Über ein Telefonat
Dienstagabend.
Eigentlich wollte ich nach der Eskalationen der vergangenen Tage mal früh ins Bett gehen. Die Gefühle in mir sind so heftig, dass ich die Box mit den Psychopharmaka wieder raus gekramt habe, um überhaupt irgendwie schlafen zu können.
Ich versuche mich immer wieder darauf zu besinnen, dass ich den Facharzt habe und doch schon alles irgendwie okay ist, aber es fühlt sich nicht okay an.
Am späten Nachmittag hatte ich dem Freund nochmal geschrieben, wie es mir aktuell mit der Beziehung so geht, was ich von ihm wahrnehme und was ich mir von uns wünsche. Sein einziges Statement dazu ist „Gute Nacht Mondkind“. Und dann – dann reißt mir endgültig die Hutschnur.
Ich rufe ihn an und schreie ihn eine halbe Stunde lang zusammen. Ich weiß nicht, ob ich so etwas in meinem Leben schon jemals getan habe. Es ist, als würde sich all diese Wut genau jetzt kanalisieren. Und als wir dann bei der zentralen Frage angekommen sind und ich von ihm wissen möchte, ob ihm denn die Beziehung überhaupt noch wichtig ist, sagt er „Es tut mir leid Mondkind, ich muss Dich in die Warteschleife hängen, ich muss kurz an mein Telefon gehen.“
Wenig später meldet er sich und natürlich möchte ich wissen, wer das war. „Das kann ich Dir jetzt nicht sagen Mondkind. Das würde nichts ändern jetzt.“ Ich fange schon an, mir Sorgen zu machen. Ist vielleicht jemand gestorben und ist vielleicht kein guter Zeitpunkt das genau jetzt zu sagen? Wie steht es um die Gesundheit seiner Großeltern? Gibt es wieder irgendeinen Stress zwischen seinen Eltern? Ich wiederhole meine Frage von vor dem Anruf und bleibe gedanklich trotzdem noch etwas auf meiner Sorge hängen.
Etwa zehn Minuten später klingelt das Telefon erneut. Und wieder muss er dran gehen. „Ich kann es Dir nicht sagen Mondkind“, sagt er auf meine nochmalige Bitte wissen zu dürfen, was jetzt so ultimativ wichtig sein kann. „Okay, pass mal auf: Du packst jetzt Deine Sachen und kommst hierher“, sage ich. „Das geht nicht Mondkind. Ich war 12 Stunden im OP heute“, entgegnet er. „Ist mir egal, ich war auch 12 Stunden auf der Arbeit“, erkläre ich ich. „Und ich muss duschen und etwas essen“, ergänzt er. „Es hat noch Lasagne im Kühlschrank und duschen kannst Du bei mir.“ „Es geht wirklich nicht Mondkind“, sagt er nochmal. „Du hast irgendetwas vor“, schlussfolgere ich. „Ich hab Rufdienst“, gibt er sich irgendwann geschlagen. „Okay, und gerade hat die Klinik angerufen“, schlussfolgere ich. Ich sage ihm nochmal, dass er mir das halt sagen soll, wenn er Rufdienst hat. Ich verstehe nicht warum ich dieselben Sachen immer und immer wieder im Kreis erzählen muss. Das Thema hatten wir schon tausend Mal, dass irgendwelche Dienste aus dem Off gekrabbelt kommen und er erstmal meint, ich merke das nicht.
Irgendwie wird das alles immer wilder mit uns.
Ich kann mich kaum noch konzentrieren auf der Arbeit, ich tu manchmal Dinge, die ich wirklich besser könnte. Ich habe lang nicht mehr so eine tiefe Verzweiflung gespürt, so Vieles in Frage gestellt. Ich weiß nicht, was ich mit meinem Job machen soll, was ich mit meiner Beziehung machen soll, ich frag mich manchmal, wie ich in dieser Situation gelandet bin. Es nervt mich alles, ich bin dauerhaft müde und manchmal denke ich, das rutscht jetzt so langsam aber sicher mal wieder in eine depressive Phase ab. Ich musste so lange stark sein. Es gab quasi ein Jahr keinen Urlaub mehr, daneben musste ich eine Beziehung händeln, die immer wieder eskaliert, für einen Facharzt lernen – es ist zu viel langsam. Langsam schwinden mir die Kapazitäten. Und ich brauche dringend ein Ohr, aber leider ist keins da. Frau Therapeutin habe ich geschrieben, aber die scheint nicht da zu sein, jedenfalls schreibt sie nicht zurück.
„Bedenke, dass dieser Mann an Deiner Seite sein muss, wenn Du Kinder auf die Welt bringst und wenn Deine Eltern sterben“, hat letztens mal jemand gesagt. Das hat mir echt ein bisschen zu denken gegeben.
Eigentlich sollte ich gerade mein Leben ein bisschen sortieren. Mir ein paar Gedanken um den Job machen, vielleicht mal überlegen, was ich im Urlaub machen mag. Aber es ist gerade ein Überleben. Ein Schleppen von Tag zu Tag. Noch drei Dienste bis zum Urlaub, in etwas über einer Woche. Da sind keine Kapazitäten mehr für irgendetwas anderes.
Mondkind
Und da drehst du dich wieder in die gleiche Spirale wieder im Kreis bergab. Wie neulich schon in den Kommentaren geschrieben, weckt dein Verhalten und auch Reflektieren („Ich kann und möchte das so nicht mehr und es wird sich mit diesem Mann nicht ändern“) einfach nur den Impuls dich zu stupsen zu schütteln und zu einem Schritt Neuanfang zu schubsen. Kennst du das nicht auch von Patienten in der Psychosomatik, die immer wieder in ihre kaputte Beziehung zurückkehren? Immer wieder dort aufschlagen. Den Schritt doch nicht tun. Doch keinen Mut fassen? Und dann nach Jahren des Durchhaltens so viel Zeit auf das Negative verschwendet haben, anstatt das, was ihnen Freude bereitet um sie herum wahrzunehmen? Hier erhält man als Leser ja nur einen kleinen Einblick in deine Lebens- und Gefühlswelt. Aber alles an diesen Texten schreit nach Veränderung auf der Beziehungsebene.
AntwortenLöschendas klingt als würdest du daran kaputt gehen. und ja es ist doch so: schon jetzt findet er keine zeit, er sagt dir nicht bescheid etc. du kommst damit nicht klar, verständlich. denke mal darüber nach wie das wäre wenn ihr kinder hättet. ich kann mir nämlich vorstellen das der sagt ok wir kriegen kinder aber er hat keine zeit. und du machst das dann alles. aber kinder finden es doch scheiße wenn der papa nicht zum Fußballspiel kommt mit an feuert, vorliest oder ins Bett bringt. du bist schon jetzt unglücklich, das wird sich nicht ändern. du wirst wenn kinder ins spiel kommen nur noch unzufriedener und dann sind da kleine Persönlichkeiten die darunter leiden. ich habe keine Ahnung von liebe, aber das klingt nur nach verzweifelten festhalten deinerseits weil es konnte ja doch klappen, er könnte sich js ändern. aber das ist ihm so scheint es zu anstrengend. du hast mehr verdient. mach dich nicht kleiner als du bist. er gibt dir das Gefühl seine zeit nicht wert zu sein. ist er denn deine zeit wert? denk drüber nach was du willst. es klingt nicht wie die große liebe. er macht es sich einfach und ist von dir genervt, vielleicht klappt das für ihn und du arrangierst dich damit und ihr kriegt kinder. aber was wenn er kein lust mehr auf dein "Gemecker" ode deine Unzufriedenheit hat und sich trennt, dann schwöre ich dir macht dich das noch unglücklicher, du wirst dich noch wertloser fühlen. jetzt hast du die chance mit erhobenen kopf zu gehen, grenzen zu setzen und deine wünsche, ziele und träume und Bedürfnisse durchzusetzen. siehst du ihn den für die nächsten jahzrenten an deiner Seite, als Vater deiner kinder? oder ist das nur eine illusion. es ist hart zu gehen sich zu lösen. wenn das liebe ist kämpf, wenn nicht dann lass es. aber mach dich nicht noch kaputter. du weißt wie schlimm kaputte Familien sind, wenn das ganze mit einer kaputten Beziehung startet und nicht auf Augenhöhe wird das ganze eine wackelige Angelegenheit...du musst dir Gedanken machen lieber früher als später. du hast si viel geschafttt. sei mutig oder auch nicht, es ist dein leben aber du kannst es leben wie du es willst... sorry wenn das alles etwas übergriffig ist, es ist immer einfach von außen zu beurteilen und es besser zu wissen....
AntwortenLöschenDanke für die Kommentare erstmal.
AntwortenLöschenIch weiß es nicht. Ich sehe das ja auch. Es ist ja nicht so, als würde ich das nicht mitkriegen, dass es so einfach nicht mehr geht und dass ich die hauptsächlich Leidtragende bin. Für ihn passt ja alles, er vermisst da glaube ich wenig.
Und das ist auch dieser Punkt, der mich immer wieder wütend auf mich selbst macht. Natürlich habe ich solche Geschichten in der Psychosomatik gehört und erlebt und ich wüsste genau, was man mir da sagen würde, welche Fragen man stellen würde.
Ich glaube manchmal, dieses Hauptproblem wird so der Anfang sein. Nach der Trennung. Dieses wirkliche Realisieren, dass er jetzt nicht mehr da ist und dass ich so viele Ideen für uns Zwei hatte, die wir niemals umsetzen konnten. Aber es waren eben Ideen. Es war real nicht möglich. Ich glaube oft, ich bin eher verliebt in die Möglichkeiten, die so eine Beziehung eben mit sich bringen könnte als in das, was real da ist.
Ich glaube – wie auch schon zu Recht angesprochen – Kinder werden ein großes Problem und ich möchte wirklich nicht, dass meine Kinder quasi ohne verfügbaren Papa aufwachsen und vielleicht dann auch noch kritiklos dieses Weltbild übernehmen, dass man so viel wert ist, wie seine Leistung. Manchmal frage ich mich sowieso, wie man in einem Ärztehaushalt vermitteln kann, dass es anders ist, wenn die Eltern halt beide einen so sozial angesehenen Beruf haben. Das ist ja wieder so eine Diskrepanz zwischen dem, das man sagen wird und dem, das eben real da ist.
Ich glaube auch, ein großes Ding ist Angst. Was mache ich denn, wenn ich niemanden mehr finde? Oder zumindest nicht in der Geschwindigkeit, in der eine Familienplanung noch gut möglich wäre. Man trennt sich ja nicht und vergisst die Beziehung. Beim Exfreund hat es länger gedauert, als wir überhaupt zusammen waren, bis ich mich emotional endlich von ihm lösen konnte und dann kam eigentlich sofort der Kardiochirurg – böse Zungen haben behauptet zu Beginn, er wäre Lückenfüller, was er aber für mich nie war. Das ist trotzdem ein schlechter Grund zu bleiben, das weiß ich auch.
Und dann ist es auch viel Selbstzweifel mittlerweile, glaube ich. Vielleicht will ich wirklich zu viel von Beziehung? Vielleicht hat jede Beziehung ihre wunden Punkte, die es gilt mitzutragen und mitauszuhalten. Vielleicht mache ich mich zu schnell abhängig von Zukunftsideen, die der andere noch nicht denkt.