"Geschichtsstunde"
Eigentlich hatte ich am Wochenende einen Blogpost über den
letzten Freitag schreiben wollen. Aber irgendwie… - wurde das nichts so
richtig. Dass es mir auf der Chirurgie nicht so richtig gut geht, dürfte
mittlerweile durchgesickert sein. Wenn ich sage, dass ich Freitagabend wirklich
mit Tränen in den Augen im OP stand, darf sich jeder selbst ausmalen, was da
wohl passiert sein mag. Ich möchte die Chirurgen hier auch nicht als schlechte
Menschen darstellen oder so. Es ist halt unfassbar viel Verantwortung, die sie
da tragen. Auf der einen Seite sollen sie die Menschen von den Tumoren heilen,
auf der anderen Seite bedeuten die OPs in vielen Fällen eine Gradwanderung, da
die Tumoren nun mal leider häufig nicht an Stellen wachsen, an denen man sie
gut heraus operieren kann. Hat man ein Mal ein großes Gefäß angeritzt, schwebt
der Patient unter Umständen innerhalb von Sekunden in Lebensgefahr.
Das rechtfertigt es trotzdem nicht, die Studenten als
Projektionsfläche der eigenen Stimmung zu nutzen – wenngleich es irgendwo auch
nachvollziehbar ist.
Ich war dieses Wochenende ziemlich mit meiner Erkältung beschäftigt.
Da ich im Moment so gar nicht zur Ruhe komme, habe ich trotzdem so viel
gelernt, wie es irgendwie ging. Aber heute in den frühen Abendstunden trieben
mich die Kopfschmerzen dann doch zu anderen Dingen, als ich nicht mal mehr den
Schlaganfall auf die Reihe bekommen habe. Und wenn ich normalerweise eine Sache
richtig kann, dann ist das Schlaganfall.
Ich habe ein paar alte Blogeinträge vom letzten Jahr gelesen. Über
Zeiten, in denen man als PJlerin noch mehr als ein Fußabtreter war. Als mein
Telefon ständig klingelte, man noch dieses oder jenes wollte. Zeiten, in denen
ich auch gestresst war – aber positiv gestresst und man meine Arbeit geschätzt
hat.
Und irgendwie… - Ich weiß nicht, ob man das sagen darf von einem Ort,
an dem man eigentlich relativ wenig seiner Lebenszeit verbracht hat – aber ich habe
unglaublich viel Heimweh.
Es hat mich nochmal dazu gebracht, in meinem Tagebuch nachzulesen, wie
ich die ersten Berührungen mit der Neuro wahrgenommen habe. Und irgendwie ist
das schon… - süß… Ein paar Ausschnitte…
Montag, 14. März 2016
Heute hatte ich den
ersten Tag auf der Neuro. Diese Klinik alleine ist ja schon mal… Donnerwetter. Architektonisch
beeindruckend... In der Mitte gibt es einen „Stützpunkt“ und von dort aus
laufen die Flure mit den Krankenzimmern nach Norden, Süden, Westen und Osten.
Und auf den Stützpunkten
ist wirklich alles so hübsch hergerichtet mit Sitzecke und so und Du kommst Dir
überhaupt nicht wie in einem Krankenhaus vor.
Zum Blutabnehmen geht
man übrigens nicht über die Flure, sondern die Patienten kommen auf den
Stützpunkt. Schon cool irgendwie…
Heute wurden wir
eingeteilt und obwohl es hier so viele Stationen mit so vielen Möglichkeiten
gibt, müssen wir auf unseren zugewiesenen Bereichen bleiben. Ich bin Ambulanz /
Notaufnahme, darf allerdings auch die Visite auf der Stroke unit mitmachen.
Die hat heute erst mal
zwei Stunden gedauert. Es gibt dort auch relativ viele Leute, deren
Schlaganfallsymptomatik sich relativ gut zurück gebildet hat und die ganz
normal mit einem kommunizieren können, alles bewegen können und denen es im
Grunde genommen gut geht.
Und dann gibt es auf der
anderen Seite die richtig krassen Fälle. Hypertensive Massenblutung, die einen
Herren völlig apathisch im Bett liegen ließ und bei einem anderen Menschen für
eine Halbseitenlähmung sorgte und dafür, dass er sich nicht mehr artikulieren
kann. Ich weiß nicht, wie viel er versteht von dem was wir sagen – er hat immer
wieder seinen Kopf zu den sprechenden Ärzten gewandt, aber das war schon hart.
Donnerstag, 17. März 2016
Ja, ich bin nachlässig. Es wird alles kommen. So nach und nach. Ich
komme hier nur kaum zum dokumentieren.
Also die Neuro… haut mich um. Im positiven Sinne. Ich schaffe es
wirklich erstmals in einem Fachbereich zu gehen und dort nicht hinaus zu gehen
mit dem Gedanken: Sorry, aber das will ich nie, nie im Leben tun.
Freitag, 18. März 2016
Ich habe heute etwas getan, von dem ich vor ein paar Wochen nie
geglaubt hätte, das jemals zu tun. Wir hatten frei heute Morgen. Nachdem
gestern die Abschlussveranstaltung war, die bis tief in die Nacht ging, durften
wir ausschlafen.
Ich war ohnehin wach, also bin ich aufgestanden und rüber in die Neuro
gelaufen. Jawohl, ich habe freiwillig in Dienstkleidung ein Krankenhaus
betreten. Und [der Oberarzt] war so begeistert davon, dass ich da war, dass er
gleich mal richtig viel erklärt hat.
Ich bin noch nie aus einer Fachrichtung mit positiver Stimmung
herausgekommen. Ich habe immer nur herausgefunden, was ich alles nicht will.
Und wenn ich ehrlich zu mir bin: Das Herz als Organ ist wirklich sehr
faszinierend. Aber der ganze interventionelle klinische Kram interessiert mich
nicht. Vielleicht werde ich keine Kardiologin.
Aber Neuro – in der Neuro ist das anders. Ich habe das Gefühl, dass
das dort meine „Nische“ werden kann.
Ich erklärte [dem Oberarzt], dass ich eventuell für eine komplette Famulatur
wieder kommen würde. Er meinte, wenn ich mich dafür entscheide, soll ich ihn
anrufen, er kümmert sich dann. Sogar mit Zimmer und Verpflegung in der Neuro
hat er gesagt. Und dann holte er einen Zettel, schrieb die Telefonnummer der
Neurologie direkt mit seiner Durchwahl auf und drückte ihn mir in die Hand. „Wie
heißen Sie doch gleich?“, fragte er, drehte mein Namensschild um und schrieb
sich meinen Namen auf.
Besser hätte das wohl jetzt nicht laufen können. Ich brauche einen
Anruf. Dann bin ich zurück
Irgendwie habe ich es ja damals schon ein bisschen geahnt, dass das
etwas Großes werden könnte. Aber das ganze Projekt Neuro kam aus dem Nichts. Ich
bin mit absolut keinen Erwartungen in die Neuro rein gegangen. Ich kann mich
erinnern – wir sollten in die Schule in Sozialwissenschaften mal Notizen zum
Thema „Mein Leben in 10 Jahren“ machen. Dass es auf Medizin hinaus laufen
würde, war damals schon absehbar. Aber mit dieser Wendung der Ereignisse, hätte
keiner rechnen können.
Dieses Praktikum war das Beste, das mir passieren konnte.
Mondkind
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