Geburtsstadt und Omi

 Wochenende. 
Ich habe mal wieder ein dienstfreies Wochenende und habe mir überlegt, meine Oma besuchen zu fahren. Unser Verhältnis war auch mal sehr angespannt über die letzten Jahre und wir konnten uns eine Weile nicht sehen, aber das geht sehr viel besser seit geraumer Zeit. 
Ich hatte nach dem Facharzt schon versprochen vorbei zu kommen, aber dann war genau am anvisierten Wochenende unsere Tante zu Besuch – deshalb hat es dann doch etwas länger gedauert. 

Die Geburtsstadt. 
Wir haben nicht lange dort gelebt. Nur die ersten beiden Jahre. 
Und dann waren wir jeden Sommer dort und unsere Oma hat sich wirklich immer Mühe gegeben, uns ein oder zwei schöne Wochen zu ermöglichen. 
Vielleicht ist deshalb der Eindruck entstanden, dass diese Stadt alle großen Katastrophen ausgespart hat. Weil es die zwar gab, aber nicht dort. 
Ich liebe dieses Gefühl von Wärme in der Nähe des Herzens, wenn ich von der Autobahn abfahre, die Stadt unter mir liegen sehe und weiß: Hier komme ich her.

Bei meiner Oma lief es schon das letzte Mal so, dass wir zwei Tage mehr oder weniger durchgehend geredet haben. Und ich glaube, wir werden irgendwie weicher zueinander. Ich weiß, dass es Themen gibt, die ich nicht unbedingt ansprechen soll, weil wir da einfach für immer fundamental anderer Meinung sein werden. Und sie versucht sich ein bisschen auf meine Lebensplanung einzulassen. Sie kennt zwar nicht den Unterschied zwischen Physiotherapie und Psychotherapie, aber sie akzeptiert es mittlerweile, dass ich nicht mehr auf meinem Neuro – Zweig weiter hocken möchte.
Und irgendwie ist es auch immer wieder interessant etwas über unsere Familiengeschichte zu hören. Wer waren diese Menschen, die meine Vorfahren sind? Was  hat sie geprägt? Was haben die erlebt? Was hat meine eigene Mutter in ihrer Kindheit erlebt? Und irgendwie kann ich dadurch manches besser verstehen und auch ein bisschen nachsichtiger werden. 


Ich wollte eigentlich noch auf den Weihnachtsmarkt, aber dazu ist meine Oma nicht mehr mobil genug. Wahrscheinlich würde sie es schaffen, aber sie fühlt sich unsicher in den Menschenmassen und hat Angst zu stürzen. Ich war ein bisschen traurig und dachte mir zeitgleich, dass ich ja nicht wegen des Weihnachtsmarktes gekommen bin, sondern um Zeit mit meiner Omi zu verbringen und wenn es für sie nicht geht, dann bleiben wir eben da. 
Bevor ich gefahren bin, waren wir noch in einer ihrer Lieblingsgaststätten essen. Sie versucht es immer noch, so schön wie möglich zu machen. 

Und obwohl ich so wenig versprechen kann, habe ich versichert mich zu bemühen, öfter vorbei zu schauen. Auch wir haben so einige Jahre miteinander verloren und es sind Dinge passiert, von denen ich immer noch nicht ganz weiß, wie die einzuordnen sind. Übergriffig war es in jedem Fall hinter meinem Rücken eine Kündigung zu schreiben. Und zeitgleich weiß ich: Wir können das nicht ändern. Wir können nur die Zeit nutzen, die uns bleibt und das Leben ist eben endlich – besonders in dem Alter.

Ansonsten kommt gerade so wenig von mir, weil es an allen nur erdenklichen Ecken kracht und ich permanent damit beschäftigt bin Brände zu löschen. Ich kann nicht sagen, wie froh ich bin, ab dem Wochenende Urlaub zu haben. Ich habe zwar noch keine Vorstellung, was genau ich oder wir tun werden – abgesehen von einem schon geplanten Trip in die Studienstadt und beim verstorbenen Freund vorbei – aber zumindest hoffe ich auf etwas Ressourcen – Regeneration. Schön ist das schon lang nicht mehr hier.

Mondkind


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