg… - ich weiß nicht mal, wie er das sieht, aber Fakt ist, dass glaube ich dieses Kennenlernen schon mal nicht schlau ist. Wahrscheinlich muss man erst die Seelen verbinden und dann schauen, ob es funktioniert, aber ich befürchte, das ist schwierig.“
„Naja Frau Mondkind, es wird nichts jemals wieder wie die erste Beziehung sein. Das romantisiert man immer. Das hat immer Alleinstellungsmerkmal, das bleibt immer etwas Besonderes – insbesondere, da Ihr Freund ja nun auch verstorben ist, das bringt da ohnehin eine ganz andere Dynamik rein.“
„Aber das ist ja der Punkt“, entgegne ich. „Ich frage mich manchmal, ob ich da zu sehr am Alten hänge und versuche irgendetwas zu reaktivieren und darüber vergesse, dass eben jeder Mensch und jede Beziehung anders ist und das Leben sich außerdem fünf Jahre weiter gedreht hat.“
„Frau Mondkind, wenn das jetzt wieder auf die Frage hinaus läuft, ob Ihre Ansprüche zu hoch sind, dann kann ich Ihnen versichern, dass sie es nicht sind. Was Sie wollen, ist völlig normal.“
„Und Frau Mondkind“, ergänzt er irgendwann, „Sie basteln jetzt schon anderthalb Jahre daran herum. Am Anfang kann man dem Gegenüber Zeit geben und sagen „okay, vielleicht ist der Andere traumatisiert durch eine vorangehende Beziehung“ oder so etwas, aber nach anderthalb Jahren ändert sich das nicht mehr.“
„Naja“, antworte ich, „ich weiß auch nicht, wie lange ich mir das noch angucken soll. Ich meine, ich bin jetzt 31. Früher habe ich immer gesagt, es gibt keine eigenen Kinder vor dem Facharzt und es war ja auch klar, dass ich den mit 31 oder 32 machen werde. Das ist noch nicht zu spät, um eine eigene Familie zu gründen, außerdem muss man sich mit einem Facharzt in der Tasche wahrscheinlich die nächsten Jahre keine Gedanken um die berufliche Zukunft machen. Das schien mir ein guter Plan zu sein. Abgesehen davon konnte ich mir das damals auch noch gar nicht vorstellen überhaupt mal Kinder zu haben und habe das weit von mir weg geschoben.“
„Naja, damals waren Sie noch viel jünger“, wirft er ein. „Aber das funktioniert so nicht. Wie wollen Sie denn so eine Familie gründen?“
„Naja das weiß ich eben auch nicht. Wir kriegen das ja nicht mal hin, abends mal nach Hause zu kommen, mehr als zwei Nächte pro Monat beim anderen zu bleiben. Und wie soll das funktionieren, wenn wir mal Kinder haben, aber der Papa erst abends um 10 nach Hause kommt. Ein Kumpel meinte letztens mal, vielleicht ändert sich der Mann ja auch mal, wenn dann Kinder kommen, aber ich kann ja nicht schwanger werden und darauf hoffen. Weil so wie es jetzt ist, werde ich de facto alleinerziehende Mutter werden, auch wenn ich formal einen Mann dazu habe. Und was bedeutet das auch für die Kinder?“
Er lehnt sich zurück auf seinem Stuhl.
„Frau Mondkind, Sie müssen nach dem Facharzt Ihr Leben defibrillieren.“
Ich lache.
„Nein, ich meine das ernst. Ich bringe Ihnen dann am Tag nach der Prüfung einen Defi von der Intensivstation mit in die Frühbesprechung.“
„Hihi und dann weiß Keiner was das soll, außer uns beiden.“
„Ich werde nichts sagen“, meint er. „Und dann überlegen Sie mal, was sie beruflich weiter machen wollen und dann gehen Sie mal intensiv auf Partnersuche. Sie haben noch fünf Jahre. Das kann alles noch so werden, wie Sie sich das wünschen.“
***
Ich glaube manchmal habe ich auch viel Angst nicht nur vor der Facharztprüfung, sondern auch vor der Zeit danach. Es ist ja die Frage, ob der Kardiochirurg und ich das überhaupt noch bis dahin schaffen. Der Intensivoberarzt meint, ich soll das jetzt einfach mal so mitziehen, weil ich eine Trennung gerade nicht brauchen kann, aber wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr.
Im Kern weiß ich aber, dass er Recht hat.
Es ist die Frage… - genieße ich danach, dass ich mal Ahnung von dem haben werde, das ich beruflich mache, dass ich autonom sein darf, nicht mehr für absolut alles die Oberärzte anrufen muss, Ansprüche stellen darf, mich vielleicht nicht mehr über die Stationen schieben lassen muss? Ist natürlich die Frage, ob das so kommt. Der Chef hat die Schnapsidee das MVZ zu kaufen und er braucht Fachärzte dafür. Das wäre nicht mein Wunsch…
Oder breche ich dann wirklich die Zelte ab, springe ins kalte Wasser, begebe mich wieder auf den Kükenstatus, mache eine zweite Facharztweiterbildung und nebenbei Selbsterfahrung und einer Psychotherapieausbildung, was wieder viele Nerven, Zeit, Geld und allgemeine Ressourcen fressen wird. Aber vielleicht komme ich dann irgendwann an dem Punkt an, den eine kleine Mondkind sich gewünscht hat, bevor sie gezwungen wurde, aufzuhören zu träumen. Ich weiß mittlerweile, dass wir selbst verantwortlich für uns sind und leider manchmal gar nicht Schuld an der Misere sind, sie aber trotzdem ausbaden müssen. Die damals 17 – jährige Mondkind, die unter dem Druck der Eltern fast zusammen gebrochen ist und zu Hause sehr isoliert von Gleichaltrigen gehalten wurde, an denen man sich auch hätte orientieren können, hätte keine andere Entscheidung treffen können, aber die Mondkind von heute kann eben neue Wege gehen. Es sind halt Umwege. Aber „ein bisschen Neuroerfahrung“ hat jetzt auch noch Niemandem geschadet.
Und dann ist die Frage, wie es beziehungstechnisch weiter geht. „Sie sind eine ganz normale, attraktive Frau. Wobei – ganz normal sind Sie nicht. Dann würden Sie nicht anderthalb Jahre lang in so einer Beziehungssituation bleiben“, sagte der Intensivoberarzt. Ich glaube ehrlich gesagt, ich habe gar keine Ahnung, wie eine - zur Abwechslung gesunde - Beziehung aussehen kann. Das ist immer ein vager Traum, dieses ganz normale Leben, in dem wir morgens gemeinsam aus einer Wohnung heraus aufbrechen, abends wieder gemeinsam zusammen finden, gemeinsam den Tag reflektieren, essen und noch ein bisschen lernen, ehe das Licht wieder gelöscht wird.
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das für mich jemals so sein kann. Es war immer schwer, all die Jahre fast nie okay. Und irgendwie wäre das doch… - nicht Mondkind – like, wenn so etwas mal passieren würde. Und man stelle sich vor, dann gäbe es noch ein Kind dazu, das dieses stille Glück krönen würde. Die Mondkind von damals, die 17 – jährige, hat nie gedacht, dass sie mit 31 Jahren noch lebt. Geschweige denn, dass sie jemals geglaubt hätte, das so etwas möglich sein würde.
Meine Schwester war kürzlich in der alten Heimat und hat mir dazu geschrieben, dass sie immer wieder froh ist, aus dem Leben von damals raus zu sein und froh ist, dass sie damals nicht wusste, das was Leben noch bereit halten kann; sonst wäre das vielleicht nicht durchzuhalten gewesen. Das hat mich bewegt, diese Aussage. Wir haben dasselbe gefühlt, aber fast nie drüber gesprochen.
„Sie haben noch fünf Jahre.“
Ich weiß schon, dass der Intensivoberarzt ein unverbesserlicher Optimist ist. Aber wenn man ihn wirklich in seiner Funktion als Anästhesist und Intensivmediziner braucht, kann man aufatmen, sobald er die Station betritt. Wenn es darauf ankommt, ist er fachlich und menschlich so kompetent, dass das alles so läuft wie er es braucht, um dem Patienten zu helfen und um noch so verzwickte Situationen bestmöglich zu lösen.
Und dann denke ich mir manchmal: Vielleicht kann man so einem Menschen glauben. Und es kommt natürlich nichts von selbst. Aber vielleicht, wenn ich mir Mühe gebe.
„Ich bin sehr neugierig, wie es alles weiter geht“, sagte er.
Neugier… das ist vielleicht auch ein Gemütszustand, mit dem man auf die Zeit nach dem Facharzt schauen kann…
Und bis dahin heißt es durchhalten. Zwei riesige Baustellen parallel schaukeln. Manchmal frage ich mich, wie ich das machen soll. Und dann erinnere ich mich, dass es immer schwierig war und immer irgendwie ging und ich mich immerhin schon so weit durchgekämpft habe. Den Rest schaffen wir auch. Und vielleicht darf eine Mondkind dann auch nochmal irgendwann glücklich werden. Irgendwann zurück schauen und sagen: Es war verdammt schwer und das Ein oder Andere hätte ich gern auslassen können, aber am Ende hat es sich gelohnt. Das wäre schön.
Mondkind
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