Happy Birthday, lieber Blog!


Es ist genau zwei Jahre her, dass ich auf meinem Bett saß, eigentlich Zusammenfassungen für das schriftliche Examen schreiben wollte und mein Kopf so voll von Gedanken war, dass ich mal wieder nichts zu Stande gebracht habe.
Und mit dem Impuls von „Mondkind, das wird doch jetzt eh nichts…“, habe ich mich mal einem Projekt gewidmet, das schon lang in meinem Hinterkopf spukte. Nicht nur Blogs lesen, sondern auch selbst einen schreiben.
Ich habe festgestellt, dass es eigentlich ziemlich einfach ist, einen Blog zu erstellen und ein paar Minuten später saß ich mit meinem PC auf dem Schoss, die Beine übereinander geschlagen und den Rücken an die Wand gelehnt auf meiner Bettdecke und habe mich durch die Einstellungen geklickt.

Seitdem wurde der Blog rund 35.000 Mal aufgerufen und es ist viel passiert. Der Sommer, der eigentlich der „Examens – Sommer“ werden sollte, wurde es dann doch nicht, weil mir die Psychiatrie dazwischen kam. Davon abgesehen, was ich dort für mich selbst erreichen konnte, sind auch Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen. Und es sind sehr besondere Freundschaften – einfach, weil man sich in einer sehr besonderen Situation kennen gelernt hat.
Auch das PJ verlief dann etwas anders als geplant. Zum Einen logischerweise später als ursprünglich angedacht, zum Anderen hat sich nur durch das notgedrungene Schieben des Examens die Möglichkeit ergeben, die erste PJlerin in der Kreisklinik in dem Dorf zu sein, in dem ich ohnehin die Neuro machen wollte.
Ich hatte nicht nur vier, sondern acht Monate Zeit, um dort meine Wurzeln zu schlagen und das hat scheinbar funktioniert. Es gibt nicht einen Tag, an dem ich nicht zurück denke und mir wünsche, dort zu sein. Manchmal habe ich gezweifelt, ob man denn fern einer Universität genug lernt, oder ob man an der Uni doch mehr sieht und fürs Leben mitnimmt. Nachdem ich das Chirurgie – Tertial jetzt an der Uni mache, kann ich ganz klar sagen: An der Uni lernt man nichts, außer eine hohe Frustrationstoleranz zu entwickeln. 



***
Aktuell geht es mir leider immer noch nicht viel besser. Nach vielen Gesprächen mit Freunden und der Therapeutin haben sich jetzt aber zwei wesentliche Aspekte heraus kristallisiert.
Das Eine ist, dass ich mir hier mit meinem Perfektionismus die Zähne ausbeiße. Als PJler etwas richtig zu machen, ist hier scheinbar nicht vorgesehen – man ist Blitzableiter, egal was man tut. Außerdem haben einige Geräte so viele Jahre auf dem Buckel, dass sie einfach streiken. Ich ziehe so oft mit dem EKG – Gerät über den Flur, bei dem es tagesabhängig ist, ob der Sog funktioniert, oder nicht. Und vom ein oder anderen Patienten hört man dann schon mal: „Wieso können Sie denn kein EKG schreiben. Dann holen Sie einen Arzt, wenn Sie das nicht schaffen…“ „Mondkind – ich weiß, Du bist perfektionistisch, aber manchmal geht es auch nur darum, etwas überhaupt zu schaffen. Du darfst auch mal eine schlechte Leistung abliefern“, sagte kürzlich jemand dazu.

Das Zweite ist die krasse Angst durchs Examen zu fallen. Das ist ein kleiner circulus vitiosus, denn je mehr mein Gehirn stressbedingt auf „standby“ schaltet, desto größer wird die Angst. Ich merke das ja selbst, dass ich aktuell wenig zusammen bekomme – letztens nicht mal mehr das SIADH – Syndrom, falls das wem etwas sagt. Muss vielleicht nicht jeder wissen, aber wir hatten halt auf der Neuro einen Fall und den Patienten habe ich mitbetreut. Ich habe so wahnsinnige Angst, das Wissen zum spannenden Zeitpunkt zwar im Kopf, aber nicht abrufbar zu haben.
Die Angst wird nicht mal dadurch generiert, dass ich von mir selbst enttäuscht wäre. Zwar würde ich dem Neuro – Oberdoc gern glauben, der sagt, dass die Dinge sich im Ort in der Ferne beruhigen werden sobald das Studium vorbei ist, aber ich sehe das noch nicht so. Ob es emotional einen großen Unterschied macht, ob ich nun noch ein halbes Jahr lerne oder die ersten Schritte als Assistenzärztin wage, die sicher auch stressig werden, weiß ich nicht. Aber ich habe sehr viel Angst, die Leute dort zu enttäuschen, wenn ich es nicht schaffe. Vielleicht denken sie dann, dass ich keine Ahnung habe. Vielleicht verliere ich als Mensch meinen Wert dort, wenn die Leistung nicht passt. Das mag daher rühren, dass der Umgang mit mir sich sehr lange nur über die Leistung definiert hat. Und so sehr, wie ich versuche mir zu sagen, dass die Dinge heute anders sind, kommt das auf der emotionalen Ebene nicht an.

Die Schwere in mir wird nicht weniger. Und die Unsicherheit immer größer. Tagsüber habe ich Angst den Patienten zu schaden, weil ich Dinge falsch mache, nachts bleibt es - was das Schlafen anbelangt - aktuell beim Versuch. Die Therapeutin gibt sich viel Mühe mit mir und auch ich gebe mir Mühe, es irgendwie durchzuziehen. Allerdings bin ich weit jenseits meiner Grenzen und gehöre eigentlich im Moment nicht in so ein Arbeitsumfeld. Ich frage mich immer, wann der Punkt ist, ab dem man sagen darf, dass man das so gerade einfach nicht mehr kann und da andere Lösungen her müssen.
Muss man das so lange machen, bis man völlig zusammen bricht? Oder darf man sich vorher selbst schützen? Aber dann weiß man nie, ob man es nicht doch geschafft hätte, wenn man sich nur ein bisschen mehr angestrengt hätte. Ich würde glaube ich nie aufhören, mir Vorwürfe zu machen, es nicht ausreichend versucht zu haben…

Mondkind

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