Wochenverlauf
Dienstag.
Ich bin auf dem Weg vom Dienst nach Hause, als ich der leitenden Oberärztin aus der Psychosomatik über den Weg laufe. Die macht direkt mal Nägel mit Köpfen und knöpft mir meine Handynummer ab. Nachdem durchgedrungen ist, dass ich mir nicht ganz sicher bin, inwieweit ich in der Psychosomatik wirklich gewollt bin, wird sie das nochmal klären, sagt sie. Nicht zu viel sprechen, entgegne ich, da läuft mir aktuell schon mehr als genug Kommunikation außen rum, die dann erst über Umwege bei den richtigen Stellen landet.
Eigentlich kann sie meine Zweifel aber schon ausräumen, indem sie sagt, dass die Chefs wirklich nicht sagen könnten, ob es eine Stelle gäbe. Denn selbst wenn es so wäre, müsste die Personalabteilung die erst freigeben und es habe durchaus Fälle gegeben, in denen das nicht passiert sei, sodass man sich deshalb lieber so verhalten äußern würde.
Mittwoch.
Der Kardiochirurg hat Rufdienst.
Irgendwann um kurz vor acht Uhr am Abend sagt er, dass er noch eine Runde über die Station drehen müsste und dann fertig sei. Da er aber schon gestern ins Fitnessstudio gehen wollte und nicht war vermute ich, dass er heute gehen möchte. Ich hatte ihm schon am Nachmittag gesagt, dass ich gerne noch etwas zu essen für uns beide kochen kann, aber dass er dann eben einfach rechtzeitig Bescheid sagen soll. Nachdem ich mit seiner Aussage nicht so viel anfangen kann, frage ich nochmal nach, ob ich kochen soll, aber auch da schreibt er nur ein „ich bin fertig.“
Wenig später steht er dann trotzdem auf der Matte, beschwert sich erstmal, dass ich nichts gekocht habe und fragt dann, was denn geplant gewesen sei. Auf meine Aussage hin, dass ich flott rote – Beete – Nudeln gemacht hätte, was so circa 20 Minuten dauert meint er, dass es ja nun auch nicht ständig rote – Beete – Nudeln geben muss.
Nachdem er kurz auf meinem Sofa sitzt, will er auch schon wieder los. Er müsse doch noch ins Fitnessstudio. „Willst Du echt noch gehen und nicht ein bisschen schlafen? Wenn die Dich heute Nacht anrufen, bist Du doch sonst komplett müde.“ „Mit Dir geht das ja nicht anders“, entgegnet er und schiebt sich aus der Tür.
Donnerstag.
Am Morgen schreibt die leitende Oberärztin der Psychosomatik. Sie habe nochmals mit dem Chef gesprochen und man würde mich da sehr gern haben – es gibt eben nur die Personalabteilunghürde. So ganz begeistert, dass das jetzt auf meinem Kopf landet, bin ich trotzdem nicht. Da die Kommunikation zwischen Personalabteilung und unserem Chef recht eng ist, muss ich dann wohl doch erst zum Chef gehen. Denn wenn der meinen Wunsch zu gehen von der Personalabteilung hört, wird er sich übergangen fühlen. Wenn ich jetzt aber mit dem Chef rede und die Personalabteilung dann sagt, dass es keine Stelle gibt, wird das ziemlich blöd für mich in den Monaten danach.
Ich beschließe erstmal nichts dazu zu sagen – auf der Station steppt ohnehin der Bär – und mich erst abends damit zu beschäftigen.
Und an dem Abend wird mir dann bewusst, dass sich die Schlinge um mein Hälschen allmählich ziemlich zuzieht. Die Psychosomatik zieht an mir, die Neuro weiß zumindest offiziell von nichts, es gibt ein offensichtliches organisatorisches Problem, das aber niemand gewillt ist zu lösen und das ich wohl mit gewissem Risiko selbst lösen muss und noch so einige andere Dinge, die nicht besprechbar sind.
Der Kardiochirurg hat heute eigentlich Ambulanzdienst und wir hatten gesagt, dass wir heute gemeinsam kochen, weil er da im Regelfall früh raus kommt, aber als ich ihn anrufe sagt er mir, dass er gern noch mit Kumpels telefonieren würde und dann später kommt. Ich frage mich echt, wieso wir Dinge absprechen.
Zu Hause sitze ich auf meinem Sofa und denke – wie so oft – dieselben Gedankenschleifen. Eigentlich ist der Plan mit der Psychosomatik ziemlich alternativlos. Ich habe keine Perspektive mehr in der Neuro. Ich werde da ewig als Fachärztin auf einer Assistentenstelle hocken und selbst wenn man mir eine Oberarztstelle anbieten würde, könnte ich sie wahrscheinlich nicht annehmen, weil ich viel zu wenig Interesse für das Fach habe. Dann muss man wirklich hinterher sein und lesen und mein primäres Ziel ist eher in der Neuro zu überleben ohne Patienten zu gefährden. In der Psychosomatik könnte ich einen Facharzt machen und perspektivisch dann mal in die Niederlassung gehen. Und zumindest hätte ich es dann mal probiert in ein Fach zu gehen, das mich selbst wirklich interessiert und nicht fremdbestimmt ist. Und sollte mir das wirklich nicht gefallen, kann ich ja immer noch woanders hin gehen.
Zeitgleich glaube ich nicht, dass es noch irgendeine Möglichkeit gibt, in der Neuro weiterhin ein paar Dienste zu machen. Ich mag die Notaufnahme, das ja – aber irgendwie will ich auch den Kontakt zum Campus noch nicht ganz verlieren und bin so müde von diesem ständigen Umtopfen. Man kann ja von der Neuro halten was man will, aber sie hat mich auch mehr als ein Mal gerettet, als die Welten wieder gefallen sind. Es gibt so einige Menschen dort, die ich mag, die aber Kontakte sind, die irgendwie das Krankenhaus zwischen uns brauchen. All die würden dann weg fallen. Und gleichzeitig geht es im Job eben um den Job und nicht um das Socialising.
Und dann gibt es da eben auch noch den Kardiochirurgen. Unsere Beziehung fühlt sich so unsicher an und wenn wir von einem Urlaub zurück kommen weiß ich eigentlich nie, ob es noch einen nächsten gibt. Eigentlich weiß ich nicht mal, ob wir nächste Woche noch zusammen sind. Und wenn es die Beziehung nicht gäbe und ich ohnehin keinen Kontakt in die Neuro halten kann, dann wäre ja mein Radius viel größer. In einer Großstadt könnte ich eine Klinik finden, die Psychosomatik und Psychiatrie zusammen hat – da könnte ich mir eine Rotation sparen und zudem wäre es sicher auch einfacher seine Selbsterfahrung, Supervisionen und Balintgruppen zu organisieren. Denn die Wege hier auf dem Land sind eben wirklich weit. Ich habe den Kardiochirurgen schon so oft gebeten, mich da mal in seine Überlegungen einzuweihen. Wie wichtig ist ihm die Beziehung? Ich würde die Beziehung immer über die Arbeit stellen – deshalb wäre es für mich okay hier zu bleiben, wenn wir sagen, dass wir ernsthaft weiter an einer Beziehung arbeiten wollen. Aber ich sehe es einfach bei ihm nicht und wenn ich ihn drauf anspreche sitzt er meist mit halb geschlossenen Augen an meinem Tisch und meint, dass er dazu nichts sagen kann.
Und dann habe ich auch manchmal das Gefühl, dass ich mit dieser Stadt hier einfach am Ende bin. Vielleicht habe ich hier alles mitgenommen, das sich so ergab.
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| Ihr werdet hier sicher noch ein paar Urlaubsbilder sehen. Wäre viel zu schade, die nicht zu zeigen... |
Ich wollte das eigentlich alles nochmal mit der Psychosomatik – Oberärztin besprechen. Sie hat jetzt ohnehin zum Ende des Jahres gekündigt, wird dann Vollzeit in ihre Praxis gehen, die mehr als eine Stunde Autofahrt von hier entfernt ist – wir werden de facto nichts mehr miteinander zu tun haben. Also kann sie auch jemand sein, die mal mehr als ein „das ist ein Orga – Problem“ mitbekommen kann. Das Problem ist nur, dass erst sie Urlaub hatte, dann ich und jetzt war sie die Woche glaube ich auch nicht auf der Arbeit. Sie hatte mir mal irgendwann angeboten, dass ich ihr auch ein whatsApp schreiben kann und ich habe das aus organisatorischen Gründen schon gemacht. Deshalb schreibe ich ihr nochmal und frage, ob es möglich wäre in der nächsten Zeit ein Ohr zu bekommen.
Am Abend schreibt sie zurück und sagt, dass sie aktuell krank ist. Ich wünsche ihr eine gute Besserung und sage, dass wir einen Termin finden, wenn es ihr wieder besser geht. „Wollen Sie jetzt sprechen?“, fragt sie, genau als ich zum x-ten Mal mit dem Kardiochiurgen am Tisch sitze und versuche den Beziehungsaspekt dieser ganzen Problematik zu besprechen. Allerdings kann ich jetzt unmöglich den Kardiochirurgen raus schmeißen, der das ja alles ohnehin nicht versteht, um mit der Oberärztin zu sprechen, obwohl dieses Gespräch mich wahrscheinlich weiter bringen würde, als das Schweigen des Kardiochirurgen. Am Wochenende kann die Oberärztin nicht, also sind wir wieder bei nächster Woche.
Und ja, ich weiß es liegt an mir – sie hat es ja sogar angeboten, obwohl sie krank ist, aber bei „nächster Woche“ tut irgendetwas in mir so krass weh. Wir vertagen diese Problematik von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, irgendwie lässt sich gar nichts klären, während gleichzeitig um mich herum so viel passiert und das fühlt sich mittlerweile einfach nur noch maximal beschissen an und jeder weitere Tag ist irgendwie eine Herausforderung für sich.
Am nächsten Morgen bin ich gerade auf dem Weg zur Arbeit, als die Oberärztin nochmal schreibt. „Guten Morgen Frau Mondkind. Nur mal ein paar Worte vorab.“ So geht es los. Und ich bin ihr einfach so dankbar und fühle mich sehr gesehen. Sie weiß schon, dass ich erst Alarm schlage, wenn ich richtig gestresst bin und gar nichts mehr geht. Über das Wochenende werde ich das jetzt schon hinkriegen – zumal morgen Konzertevent ist – und dann werden wir hoffentlich Anfang der Woche sprechen können. Und tatsächlich wird das glaube ich auch gut tun, das einfach mal mit einem therapeutischen Aspekt zu tun. Ich schäme mich mittlerweile schon ein bisschen dafür, weil ich es doch selbst wissen sollte, aber ich brauche gerade echt mal jemanden, der einfach auch die fachliche Kompetenz hat.
Ich bin gespannt, wie die nächste Woche wird.
Im Moment ist es wirklich schwierig und die Grenzen sind bald erreicht.
Mondkind

Das tut wirklich weh, diese fehlende Wertschätzung und Bemühungen vom Kardiochirurgen dir gegenüber zu lesen :( Ich wünsche dir ganz doll, dass sich die Dinge in eine Richtung entwickeln, mit der es dir gut geht!
AntwortenLöschenIch hoffe es auch, irgendwann. Aber ich habe so im Gefühl, das wird nicht gehen, ohne dass es nochmal krass weh tut. Und vielleicht ist das die eigentliche Angst.
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