Psychiatrie #13 Zukunfts - Sicherheiten und Wochenende



Put your head down on my shoulder
A little warmth when it gets colder
Now I don't know the things that your going through
But you can put your head down
On my shoulder

(Westlife – on my shoulder)

Sollte das so sein? Sollte man ein Schulter zum Anlehnen haben? Oder sollte man sich selbst immer wieder versichern, dass es auch ohne die Schulter geht? Dass man selbst im Leben zurecht kommen muss, und die Schulter nur „Zusatz“ ist?

Ich erfahre gerade, dass ich auch im Ort in der Ferne vermutlich nicht ganz die Unterstützung haben werde, die ich mir gewünscht hätte. „Das müsstest Du können“, höre ich auf die Frage, ob ich alleine zurecht kommen muss.
Vermutlich geht es nicht weiter, wie es damals im Dezember aufgehört hat. Vermutlich wird der Ort nicht so sicher sein, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und vermutlich hat Herr Therapeut auch Recht, wenn er sagt, dass die guten Erfahrungen aus dem Gestern uns auch immer ein Stück im Heute tragen – positiv, nicht negativ.
Vielleicht sind das notwendige Worte für mich – hart sind sie trotzdem.

Nicht so hart, dass ich auseinander fallen würde. Ich bin mir sehr sicher, dass mich diese Erkenntnis zu Hause sehr viel mehr getroffen hätte. „Ich räume dem negativen Teil gerade ein paar Kompromisse ein, die aber dafür sorgen, dass ich mich auf Stationsebene ziemlich sicher bewegen kann und das nicht in die akute Suizdalität abrutscht“, habe ich Herrn Therapeuten am Freitag erklärt. „Sonst würden wir hier jeden zweiten Tag sitzen und über die geschützte Station debattieren“, füge ich auf seinen fragenden Blick hinzu.
„Dann ist das eben so“, gibt er zurück. „Und woher wollen Sie die Zeit nehmen?“, frage ich. Das sei doch sein Problem, erwidert er. „Damit mache ich mich aber auf der Station nicht unbedingt beliebter, wenn die anderen Patienten das mitbekommen“, entgegne ich. „Wer entscheidet denn über die Notwendigkeit von Einzelgesprächen?“, fragt Herr Therapeut. „Naja… - Ärzte und Therapeuten…?“, gebe ich zurück. „Genau“, antwortet Herr Therapeut. „Und wenn sich jemand beschwert, kann ich demjenigen auch gern begründen, warum Sie das bekommen…“

Über die Kompromisse, die ich geschlossen habe, möchte er trotzdem informiert werden. Als ich mich fertig erklärt habe, schaut er mich mit einem undefinierbaren Blick an. „Ja, ich weiß. Man kann das ziemlich verurteilen…“, schiebe ich hinterher. „Was denken Sie, was ich gerade denke?“, fragt er. „Naja…“, entgegne ich, „… - was erzählt die jetzt schon wieder für einen Müll…“ „Das wollte ich gar nicht sagen…“, seufzt er.  

Hier wäre er richtige Ort für die Tiefs. Ich glaube die Lösung wird darin liegen herauszufinden, warum es dazu kommt und was mir das sagen soll. Was stört mich an einer Situation so sehr, dass es in die Suizidalität abrutscht und was möchte ich eigentlich sagen und kann es nicht anders ausdrücken? Denn letzten Endes ist Suizidalität auch immer eine gestörte Form von Kommunikation.
Ob ich mich allerdings wirklich voll und ganz darauf einlassen kann mit den Konsequenzen zu leben, die dieser Zustand nun mal im Rahmen eines stationären Aufenthalts nach sich zieht, weiß ich nicht.

Am Ende geht es um das Thema Entlassung. Nachdem die Stationsärzin Mitte August vorgeschlagen hatte und der Chef – Psychologe erklärt hat, dass ich lieber noch ein paar Wochen länger bleiben solle, dachte ich, dass es vielleicht sinnvoll wäre, Herrn Einzeltherapeuten zu fragen.
„Ich werde mich in der Teambesprechung auch dafür einsetzen, dass Sie noch ein paar Wochen bleiben können“, erklärt er.
Auf der einen Seite ärgert es mich nicht im September mit dem Arbeiten beginnen zu können und ich mache mir auch etwas Vorwürfe, zu langsam voran zu kommen. Auf der anderen Seite muss ich aber zugeben, dass es mich erleichtert noch etwas Zeit zu bekommen, um mich vielleicht noch etwas mehr zu stabilisieren. Außerdem scheint man mich dann doch langsam ernster zu nehmen und hat offensichtlich erkannt, dass es da hinter der Fassade doch das ein oder andere Problem gibt.
Jetzt muss ich „nur“ noch das finanzielle Problem regeln…  Denn irgendwie bin auch ich der Meinung, dass es sinnvoll wäre, nicht zu schnell die Deckel wieder auf die Töpfe zu schlagen, nachdem ich sie einmal herunter genommen habe.

***
Jeder, der sich in der Ausbildung im Gesundheitssystem befindet – ob nun Krankenpflegeschüler oder PJler hat einen entscheidenden Vorteil – meistens steht viel Zeit zur Verfügung.
Im Moment haben wir eine sehr engagierte Schülerin hier, die nicht „nur“ ihr Praktikum nach Vorschrift absolviert, sondern den Patienten auch helfen möchte, ihre Geschichten erfahren und uns den Stationsalltag etwas leichter machen möchte.
Nachdem ich irgendwann mal angemerkt hatte, dass ich mir den Sommer etwas anders vorgestellt hatte, hat sie am Wochenende einen Filmeabend initiiert. Irgendwie hatte es doch einen Anstrich  längst vergangener Zeiten, wie unsere – zum Samstag üblicherweise etwas kleinere Runde – Samstagabend mit Popcorn, Gummibärchen und Chips bewaffnet vor dem Fernseher saß und sich in die Welt von kleinen, bunten Monstern entführen ließ.

Außerdem hat sie mich mitten in meinem Mittagstief motiviert, mit ihr eine Runde spazieren zu gehen.
Gelegentlich geht es gar nicht um irgendwelche hochpsychologischen Interventionen. Manchmal ist ein offenes Ohr und das Teilen von Erfahrungen alles, was es braucht. Während wir eine Runde durch den nahe gelegenen Wildpark und danach noch ein Stück durch den Wald laufen, geht es um die alltäglichen Dinge des Lebens. Um Freundschaften, die nicht nur bei mir auseinanderbrechen. Dass es manchmal einfach so ist und ich nicht zwingend etwas falsch gemacht habe. Es geht darum, wie es mir hier in der Klinik geht, um die Ängste und Zweifel, darum, was ich hier noch hoffe zu erreichen. Ein bisschen um das Studium, ein bisschen darum, wie ich mir die ersten Schritte im Ort in der Ferne vorstelle.
Und selbst an einem Samstag mit dem Hirn nicht komplett alleine zu sein, tut wirklich sehr, sehr gut. 

Na Hallo...
Wildschwein - Baby erkundet die Welt... 🐖


Mondkind

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