Krank

Die letzten Tage war es hier sehr still.
Das hatte auch einen Grund.
Ich war krank. Aber so richtig. Knapp drei Tage habe ich verbracht mit Fieber zwischen 38 und 40 Grad. Seit gestern Mittag ist es weg, seitdem geht es steil bergauf und ich plane auch, morgen wieder arbeiten zu gehen – auch, wenn der Kardiochirurg das nicht so witzig findet. („Solange wie Du schnaufst wie eine 90 – jährige Omi, wenn Du ein Stockwerk hoch gelaufen bist, würde ich Dir das nicht empfehlen“).
Der Körper muss sich noch ein bisschen erholen, ich habe eigentlich von Dienstag bis Freitag auch nichts essen können und habe bestimmt auch ein paar Kilos Gewicht verloren; der Hunger ist leider auch noch nicht wieder da, aber ich habe ihm versprochen auf der Arbeit den Fahrstuhl zu nehmen und nicht auf einer Treppe ohnmächtig zu werden.
Irgendetwas von Covid (obwohl die Schnelltests alle negativ waren, aber PCR – Tests kriegen nur die Patienten und nicht das Personal und wir haben immerhin Covid in der Klinik), Influenza und den Konsorten wird es schon gewesen sein. Anders kann ich mir das nicht erklären – das ist mir jahrelang nicht mehr passiert.

Die Kardiochirurgie ist ja bekanntlich schwer beschäftigt und deshalb hat der Kardiochirurg erst Donnerstagmittag wenige Minuten gefunden, um vor seinem 24 – Stunden – Dienst bei mir vorbei zu schauen. Bis dahin hat er vielleicht auch gedacht ich übertreibe das dezent, aber dann hat er auch gesehen, dass es mir wirklich nicht gut geht und ich nicht mal alleine Tee kochen konnte, weil ich neben dem Wasserkocher umgekippt wäre und nach jedem kurzzeitigen Aufstehen – zum Beispiel, um zur Toilette zu kommen – erstmal wieder mindestens eine Stunde Pause gebraucht habe und das Fieber auch direkt wieder angestiegen ist. Und weil durch das Fieber auch noch ständig die Klamotten und die Bettwäsche komplett nass waren, musste ich das auch noch oft tauschen mit meiner nicht vorhandenen Kraft.
Ab Donnerstag hatte ich dann aber zumindest Tee, gegessen habe ich sowieso nichts und am Freitag hatte der Kardiochirurg dann etwas mehr Zeit. Richtig niedlich fand ich ja, dass er genau weiß, wie sehr mich Unordnung stört und die Küche sah leider nicht so gut aus. Die hat er dann erstmal völlig unaufgefordert angefangen aufzuräumen. Und auch sonst gibt es nicht mehr sehr viele Ecken meiner Wohnung, die er nicht kennt… - ob das immer gut ist…? Er fand es schon amüsant, dass ich die Verpackung meiner Spültabs für den Geschirrspüler immer einfach zurück in den Karton stopfe, weil ich zu faul bin, um zum Müll zu gehen. (upsi). Ab Freitag war dann aber auch essen unter Aufsicht angesagt. Ich wollte ja nicht, weil ich keinen Hunger hatte und alles sowieso komisch geschmeckt hat (also nicht so nach Pappe, wie man das sonst kennt von Erkältungen, sondern, als hätte man einmal alle Geschmacksnerven durcheinander geschmissen), aber er meinte, sonst werde ich nicht gesund und kann nicht arbeiten am Montag.
(Ich habe mich allerdings öfter an den verstorbenen Freund erinnert, der bevor ich umgezogen bin, immer gesagt hat: „Mondkind, wenn man so weit auseinander wohnt, dann kann der andere nicht mal schnell zum Helfen kommen, wenn man krank ist.“ Ich war so froh, dass ich den Kardiochirurgen hatte. Zwischendurch hatte ich noch mit dem ehemaligen Freund telefoniert, der der Meinung war, dass ich einfach nur „wehleidig“ sei. Das war nicht nur nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv). 



Allerdings war es nicht das einzige Problem, dass ich in der dritten Woche auf der neuen Arbeit direkt erstmal drei Tage gefehlt habe, sondern auch, dass ich Samstag Dienst gehabt hätte. Den hatte ich auch noch in der Woche davor dorthin getauscht – eigentlich wäre der erst nächstes Wochenende gewesen, aber da hat die Chefin der Psychosomatik die neuen Kollegen höchstpersönlich zur Fortbildung angehalten; dann sollte man da wohl hingehen.
Aber beim besten Willen – ich hätte diesen Dienst nicht durchgehalten. (Obwohl ich es vielleicht mit vielen Medikamenten irgendwie geschafft hätte, aber zu einem Notfall hätte ich nicht rennen können und garantieren können, dass ich nicht zwischendurch umkippe, hätte ich auch nicht gekonnt. Und der Kardiochirurg hätte mich umgebracht…).  Jetzt musste ich also nach vier Jahren Neuro kurzfristig den Dienst absagen und das auch noch, wo ich gerade aus der Neuro weg bin. Ich hoffe, das hat jetzt niemand so interpretiert, dass ich jetzt anfange, mich um die Dienste zu drücken. Das würde ich zwar auch gern machen, aber das ist nicht so meine Art. Mal schauen, ich denke ich muss der Kollegin jetzt zumindest anbieten, ihr nächsten Monat einen Wochenend – Dienst abzunehmen; sie hat nur Einen nächsten Monat und ich spekuliere ehrlich gesagt darauf, dass sie den selbst machen möchte, aber anbieten sollte ich es eben schon. Ich fordere das zwar auch nie ein, wenn ich Dienste übernommen habe, aber es gehört schon zum guten Ton.

Und dann haben die letzten Tage eben auch eine ganze Menge alter Themen auf den Tisch geholt.
Einer der Leitsätze meines Lebens ist immerhin: „Kranksein ist verboten“. Ja, herzlichen Glückwunsch. Der Kardiochirurg war aber ganz lieb und hat immer wieder gesagt, dass es nicht schlimm ist und dass es das Wichtigste ist, dass ich jetzt schnell wieder fit werde und er sich gern kümmert.
Und dann ist das ganze Ding mit dem Hilfe annehmen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, ja auch gar nicht so einfach. Ich hasse das. Ich mache am liebsten immer alles selbst, bin auf niemanden angewiesen. Aber das war eben einfach nicht möglich. Und zwischendurch habe ich bemerkt, dass es mir aufgrund dessen wirklich nicht gut geht.
Damit kann ich mich jetzt die Tage nochmal ein bisschen auseinander setzen. Und vielleicht auch wieder realisieren: Es ist nichts Schlimmes passiert. Der Kardiochirurg war gar nicht böse, der dienstplanverantwortliche Oberarzt, der schon auch weiß, dass ich nur zu Hause bleibe, wenn die Hütte brennt, hat sich sogar noch erkundigt, ob ich zu Hause zurechtkomme. Einzig die Kollegin, die den Dienst übernehmen musste, die ist vielleicht zu Recht nicht gerade erfreut. Obwohl – wenn ich mich an mich selbst erinnere – wenn man nicht gerade etwas Wichtiges vorhat  - dann übernimmt man ja vielleicht auch gern mal einen Dienst und hilft jemandem aus der Patsche, dem es gerade nicht gut geht. Und bei ihr kann ich mich ja auch noch revanchieren.

Aber morgen starten wir wieder.
Und ich freu mich. Ich bin ja immer noch gern in der Psychosomatik und langsam kann ich auch wirklich nicht mehr zu Hause sein. Zwischendurch haben mir so die Knochen wehgetan vom ganzen Liegen.
Mal schauen, wie es morgen geht. Ich gehe schon davon aus, dass ich morgen Abend ordentlich platt sein werde. Aber der Kardiochirurg und ich wollen sich morgen Abend noch treffen; er hat nämlich dienstfrei morgen (und ärgert sich sehr darüber, dass ich morgen meine Entscheidung, ob ich arbeiten gehen kann, alleine treffen muss und wir beide sehr wohl wissen, wie die ausfallen wird).

Mondkind


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