39 Monate

Mein lieber Freund,
sag – wie geht es Dir so?
Liegt der Sommer bei Dir auch allmählich in den letzten Zügen?
Langsam werden die Blätter hier bunt und das ist okay. Ich hatte dem Eindruck, dass der Sommer sich dieses Jahr das Finale für die besseren Zeiten des Jahres aufgehoben hat und ein paar Tage war es ja am Ende doch noch kurz okay.

Zu Deiner Mum und damit auch zu Dir habe ich es nicht geschafft in diesem Urlaub, obwohl ich das auf meinem Plan hatte. Ich hoffe aber schon, dass das dieses Jahr noch klappt. Ich muss mal sehen, wie ich das organisiere. Vielleicht an irgendeinem Wochenende.

Ich war allerdings in der Studienstadt.
Und irgendwie habe ich einen richtigen Sprung gemacht, seitdem ich das letzte Mal da war – das habe ich sehr deutlich wahrgenommen.
Mehr als drei Jahre nach Deinem Tod und über vier Jahren, dass ich dort zuletzt gewohnt habe, verknüpft Mein Gehirn eine Reise in die Studienstadt eher mit einem Besuchen von Freunden. Und das heißt nicht, dass mein Kopf nicht die ganze Zeit im Hintergrund rattert, dass ich immer wieder die „alte Mondkind“ vor meinem geistigen Auge sehe und ich an so vielen Orten, an denen wir gemeinsam waren ein Mal kurz inne halte.
Aber das heißt, dass die Studienstadt eben mittlerweile wieder mehr ist, als die Schatten der Vergangenheit.

Tatsächlich bin ich langsam an einem Punkt, an dem ich mehr sehen kann, als der Schrecken, der es am Ende war. Vielleicht hat der Intensiv – Oberarzt so lange auf mich eingeredet, dass man von der Vergangenheit immer die guten Erinnerungen behalten soll, bis da in meinem Gehirn tatsächlich irgendetwas umgeswitcht ist. Ich kann mich mittlerweile so viel besser an die guten Zeiten erinnern und die auch wirklich festhalten, in dem Moment bleiben und dankbar dafür sein, dass ich das mit Dir erleben durfte.
Das war eine sehr, sehr schöne Erkenntnis.

Und ich glaube, so allmählich gehen hier die Dinge wieder ein bisschen vorwärts. Nach jahrelangen Stillstand richten wir die Wohnung weiter ein. Richtig – Wir…
Weißt Du, ich habe mal ein bisschen durch meinen eigenen Blog gescrollt und manchmal vergesse ich richtig gute Gedanken einfach wieder. Das hier habe ich Ende Januar schon mal geschrieben: „Und wenn der verstorbene Freund und ich sich irgendwann wieder treffen, dann möchte ich sagen: „Ich habe mein Leben gelebt. Ich habe Dich nie vergessen, Du warst immer ein Teil von mir, Du hast mich so sehr geprägt, Du hast mir so viel von dem mitgegeben, das meine Familie mir nicht geben konnte – aber Du warst irgendwann nicht mehr da und ich konnte Dich leider weder von diesem Schritt abhalten noch festhalten. Aber ich habe nach den Werten weiter gelebt, die uns vereint haben, vielleicht waren wir beide irgendwo glücklich in der Zeit und jetzt lass uns mal erzählen, was uns in der Zeit bewegt hat, in der wir getrennt waren.““

Und so ist es doch eigentlich, oder?
Du machst Deine Sache und ich mache meine Sache – mehr können wir gar nicht tun. Ich glaube, das Einzige, das man real mit der Vergangenheit noch tun kann, ist sie gut zu reflektieren und an ihr zu wachsen.
Und das versuche ich. 

 

Kürzlich in der Studienstadt

Der Kardiochirurg und ich… - ich weiß nicht, was das wird. Ich habe das Gefühl, wenn wir mal Zeit miteinander verbringen, sind wir schon glücklich miteinander. Nur, ob das wirklich für ein „Wir“ reicht, mit dem man alt werden und Familie gründen kann – das weiß ich noch nicht. Wie soll das denn mal werden, wenn wir mal Kinder haben sollten und der Papa abends nie da ist? Gestern hatte ich meinen ersten Tag in der Psychosomatik und irgendwie hat er dann auch bis 22:30 Uhr im OP gestanden, sodass wir nicht mehr viel Zeit hatten, Erlebnisse auszutauschen. Und so etwas ärgert mich dann schon. Und die können im Dienst locker drei Kardiochirurgen in den Dienst rufen – ganz regulär; ich verstehe nicht, was er da ständig macht.
Ich habe das schon damals geschätzt – und so retrospektiv noch mehr – dass wir beide da zeitlich echt flexibel waren. Das ist ein wahnsinnig großes Problem und kann Beziehungen wahrscheinlich verhindern, bevor sie entstehen.

Apropos Psychosomatik… - das ist jetzt irgendwie ein Erlebnis. Ich war ja gestern erst den ersten Tag dort; der Psychologe hat mich unter seine Fittiche genommen. (Wir haben übrigens im Verlauf heraus gefunden, dass er mal bei mir in der ZNA war – es geht also auch andersherum… ;) ). Im Verlauf sollen eine Kollegin und ich wirklich eine eigene Gruppe bekommen und dann müssen wir uns ärztlich und therapeutisch darum kümmern. Ich erzähle Dir mal mehr, wenn ich das mehr einschätzen kann, aber ich war sehr, sehr zufrieden mit dem Tag gestern. Und ich bin richtig doll motoviert, mich da jetzt echt rein zu hängen. Wir haben auch gestern einen neuen Oberarzt bekommen, der erstmal sehr nett wirkt. Und er hat das genauso gemacht, wie ich das vorhabe. Er meinte, wenn er schon Psychosomatik macht, dann gleich richtig und er hat die psychotherapeutische Ausbildung über die ärztliche Schiene dazu gemacht und hat schon gestern ein bisschen über Ausbildungsinstitute erzählt. Vielleicht kann ich da – wenn dieser Wunsch in den nächsten Monaten weiterhin bestehen sollte – mal zu gegebener Zeit mit ihm reden.

So und Du – halt erstmal die Öhrchen steif.
Ich denke viel an Dich und ich wünschte, Du hättest die Zeit hier miterleben können.
Ganz viel Liebe in Richtung Universum
Mondkind

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