Psychiatrie #3
Die erste Nacht seit einem Monat
habe ich mal wieder in einem anderen Bett verbracht.
Und alleine in einem Zimmer.
Ich kann die Schlaflosigkeit
nachts mit Lesen und Musik hören überbrücken und muss mich nicht leise
verhalten.
Frühstück gibt es erstmals nicht
von beigen Tablets, auf denen eiskalte Teller stehen, über die eine Haube
gestülpt ist und eine grüne Banane daneben liegt.
Wenn sie heute Abend fragen, wie
das Wochenende war, werde ich wohl sagen: Anstrengend und mit vielen
Schlaglöchern versehen.
Denn das ist es.
Ich habe gestern mit meiner
Schwester telefoniert. Es war für mich nicht mehr möglich aufzuräumen, bevor
ich in die Klinik gekommen bin. Obwohl ich schon Stapel eingerichtet hatte, auf
denen ich ein paar Tage lang gesammelt hatte, was ich für die Klinik auf keinen
Fall vergessen darf, welche Bücher noch in die Uni müssen und was zurück an
meinen Wohnort muss, hatte ich keine Möglichkeit mehr das selbst zu
organisieren.
Aber ich habe von Anfang an
gesagt, dass ich die Sachen abhole, wenn es mir besser geht. Wie mein Zimmer
aussieht, hat anderthalb Jahre lang keinen interessiert. Manchmal, wenn ich
wieder nach Hause kam, fand ich tote Fliegen auf dem Tisch vor. Und
ausgerechnet jetzt kamen sie auf die Idee all meinen Besitz ungeordnet in
Kisten zu verstauen.
Ich weiß, wo ich was abgelegt
hatte. Es geht dabei nicht nur um Ladekabel und Klamotten, die jetzt spurlos
verschwunden sind, sondern auch um Bescheinigungen für das Studium, die ich auf
meinem Schreibtisch sortiert gesammelt hatte.
Und hätte ich mich nicht nach
einem bestimmten Kabel erkundigt, hätte man mir das vielleicht überhaupt nicht
gesagt, bis ich eines Tages vor der Tür gestanden hätte in dem Glauben mal
schnell meine Sachen zusammen packen zu können.
Manchmal könnte ich mich selbst
dafür ohrfeigen, meine Schwester zu vermissen. Aber das kann ich ja nicht
leugnen. Es ist einfach so. Wie man tief im Herzen von Menschen so bewegt sein
kann, die einen beinahe täglich enttäuschen, weiß ich nicht.
Ich habe gedacht, wir finden
vielleicht einen Weg, miteinander umzugehen.
Nur für das Schweinchen sitten im
Sommer bin ich dann wieder gut genug. Aber ich vermisse die Tierchen wirklich
und ich habe sie so lieb gewonnen. Es ist nicht nur Pflicht – sie geben mir
auch so viel.
Auch die Wohnsituation
beschäftigt mich. Ich hatte letzte Woche ein dreistündiges Gespräch mit dem
Ergotherapeuten. Und in dem Zug ist mir klar geworden, dass ich eigentlich nur
an meinem derzeitigen Wohnort bleibe, weil ich Angst habe.
Ich habe das von Anfang an sehr
kritisch gesehen, bei der Freundin einer Freundin einzuziehen – insbesondere wenn
man bedenkt, dass diese Freundin mir so sehr durch die schwierigsten Zeiten
meines Lebens geholfen hat.
Irgendwie entsteht da eine
gewisse Art von moralischer Verpflichtung. Und auch, wenn ich meine Vermieterin
und ihre Kinder sehr mag, wenn mir der Hund ans Herz gewachsen ist, aber ich
habe es nie so wirklich geschafft, mich dort zu integrieren und gleichzeitig
ein selbstständiger Mensch zu sein. Ich pendle seitdem auch vier Stunden pro
Tag – wie viel Lebenszeit da verloren geht…
Und irgendwie… vielleicht wird es
langsam Zeit doch in meine Studienstadt zu ziehen und mit Gleichaltrigen
zusammen zu wohnen, die auch im Studium stehen. Ich meine – irgendwie stelle
ich mir das schon schön vor bis um 7 Uhr morgens zu schlafen, dann zu
frühstücken und mit dem Rad zur Uni zu radeln. Und abends mal gemeinsam zu
kochen. Und zu quatschen, mit Leuten, die auch studieren.
Der Ergotherapeut hat mir dann
eine Zettel mit einer Menge von Suchportalen mitgegeben. Die meisten davon
kannte ich gar nicht, weil es eben nicht die einschlägigen Portale waren, die
man so kennt. Und prompt bin ich fündig geworden. Mit einer Wg – Gruppe stehe
ich schon im Kontakt und ich könnte mir vorstellen dort nächste Woche mal
vorbei zu fahren und mir das anzuschauen.
Sich wieder an neuen Wohnort zu
gewöhnen, wird mich erstmal wieder in die Heimatlosigkeit schmeißen. Ich hatte
auch lange gebraucht, um meinen jetzigen Wohnort als ein Stück „zu Hause“
anzusehen. Ein Stück nur. Und so richtig ist es das halt leider nie geworden.
Und wie ich das meiner
Vermieterin erklären soll, weiß ich auch noch nicht. Ich weiß, dass sie gerade
ins Schwimmen gerät. Die Familie, die zur Untermiete gewohnt hat ist gerade in
diesem Monat ausgezogen, der Student, der auch bei uns gewohnt hat ist auch
gerade weg und außerdem müssen eine Menge Fenster repariert werden.
Ich müsste es ihnen so schnell
wie möglich mitteilen, aber ich weiß es ja noch nicht. Irgendwie wird der
nächste Besuch dort glaube ich schwer. Ich kann ja nicht so tun, als wäre
nichts…
Ich habe schon meine Ärzte und
Therapeuten im Ohr: „Erstmal müssen Sie jetzt an sich denken“. Aber ganz im
Ernst: Das ist so dermaßen egoistisch.
Ich weiß nicht, wie es weiter
geht. Wirklich nicht.
Ich habe irgendwie das Gefühl,
dass es viele Veränderungen geben wird. Aber es hängt noch in der Schwebe.
Alles Liebe
Mondkind
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Lieber Gruß von den Schweinchen |
Die Bilder zerreißen mir das Herz irgendwie. Ich vermisse die beiden so, so sehr...
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